Glyphosat und andere Ultragifte können ab jetzt gerichtlich verboten werden
Der aktuelle Kommentar von Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe
Seit April 2023 können wir erstmals seit 41 Jahren gegen die Zulassung giftiger Pestizide klagen. Eine harte Auseinandersetzung steht bevor. An den Reaktionen wird schon jetzt deutlich, dass den Klagen Erfolg zugetraut wird. Ein Bauernverband drohte, „dass wir in Deutschland Hunger kriegen oder aber als reiches Land den Hungernden der Welt Lebensmittel wegkaufen". Der Industrieverband Agrar (IVA) verkündet schließlich frech, dass Ernährungssicherheit nur mit Pestiziden möglich sei. Die Deutsche Umwelthilfe sagt den Pestizid-Konzernen trotzdem den Kampf an.
Vor 41 Jahren beobachtete ich bei einer Vogelexkursion eine seltsam singende Singdrossel, die unter Krämpfen zu Boden fiel und binnen Stunden qualvoll starb. Tausende Singvögel und viele hundert Greifvögel und Eulen folgten im Frühjahr 1982 – der schreckliche Todeskampf dauerte jeweils Stunden bis Tage, kein einziges Giftopfer überlebte. Auch in den Vorjahren starben immer wieder Vögel unter Krämpfen, die Behörden gaben sich ahnungslos. Erst ein anonymer Hinweis eines Beamten des Landwirtschaftsministeriums ermöglichte die gezielte Untersuchung auf das im Obstbau angewandte Pestizid Endrin, das wir als Verursacher des Vogelsterbens am Bodensee ausmachen konnten.
Leere Drohungen
Über vier Monate hinweg lief unsere Kampagne zum Verbot dieses von Behörden wie Bauernverbänden als unverzichtbar bezeichnetes Gift. „Der Erwerbsobstbau wird in Deutschland ohne ENDRIN zusammenbrechen" hielten die chemische Industrie und ihre Lobbyisten erfolglos dagegen. Ich konnte Politik und Behörden im Sommer 1982 davon überzeugen, Anwendung und Verkauf von Pestiziden mit dem Wirkstoff Endrin mit sofortiger Wirkung zu verbieten. Wenige Jahre später gelang es uns Umweltverbänden, auch das Insektizid Lindan verbieten zu lassen. Erneut warnten die Pestizid-Konzerne: „Der Ackerbau in Deutschland wird ohne LINDAN zusammenbrechen". Doch nichts dergleichen geschah.
Entwicklung zugunsten der Chemieindustrie
Heute 40 Jahre später hat sich das Kräfteverhältnis zugunsten der Chemie-Industrie gedreht. Obwohl wir heute ungleich mehr über die verheerenden Folgen des giftigen Pestizid-Cocktails, der auf Äcker und Felder niedergeht, verstehen, bestimmen die Gewinninteressen von BASF, Bayer, Monsanto & Co die Entscheidungen von Politik und Behörden. Die Anzahl der zugelassenen Pestizide ist auf über 250 angewachsen, die Menge der versprühten Gifte liegt in Deutschland bei bis zu 35.000 Tonnen pro Jahr. Das jahrzehntelang verfolgte Ziel, Menge und Anzahl der Ackergifte zu halbieren, ist krachend gescheitert. Allein von Glyphosat-Mitteln wurden 2021 über 4.000 (!) Tonnen ausgebracht. Raubtierlobbyisten wie der neue Monsanto-Eigner, die Bayer AG, verdienen mit ihren Giften Milliarden und unsere Umwelt zahlt die Rechnung. Ich selbst erlebe das erschreckende Artensterben derzeit hautnah in meiner Heimat am Bodensee.
Der Befreiungsschlag: Jetzt darf die Justiz ran
Seit mehr als einem Jahrzehnt gelingt es der Industrie, das europaweit geforderte Glyphosat-Verbot in Deutschland zu verhindern. Wenn also die Politik – anders als vor 41 Jahren bei Endrin – nicht mehr die Kraft hat, giftigen Pestiziden die Zulassung zu entziehen, müssen die Gerichte entscheiden. Das ist unser Recht als Umwelt- und Verbraucherschutzverband, seit mehr als einem Jahrzehnt. Aber: Auf Druck der Industrie verweigerte uns die Bundesregierung, Produktzulassungen wie die von Pestiziden mit negativen Folgen für Umwelt und Gesundheit durch Gerichte prüfen zu lassen.
