Die rAIvolution nimmt Tempo auf
Aus dem Tagebuch des aidioten. Christoph Santner berichtet.
Leute, aufwachen! Ich wundere mich immer wieder, wie harmlos sogar sogenannte Experten die KI darstellen. Als wären das nur ein paar nette Apps. In Wirklichkeit rasen wir in eine völlig neue Epoche der Menschheitsgeschichte hinein. Mindestens so, wie man damals aus dem dunklen Mittelalter plötzlich in die Renaissance hineinstolperte, mit einem neuen Menschbild, neuer Wirtschaft, neuer Wissenschaft, neuer Kunst. Nur geht das heute in einem mega-rasanten Tempo vor sich.
Weil ja KI das omnipräsente Thema unserer Tage ist, war ich bass erstaunt, dass die Domain rAIvolution.com wirklich noch frei war. Sofort kaufte ich sie. Und auch das Buch, an dem ich jetzt schreibe, wird den Titel rAIvolution tragen. Es ist ein spannendes Projekt, in das ich alles einbringe, was ich über Jahrzehnte zu KI gelernt habe. Und auch formal wird dieses Buch etwas anders, etwa mit QR-Codes am Ende der Kapitel, die dann zu Videos, Podcasts, Hintergrundinformationen und zu KI-generierten Bildern führen.
Jedes Buch wird auch mit einem Code versehen werden, den man online benutzen kann, um in einer eigens dafür entwickelten Künstlichen Intelligenz spezifische Fragen zu stellen. Diese API (Application Programming Interface) zu einer der bestehenden großen KI‘s entwickle ich gerade mit meinem Web-Developer. Soll heißen: Man kann sich ab heute relativ einfach in seinem Spezialgebiet eine eigene KI bauen. Eine Message an mich genügt, falls jemand mehr dazu wissen will.
Dass wir in den 20er Jahren dieses Jahrtausends in die große KI-Epoche hineinstolpern werden, das war mir bereits ab 1990 und 1991 bewusst. Wirklich. Denn damals interviewte ich auf dem richtungsweisenden Zukunftsfestival ARS ELECTRONICA, das seit 1979 bis heute stattfindet, Pioniere der KI und Robotik. Hans Moravec, Jean Baudrillard, Marvin Minsky, Stelarc und andere.
Der Homo Roboticus
Als ich mir das Interview mit Hans Moravec nun wieder ansah, bekam ich Gänsehaut. Das Thema der Ars-Electronica-Konferenz damals hieß „Out of Control". Denn bereits vor gut 30 Jahren war diesen ExpertInnen klar, dass uns die KI-Entwicklung entgleiten wird, ja uns Menschen überholen wird. Und Moravec, der an der Carnegie Mellon University forschte und lehrte, sagte bereits in den1980ern exakt Jahrzehnt um Jahrzehnt voraus, was in KI und Robotik geschehen wird. Warum war dieser Vordenker, der damals Bücher wie „Computer übernehmen die Macht" geschrieben hatte, so exakt in seinen Prognosen? Er wusste genau, wie lange es noch bis zum „Homo Roboticus" dauern würde. Weil er rechnen konnte. Weil er wusste, wie viele Rechenoperationen pro Sekunde unser Gehirn ausführt, nur um via Netzhaut die Welt wahrzunehmen. Und wie viele Rechenoperationen für menschliches Denken erforderlich sind.
Er musste dafür „nur" Moore’s Law hochrechnen. Dieses vom INTEL-Mitgründer Gordon Moore formulierte Gesetz gilt seit dem Jahr 1900, als es erste Rechenmaschinen gab. Es besagt, dass sich die Power der Computer etwa alle 1,5 Jahre verdoppelt. Dies wurde zum Mantra der Chip-Hersteller, zur Self-fulfilling-Prophecy, die nun seit rund 120 Jahren gilt. Diese Verdoppelung bedeutet natürlich einen krassen, exponentiellen Anstieg, der künftig nur noch mit neuen Quanten-Computern erreicht werden wird.
Superpower KI
Moravec rechnete präzise. Und er sagte voraus, in welchem Jahrzehnt KI und Robotik die Komplexität eines Insekts erreichen, dann die einer Maus, und schließlich diejenige des Menschen. Genau dieser Punkt wird jetzt erreicht. Und Moravec prophezeit auch, dass in unserem Jahrzehnt Roboter massiv in den Alltag treten werden. Er sprach bereits vor 30 Jahren von unseren „Roboterkindern", die jetzt in die Welt kommen, und die wir richtig gerne haben werden: „Wir werden sie als Kinder annehmen, die wir mit unserem menschlichen Geist gebaut haben. Wir werden ja nicht alle die negativen menschlichen Eigenschaften, die wir seit der Steinzeit entwickelt haben, in diese Maschinen einprogrammieren, oder?" Wenn man etwa einen Blick auf die Entwicklungsstufe der Industrie-Roboter wirft, die Tesla bereits heute baut, weiß man, wovon Moravec damals gesprochen hat.
