EU-Länder sind beim Übergang zur Kreislaufwirtschaft im Rückstand

Das Ziel der EU, den Anteil an recycelten Materialien bis 2030 zu verdoppeln, erscheint nur schwer erreichbar

Es gibt bisher nur wenige Anzeichen für einen Übergang der EU zur Kreislaufwirtschaft. Das geht aus einem heute veröffentlichten Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs hervor. Die Maßnahmen der EU und Milliarden von Euro haben die Umstellung in den EU-Ländern nur wenig vorangebracht, besonders was die kreislauforientierte Gestaltung von Produkten und Herstellungsverfahren betrifft. Vor diesem Hintergrund erscheint die Erreichung des EU-Ziels, in diesem Jahrzehnt doppelt so viele Materialien zu recyceln wie in den zehn Jahren zuvor, als ein Ding der Unmöglichkeit, so die Prüfer.

© Nicolas Meletiou, pixabay.com
Die EU habe bei der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft insgesamt nur sehr wenige Fortschritte gemacht. Zwischen 2015 und 2021 sei der Anteil kreislauforientiert verwendeter Materialien ("Zirkularitätsrate") in allen 27 EU-Ländern nur um durchschnittlich 0,4 Prozentpunkte gestiegen. In sieben Ländern – Litauen, Schweden, Rumänien, Dänemark, Luxemburg, Finnland und Polen – sei der Anteil während dieser Zeit sogar zurückgegangen. Daher kommen die Prüfer zu dem Schluss, dass das Ziel der EU, den Anteil der recycelten und der Wirtschaft wieder zugeführten Materialien bis 2030 zu verdoppeln, nur schwer zu erreichen scheint.

"Materialien zu erhalten und möglichst wenig Abfall zu erzeugen, ist unerlässlich, wenn die EU ressourceneffizient werden und die Umweltziele ihres Grünen Deals erreichen will,” so Annemie Turtelboom, Mitglied des Rechnungshofs. "Doch hat die EU-Politik bisher ihr Ziel verfehlt, da der Übergang zur Kreislaufwirtschaft in den europäischen Ländern leider kaum noch vorankommt."

In einer Kreislaufwirtschaft wird der Wert von Produkten, Materialien und Ressourcen möglichst lange erhalten, um so wenig Müll wie möglich zu verursachen. Mit zwei Aktionsplänen der Europäischen Kommission sollte die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft vorangebracht werden. Der erste Plan von 2015 enthielt 54 konkrete Maßnahmen. Mit dem zweiten Plan aus dem Jahr 2020 kamen 35 neue Maßnahmen hinzu, und es wurde das Ziel festgelegt, die Zirkularitätsrate – den Anteil der recycelten und wieder in die EU-Wirtschaft zurückgeführten Materialien – bis 2030 zu verdoppeln. Die beiden Pläne waren nicht verbindlich, sollten den Mitgliedsstaaten aber in den letzten Jahren dabei helfen, verstärkt Maßnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft zu ergreifen. Im Juni 2022 verfügten fast alle EU-Länder über eine nationale Strategie für die Kreislaufwirtschaft bzw. waren dabei, eine solche Strategie zu entwickeln.

Die EU habe zwar erhebliche Summen bereitgestellt, indem zwischen 2016 und 2020 mehr als 10 Milliarden Euro speziell für ökologische Innovationen und die Unterstützung der Unternehmen beim Umstieg auf die Kreislaufwirtschaft vorgesehen wurden. Die Mitgliedstaaten hätten jedoch den Großteil dieses Geldes für die Abfallbewirtschaftung ausgegeben, anstatt in kreislauforientiertes Design zu investieren und so die Entstehung von Müll zu vermeiden, was wahrscheinlich mehr bewirkt hätte.

Die Aktionspläne der EU hätten ferner eine Reihe von Maßnahmen enthalten, mit denen Innovationen und Investitionen ermöglicht werden sollten. Die Prüfer fanden jedoch nur wenige Nachweise dafür, dass diese Maßnahmen wirksam zu einer Kreislaufwirtschaft beigetragen haben. Sie hätten allenfalls in geringfügigem Umfang dazu geführt, dass Unternehmen sicherere Produkte herstellen oder Zugang zu innovativen Technologien bekommen, um ihre Herstellungsverfahren nachhaltiger zu gestalten. Die Prüfer heben auch das Problem des geplanten Verschleißes hervor – die Praxis, die Nutzungsdauer eines Produkts künstlich zu begrenzen, damit es ersetzt werden muss. Die Kommission sei zu dem Schluss gekommen, dass es nicht möglich sei, geplanten Verschleiß aufzudecken, auch wenn die Nachhaltigkeit von Produkten eindeutig verbessert würde, wenn sich diese Praxis unterbinden ließe.
 
Hintergrundinformationen
Das Konzept der Kreislaufwirtschaft bringt im Hinblick auf die Nachhaltigkeit viele Vorteile mit sich. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet dies, dass die Produkte länger halten und/oder leichter repariert, aufgerüstet, wiederaufgearbeitet, wiederverwendet oder recycelt werden können. Unternehmen eröffnet die Kreislaufwirtschaft verschiedene Möglichkeiten, u. a. eine Steigerung der Ressourceneffizienz und eine größere Widerstandsfähigkeit gegenüber Preisschwankungen. Die Umweltauswirkungen eines Produkts werden zu etwa 80 % durch seine Gestaltung bestimmt.
 
Der Sonderbericht 17/2023 "Kreislaufwirtschaft: Langsame Umsetzung in den Mitgliedstaaten trotz EU-Maßnahmen" ist auf der Website des Europäischen Rechnungshofs abrufbar. Darüber hinaus stützten sich die Prüfer auf die Ergebnisse ihres Sonderberichts von 2020 über Ökodesign und Energiekennzeichnung, ihres Berichts von 2022 über Synergien zwischen Horizont 2020 und den Fonds der Kohäsionspolitik und ihrer Analyse aus dem Jahr 2023 über EU-Maßnahmen für den Umgang mit gefährlichen Abfällen.

Kontakt: Europäischer Rechnungshof, Vincent Bourgeais | vincent.bourgeais@eca.europa.eu | eca.europa.eu


Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 30.06.2023

     
        
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