Kondensat und Krise
Der aktuelle Kommentar von Heinrich Schuller über den Beitrag der Architektur zu einer lebenswerten Welt
Kondensiertes Wasser an den Fensterscheiben: Viele kennen das Problem. Die Lösungen sind einfach – und sie zeigen uns, wie wir generell an die heutige ökologische Krise herangehen müssen.
Lösung 1: Heizung rauf
Wärmere Luft hat ein größeres Feuchteaufnahmevermögen, was dazu führt, dass die Luft mehr Feuchte aufnehmen kann. Wärmere Luft benötigt aber Energie, die aktuell teuer ist. Schlecht.
Lösung 2: Feuchte runter
Feuchte in regelmäßigen Abständen abführen, indem man lüftet. Fenster zu öffnen bedeutet aber, dass die warme Raumluft gegen kalte Luft getauscht wird, was wiederum die Heizkosten erhöht. Schlecht.
Lösung 3: Warme Oberflächen
Wenn Oberflächen wärmer sind, entsteht auch kein Kondensat. Im Passivhaus haben Dreifachisoliergläser sowie Böden, Wände und Decken Oberflächentemperaturen von etwa 17 Grad Celsius im Winter. Dadurch kann Kondensat nicht entstehen, die Behaglichkeit ist entsprechend groß und der Heizaufwand gering. Problem an der Wurzel gepackt.
Zwei der beschriebenen Lösungen haben also einen höheren Energieverbrauch zur Folge und sind abhängig von Technik und Energie. Klassische End-of-Pipe-Lösungen. Außerdem ist die Lebensdauer von Heizungsanlagen mit circa 25 Jahren gering. Die dritte Lösung – eine optimale Gebäudehülle – packt das Problem an der Wurzel. Ein gutes Gebäude mit einer Lebensdauer von 50 bis 100 Jahren verringert den Bedarf an Technik, reduziert die Abhängigkeit von Energieversorgung und ist weniger umweltbelastend. Das ist der Weg, den man als nachhaltig ansehen kann. Und der Weg, der uns unabhängig macht.
Einsparung oder Reduktion ist nicht cool, weil es nach „Zurück auf die Bäume" klingt. Da beklebt die Industrie lieber Flugzeuge mit Plastikfolie, die die Aerodynamik verbessert und den Energieverbrauch um ein Prozent reduzieren soll, anstatt weniger zu fliegen. Da propagieren wir lieber Heizungstausch statt Gebäudeoptimierung, obwohl zweiteres viel nachhaltiger und wirksamer wäre und uns tatsächlich unabhängig machen würde.
Wasser an den Fensterscheiben ist ein häufiges Phänomen bei Bauten aus den letzten Jahrzehnten. Tägliches Wischen ist im Winter ein übliches Ritual. Runterdrehen der Heizkörper oder dicke Vorhänge vor den Fenstern verschärfen das Problem und machen Schimmelbildung wahrscheinlich. Entsprechende Fotos erreichen uns immer öfter.
Der Indikator für die Qualität des Raumklimas
Kondensat oder sogar nasse Fensterrahmen sind ein deutliches Anzeichen eines ungesunden Raumklimas. Entweder ist die Raumtemperatur zu niedrig, die Luftfeuchte zu hoch oder die Oberflächen zu kalt. Feuchte kondensiert an kalten Oberflächen. Im Winter hat Zweifach-Isolierglas an der Innenseite eine Temperatur von 12 bis 14 Grad Celsius, wenn nicht durch einen steten warmen Luftstrom die Temperatur des Glases erhöht und die Feuchte im Nahbereich des Glases aufgetrocknet wird. Kondensat und Schimmel entsteht aber nicht nur bei Fenstern, sondern auch an Wänden, wenn die Luftfeuchte zu hoch und die Wand zu kalt ist. Für physikalische Probleme wie dieses gibt es physikalische Lösungsmöglichkeiten:Lösung 1: Heizung rauf
Wärmere Luft hat ein größeres Feuchteaufnahmevermögen, was dazu führt, dass die Luft mehr Feuchte aufnehmen kann. Wärmere Luft benötigt aber Energie, die aktuell teuer ist. Schlecht.
Lösung 2: Feuchte runter
Feuchte in regelmäßigen Abständen abführen, indem man lüftet. Fenster zu öffnen bedeutet aber, dass die warme Raumluft gegen kalte Luft getauscht wird, was wiederum die Heizkosten erhöht. Schlecht.
Lösung 3: Warme Oberflächen
Wenn Oberflächen wärmer sind, entsteht auch kein Kondensat. Im Passivhaus haben Dreifachisoliergläser sowie Böden, Wände und Decken Oberflächentemperaturen von etwa 17 Grad Celsius im Winter. Dadurch kann Kondensat nicht entstehen, die Behaglichkeit ist entsprechend groß und der Heizaufwand gering. Problem an der Wurzel gepackt.