Roboter zu programmieren und für konkrete Aufgaben arbeiten zu lassen, ist so einfach geworden wie nie zuvor. Tesla macht es möglich. Der Tesla-Bot wiegt gut 70 kg, geht fast wie ein Mensch und arbeitet bis er den Akku wieder aufladen muss:
AI for Good
Wer humanoide Roboter erleben will, die es bereits heute gibt, ist herzlich eingeladen, anfangs Juli die UNO-Konferenz „AI for Good" in Genf zu besuchen. Mehr als ein Dutzend humanoide Roboter werden dort vor Ort sein, mit denen man reden kann, von denen man sich therapieren lassen kann, oder die eigenständige Kunst machen. Auch via Video ist eine Zuschaltung möglich. Es geht hier also um „Robotics for Good".
Die radikale KI-Zukunft hat also schon begonnen. Allzu viele bekommen das aber nicht mit. Leider auch die meisten Unternehmen hier in Europa nicht in der gebotenen Tragweite. Bereits mehrere Firmen, mit denen ich detailliert über KI sprach, betonten zwar, wie wichtig das Thema sei. Aber man müsse da sehr fundiert darüber nachdenken, wie man sich verhalte. Da könne man nicht so schnell Entscheidungen treffen. Das mag schon sein. Aber wer jetzt nicht entscheidet und agiert, über den wird entschieden. Die Bildzeitung machte ja gerade den Anfang und kündigte mehr als 200 MitarbeiterInnen. Die Begründung: KI.
Nur 3 Arten von Unternehmen
Meine klare Prognose, auch wenn sie schonungslos sein mag - aber wishful thinking bringt uns ja nicht weiter. In 10 Jahren wird es nur noch drei Arten von Firmen geben wird: Solche, die frühzeitig KI integrieren; solche, die es dann nicht mehr gibt; und Start-ups, die jetzt entstehen. Denn zur Zeit blühen abertausende junge Unternehmen auf, die neue Apps, Plug-Ins, APIs und Intelligenzen entwickeln.
Nur ein Beispiel: In Zürich traf ich die drei Gründer des norwegischen Start-ups EVA Nordic. Sie arbeiten daran, Nachhaltigkeit für’s Einkaufen transparent zu machen. Sie hatten den ersten Preis für das beste internationale Start-up von YES gewonnen. Diesen Wettbewerb hatte die junge CEO Johanna Aebi mit ihrem Team vorbildlich organisiert. Die jungen Norweger, die noch zur Schule gehen, hatten zwar schon eine App programmiert und ihre eigene Website gebaut, aber noch keine Artificial Intelligence integriert. Sie fragten, ob ich sie darin begleiten könne. Gerne, sagte ich, wenn sie es ernst meinen. Die Antwort kam prompt per Email: „Natürlich meinen wir es ernst. Wir sind geborene Entrepreneure. Wir lieben was wir tun. Und ja, wir checken ein bei dieser aufregenden AI-Reise. Unsere Antwort ist klar: ALL IN with AI!"
Bin schon gespannt, wo diese Reise hinführen wird. Wenigstens haben diese jungen Norweger begriffen, was die Zukunft bringt. Damit sich eine meiner Befürchtungen hoffentlich nicht bewahrheitet: Dass wieder einmal die Amerikaner alle Profite machen, während wir Europäer uns all‘ die Sorgen machen. Jetzt hängt es von jedem einzelnen ab, ob er und sie von der KI disruptiert wird, oder ob er & sie mit KI unsere Welt disruptieren. Zum Guten. Welcome to the rAIvolution!
Erdbeben KI?
Nochmals zurück ins Jahr 1991, zur Konferenz „Out of Control". Damals sagte mir der französische Philosoph und Medientheoretiker Jean Baudrillard: „KI wird ein Erdbeben sein", und er setzte fort: „Es wird uns zwar der Himmel nicht auf den Kopf fallen. Aber vielen wird der Boden unter den Füßen wegrutschen". Wer das verhindern will und Boden wieder gut machen möchte, ist herzlich eingeladen zu meiner ainitiative to aimprove our future. Denn KI kann wirklich die Superpower sein, die uns beim Lösen unsere aktuellen Herausforderungen hilft, gerade auch zur Erreichung der 17 UNO Nachhaltigkeitsziele, der SDGs. „AI for Good" ist das Gebot der Stunde. Dies ist ein klarer Call to Action. Hörst Du ihn? Und: Are you brave enough?
Christoph Santner ist langjähriger Autor, Redner und Consultant zu Innovationsthemen. Seit 2009 schreibt er auch für forum Nachhaltig Wirtschaften und wird weiterhin über aktuelle KI-Entwicklungen berichten. In der aktuellen Ausgabe auch in der Cover-Story.
Kontakt: Christoph Santner | c.santner@forum-csr.net | ainitiative.net/
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