Dagegen haben wir geklagt und mussten diese Frage vom höchsten Europäischen Gericht (EuGH) entscheiden lassen. Endlich am 8. November 2022 gelang uns vor dem Europäischen Gerichtshof der Befreiungsschlag! Seitdem können wir – dort wo der Staat versagt – gegen alle Produktzulassungen mit schädlichen Umweltauswirkungen gerichtlich vorgehen!
Gift mit weitem Wirkkreis
Wir müssen die Regierung wieder wachrütteln! Bereits zum Jahresanfang hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit erhebliche Sicherheitsbedenken in Bezug auf den Wirkstoff S-Metolachlor geäußert, weil er unter anderem das Grundwasser vergiftet. Frankreich geht mit gutem Beispiel voran und will den Wirkstoff vom Markt verbannen. Deutschland hört auf die Industrie. Unglaublich, dass weiter „Roundup Power-Flex" mit dem Wirkstoff Glyphosat ausgebracht werden darf. Dieses Pestizid vernichtet nichtgenmanipulierte Pflanzen und trägt damit erheblich zum Insektensterben bei, es steht zudem im dringenden Verdacht krebserregend zu sein. Wer jetzt denkt, weit ab von den kontaminierten Äckern sei man sicher, täuscht sich. Glyphosat wurde bereits 2016, laut einer repräsentativen Studie der Heinrich Böll- Stiftung, bei 99,6 Prozent der untersuchten Kinder und Erwachsenen im Urin nachgewiesen, bei 75 Prozent der Untersuchten mit mindestens 0,5 Mikrogramm pro Liter. Die Liste der Pestizidwirkstoffe, gegen die wir klagen, ist lang, doch haben sie eines gemeinsam: Sie gefährden Umwelt, Mensch und Tier.
Vor 41 Jahren beobachtete ich bei einer Vogelexkursion eine seltsam singende Singdrossel, die unter Krämpfen zu Boden fiel und binnen Stunden qualvoll starb. Tausende Singvögel und viele hundert Greifvögel und Eulen folgten im Frühjahr 1982 – der schreckliche Todeskampf dauerte jeweils Stunden bis Tage, kein einziges Giftopfer überlebte. Auch in den Vorjahren starben immer wieder Vögel unter Krämpfen, die Behörden gaben sich ahnungslos. Erst ein anonymer Hinweis eines Beamten des Landwirtschaftsministeriums ermöglichte die gezielte Untersuchung auf das im Obstbau angewandte Pestizid Endrin, das wir als Verursacher des Vogelsterbens am Bodensee ausmachen konnten.
Leere Drohungen
Über vier Monate hinweg lief unsere Kampagne zum Verbot dieses von Behörden wie Bauernverbänden als unverzichtbar bezeichnetes Gift. „Der Erwerbsobstbau wird in Deutschland ohne ENDRIN zusammenbrechen" hielten die chemische Industrie und ihre Lobbyisten erfolglos dagegen. Ich konnte Politik und Behörden im Sommer 1982 davon überzeugen, Anwendung und Verkauf von Pestiziden mit dem Wirkstoff Endrin mit sofortiger Wirkung zu verbieten. Wenige Jahre später gelang es uns Umweltverbänden, auch das Insektizid Lindan verbieten zu lassen. Erneut warnten die Pestizid-Konzerne: „Der Ackerbau in Deutschland wird ohne LINDAN zusammenbrechen". Doch nichts dergleichen geschah.
Entwicklung zugunsten der Chemieindustrie
Heute 40 Jahre später hat sich das Kräfteverhältnis zugunsten der Chemie-Industrie gedreht. Obwohl wir heute ungleich mehr über die verheerenden Folgen des giftigen Pestizid-Cocktails, der auf Äcker und Felder niedergeht, verstehen, bestimmen die Gewinninteressen von BASF, Bayer, Monsanto & Co die Entscheidungen von Politik und Behörden. Die Anzahl der zugelassenen Pestizide ist auf über 250 angewachsen, die Menge der versprühten Gifte liegt in Deutschland bei bis zu 35.000 Tonnen pro Jahr. Das jahrzehntelang verfolgte Ziel, Menge und Anzahl der Ackergifte zu halbieren, ist krachend gescheitert. Allein von Glyphosat-Mitteln wurden 2021 über 4.000 (!) Tonnen ausgebracht. Raubtierlobbyisten wie der neue Monsanto-Eigner, die Bayer AG, verdienen mit ihren Giften Milliarden und unsere Umwelt zahlt die Rechnung. Ich selbst erlebe das erschreckende Artensterben derzeit hautnah in meiner Heimat am Bodensee.