Zwei der beschriebenen Lösungen haben also einen höheren Energieverbrauch zur Folge und sind abhängig von Technik und Energie. Klassische End-of-Pipe-Lösungen. Außerdem ist die Lebensdauer von Heizungsanlagen mit circa 25 Jahren gering. Die dritte Lösung – eine optimale Gebäudehülle – packt das Problem an der Wurzel. Ein gutes Gebäude mit einer Lebensdauer von 50 bis 100 Jahren verringert den Bedarf an Technik, reduziert die Abhängigkeit von Energieversorgung und ist weniger umweltbelastend. Das ist der Weg, den man als nachhaltig ansehen kann. Und der Weg, der uns unabhängig macht.
Was ist der Weg in die Energieunabhängigkeit?
Das Kondensatproblem kann man also durch Sparsamkeit, Energieeffizienz und langfristiges Denken am besten lösen, was man als beispielhaft für das gesamte Thema Energie ansehen kann. Umso weniger verstehe ich, dass die niederösterreichische Landesregierung medial einen blau-gelben Weg in die Energieunabhängigkeit propagiert, einen Weg, in dem es zwar um einen verstärkten Ausbau von Windkraft, Fotovoltaik, Wasserkraft und Biomasse sowie Netzsicherheit geht, aber nicht um Effizienzsteigerung. Obwohl diese am einfachsten und wirtschaftlichsten wäre. Einsparung oder Reduktion ist nicht cool, weil es nach „Zurück auf die Bäume" klingt. Da beklebt die Industrie lieber Flugzeuge mit Plastikfolie, die die Aerodynamik verbessert und den Energieverbrauch um ein Prozent reduzieren soll, anstatt weniger zu fliegen. Da propagieren wir lieber Heizungstausch statt Gebäudeoptimierung, obwohl zweiteres viel nachhaltiger und wirksamer wäre und uns tatsächlich unabhängig machen würde.
Kreislaufwirtschaft statt Ausbeutungswirtschaft
Die Krise der Menschheit besteht darin, nicht einsehen zu wollen, dass wir die Natur nicht besiegen können. Wir glauben immer noch, dass ein Wirtschaftssystem, das auf dem Zwang zum Wachstum basiert, in einem endlichen Ökosystem möglich ist. Was wir tun sollten, ist, uns den Gesetzmäßigkeiten der Natur anzupassen und ihre genialen bewährten Methoden wie Nutzung erneuerbarer Energie, Energieeffizienz, Recycling, Kooperation und Kreislaufwirtschaft etc. zu übernehmen.Und wenn dann die Wissenschaft gemeinsam mit der Jugend medienwirksam darauf hinweist, dass etwas gründlich schief läuft, fordert die Politik härtere Strafen. Nein, natürlich nicht für klimaschädigendes Verhalten und tatenlose Politiker, sondern für die Klimakleber, die den Autoverkehr behindern.
Was hat Architektur mit Frieden zu tun?
Seit 25 Jahren arbeite ich als Generalplaner für nachhaltige Architektur. Unter nachhaltiger Lebenswelt verstehen wir die synergetische Verbindung von Architektur, Technik und Ökologie mit Spiritualität. Denn nur eine Umwelt, die wir lieben, schützen wir auch. Nur ein Haus, das wir als schön empfinden, erhalten und pflegen wir gerne. Nur ein Gebäude, das unsere zutiefst menschlichen Bedürfnisse befriedigt, bringt unsere Kreativität, unsere Liebe, unsere besten Eigenschaften zum Blühen.
Leider gehen die sozialen Qualitäten von Architektur immer mehr verloren. Es gibt keine attraktiven öffentlichen und halböffentlichen Kommunikationsräume mehr wie früher im Dorf. Früher baute man schön, weil man angeben wollte. Heute bauen wir hässlich, weil uns die Allgemeinheit egal ist. Wir verlagern unsere Außenbeziehungen in virtuelle Räume. Wir bezeichnen Facebook-Friends als Freunde und sind stolz auf viele Follower, sogenannte Nachläufer. Ich glaube an die heilende Kraft guter Architektur. Architektur die vielfältig, offen, bunt, grün, kleinteilig, ökologisch, energieeffizient, veränderbar und kreislauffähig ist, trägt den Keim für Frieden in sich.
Krisen haben einen riesigen Vorteil. Sie pushen die menschliche Kreativität. Noch nie wurde derart intensiv in allen Bereichen des Lebens nach ökologisch besseren Lösungen gesucht wie derzeit. Weil wir lernfähig sind. In diesem Sinne bin ich überzeugt, dass die Menschheit noch zu retten ist.
Heinrich Schuller ist mehrfach ausgezeichneter, nachhaltiger Architekt und Gründer von ARCHITECTS4FUTURE, einem Zusammenschluss von Architekten, die sich für einen nachhaltigen Wandel der Baubranche einsetzen.
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