Der Befreiungsschlag: Jetzt darf die Justiz ran
Seit mehr als einem Jahrzehnt gelingt es der Industrie, das europaweit geforderte Glyphosat-Verbot in Deutschland zu verhindern. Wenn also die Politik – anders als vor 41 Jahren bei Endrin – nicht mehr die Kraft hat, giftigen Pestiziden die Zulassung zu entziehen, müssen die Gerichte entscheiden. Das ist unser Recht als Umwelt- und Verbraucherschutzverband, seit mehr als einem Jahrzehnt. Aber: Auf Druck der Industrie verweigerte uns die Bundesregierung, Produktzulassungen wie die von Pestiziden mit negativen Folgen für Umwelt und Gesundheit durch Gerichte prüfen zu lassen.
Dagegen haben wir geklagt und mussten diese Frage vom höchsten Europäischen Gericht (EuGH) entscheiden lassen. Endlich am 8. November 2022 gelang uns vor dem Europäischen Gerichtshof der Befreiungsschlag! Seitdem können wir – dort wo der Staat versagt – gegen alle Produktzulassungen mit schädlichen Umweltauswirkungen gerichtlich vorgehen!
Klagen gegen die Riesen
Gleich gegen fünf Pestizide unterschiedlichster Hersteller gehen wir vor und haben Anträge auf Aberkennung der Zulassung beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gestellt. Unsere Forderung: Pestizide wie Gardo Gold, das Glyphosat-Gift Roundup Power-Flex, Elipris, Sherpa Duo und Tactic müssen verboten werden! Wir rechnen mit massivem Widerstand vonseiten der Regierung, sowie von den übermächtigen Unternehmen hinter den wenig bekannten Produktnamen. Unsere Klagen richten sich auch gegen Chemiekonzern-Riesen wie Monsanto oder Syngenta und damit gegen den drittgrößten Industriezweig Deutschlands. Doch das ist nur der erste Schritt! Mit Ihrer Unterstützung können wir vor dem Verwaltungsgericht klagen, um unser Grundwasser und unsere Biodiversität zu retten!Gift mit weitem Wirkkreis
Wir müssen die Regierung wieder wachrütteln! Bereits zum Jahresanfang hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit erhebliche Sicherheitsbedenken in Bezug auf den Wirkstoff S-Metolachlor geäußert, weil er unter anderem das Grundwasser vergiftet. Frankreich geht mit gutem Beispiel voran und will den Wirkstoff vom Markt verbannen. Deutschland hört auf die Industrie. Unglaublich, dass weiter „Roundup Power-Flex" mit dem Wirkstoff Glyphosat ausgebracht werden darf. Dieses Pestizid vernichtet nichtgenmanipulierte Pflanzen und trägt damit erheblich zum Insektensterben bei, es steht zudem im dringenden Verdacht krebserregend zu sein. Wer jetzt denkt, weit ab von den kontaminierten Äckern sei man sicher, täuscht sich. Glyphosat wurde bereits 2016, laut einer repräsentativen Studie der Heinrich Böll- Stiftung, bei 99,6 Prozent der untersuchten Kinder und Erwachsenen im Urin nachgewiesen, bei 75 Prozent der Untersuchten mit mindestens 0,5 Mikrogramm pro Liter. Die Liste der Pestizidwirkstoffe, gegen die wir klagen, ist lang, doch haben sie eines gemeinsam: Sie gefährden Umwelt, Mensch und Tier.
Harte Auseinandersetzungen erwartet
Die Regierung darf nicht länger Umwelt und Gesundheit für die Profite der Chemielobby opfern! Wir gehen derzeit davon aus, dass unsere Anträge beim Bundesamt für Verbraucherschutz zurückgewiesen werden. Darauf sind wir vorbereitet! Damit ist der Weg frei für die ersten fünf Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig. Es wird eine harte Auseinandersetzung mit hohen Kosten und Risiken. Ich setze auf Ihre Hilfe, um endlich die Vergiftung von Mensch und Umwelt zu stoppen!
Unterstützen Sie uns dabei: Spenden gegen den Pestizidwahnsinn.
Jürgen Resch ist seit 1988 Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH). Bereits in den 80er Jahren setzte er sich erfolgreich für das Verbot von Pestiziden wie Endrin und Lindan ein.
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