Warum staatliche Währungen privaten Kryptowährungen überlegen sind

Der aktuelle Kommentar von Max Danzmann

Viele Anhänger von privaten Kryptowährungen wie Bitcoin gehen davon aus, dass staatliche Währungen bald von privaten Kryptowährungen als (Haupt-)Zahlungsmittel abgelöst werden. Deshalb sollen im Folgenden beide Geldarten miteinander verglichen und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile analysiert werden. Auf Grundlage einer solchen Analyse lässt sich zeigen, dass staatliche Währungen privaten Kryptowährungen langfristig überlegen sind.

Disziplinierende Privatgeldkonkurrenz
Durch Kryptowährungen verlieren Zentralbanken wichtige Steuerungsinstrumente, sagt Max Danzmann. © Hans, pixabay.comVon privaten Kryptowährungen (beziehungsweise blockchainbasierten Privatwährungen, privaten Digitalwährungen oder digitalem Privatgeld) versprechen sich viele, die wie Hayek davon ausgehen, dass Staaten ihr Hoheitsrecht über ihre Währung regelmäßig missbrauchen, eine Lösung der geldpolitischen Probleme schlechthin, wobei sie folgende Begründungen anführen: (a) Die Zentralbanken könnten in einer reinen Privatgeldordnung Zinsen nicht mehr manipulieren, (b) die Banken würden zu bloßen Kapitalsammelstellen ohne die Möglichkeit zur Giralgeldschöpfung und (c) die Staatsausgaben könnten nicht mehr durch die Emission neuer Währung finanziert werden. Eine Hyperinflation wäre dadurch ausgeschlossen und (d) auch Reservewährungen würden bestimmten Staaten keine Macht mehr über andere Volkswirtschaften vermitteln. Insgesamt würde sich der Geldmarkt auf der Grundlage von Privatwährungen selbst regulieren.

Nicht nur im Falle der Abschaffung von staatlichen Währungen, sondern auch bei einer parallelen Geldordnung, in der Privatwährungen unbeschränkt neben beziehungsweise parallel zu den staatlichen Währungen eingesetzt werden könnten, gehen die Anhänger von Kryptowährungen davon aus, dass allein die Privatgeldkonkurrenz für die Disziplinierung der staatlichen Geldpolitik sorgen würde, denn die Wirtschaftsakteure hätten jederzeit die Möglichkeit, anstatt der staatlichen Währung auf eine Privatwährung ihrer Wahl auszuweichen.

Grundsätzlich sind vielseitige Ausgestaltungsformen von blockchainbasierten Privatwährungen denkbar, wie zum Beispiel (a) eine Emission der Privatwährung gegen Einlagen von staatlichen Währungen, (b) eine Emission als Kreditgeld oder (c) als „Verbriefung" eines sonstigen Leistungsversprechens vergleichbar mit einem Bestellgutschein.

Viele Kryptowährungen sind wie heutige staatliche Währungen als Fiatgeld ausgestaltet, also ohne dass die Währung durch einen inneren Wert wie ein Leistungsversprechen gedeckt ist. Ihr Wert beruht vor allem auf dem Vertrauen der Netzwerkteilnehmer in eine stete Nachfrage nach der Währung. Manche Digitalwährungen „verbriefen" aber auch Leistungsversprechen oder andere Rechte. Der Inhaber aber kann aus seiner Inhaberschaft an dem Token Rechte gegen die eigentlichen Gesellschafter des Emittenten in der Regel nur dann herleiten, wenn zwischen dem emittierenden Unternehmen und dem Zeichner zusätzlich vereinbart wird, dass der Token eine Forderung des Inhabers gegen den Emittenten auf eine bestimmte Leistung darstellt. Ist das nicht der Fall, wird von dem Inhaber kein Recht erworben und die Geldzahlung stellt eine bloße Schenkung beziehungsweise Spende dar. Die Zeichner der ICO-Token spekulieren jedoch trotzdem wegen eines möglichen weitverbreiteten Einsatzes der Token als Privatwährung und dadurch einer hohen Nachfrage nach den Token auf Wertsteigerungen.

Vorteile nur durch private Konkurrenz?
Neben den eingangs für private Digitalwährungen als Vorteil angeführten Punkten liegen die meisten Vorteile von blockchainbasierten Privatwährungen in ihren technischen Funktionsweisen begründet. Ob und in welchem Maße ein bestimmter Vorteil bei einer konkreten Blockchain-Währung zur Geltung kommt, hängt von ihrer individuellen Ausgestaltung ab. Beispielsweise gibt es Währungen, deren maximales Volumen ex ante feststeht. Dies gilt als Hauptvorteil von Blockchain-Währungen, weil sie dem Emittenten keine Fehlanreize zu Seignioragegewinnen setzen, wobei es aber auch welche gibt, bei denen neues Geld unter bestimmten Voraussetzungen auch noch nach der Erstemission emittiert werden kann.

Angesichts dieser Vorteile von Kryptowährungen gilt es einschränkend folgende Punkte zu bedenken: In der aktuellen staatlich kontrollierten Geldordnung gibt es faktische und rechtliche Schranken für Geldmengenerweiterungen zum Schutz der Geldwertstabilität. Zudem befindet sich die heimische staatliche Währung immer auch in Konkurrenz mit anderen staatlichen Währungen. Wird der Geldwert nicht stabil gehalten, droht die faktische Ablösung als Zahlungsmittel durch Fremdwährungen mit entsprechenden Folgen für den Außenwert.

Außerdem sei kritisch angemerkt, dass die Preisfindung von Wirtschaftsgütern aktuell auch nicht dadurch staatlich gesteuert wird, dass der Staat das Geldmonopol innehat und die Preise mit seiner Zinspolitik beeinflussen kann. Es handelt sich mithin nicht um eine zentrale Steuerung von (Einzel-)Preisen. Es wird vielmehr nur der Rahmen für das Gesamtpreisniveau gesetzt, in dem die Einzelpreise gebildet werden sollen. Mit der Giralgeldschöpfung wird ein Teil des Geldmarktes sogar hauptsächlich privaten Banken überlassen. Zudem emittieren auch private Unternehmen mit Commercial Papers hochliquide Instrumente, die zum Teil Geldfunktionen erfüllen.

Überdies bestehen durchaus auch im Rahmen von staatlichen Währungen technische Möglichkeiten für sofortige Zahlungsabwicklungen (insbesondere zur Ermöglichung eines Zug-um-ZugLeistungsaustausches).

Anhand der hier angeführten Beispiele lässt sich aufzeigen, dass die vorteilhaften Eigenschaften von Blockchain-basiertem Geld nicht zwingend auf private Kryptowährungen beschränkt sein müssen. Jedoch ist zu bedenken, dass Volkswirtschaften, die über kein (funktionierendes) staatliches Währungssystem mit moderner Zahlungsabwicklung verfügen, insbesondere weil die Zentralbank weder das inländische Preisniveau noch den Außenwert der Währung stabil halten kann, auf die Vorteile beziehungsweise die Funktionalität von Kryptowährungen besonders angewiesen sind.

Defizite einer reinen multipolaren Privatgeldwirtschaft
In einer Wirtschaftsordnung mit einer multipolaren Privatgeldwirtschaft ohne gesetzlich definiertes Zahlungsmittel, in der zahlreiche Privatwährungen miteinander konkurrieren, würde die Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit von Preisen – als eine der Grundvoraussetzungen einer modernen arbeitsteiligen Volkswirtschaft – verlorengehen.

Beispielsweise wäre ein Einkauf im Supermarkt in einer reinen polypolen Privatgeldwirtschaft mit Preisschildern in mehreren Privatwährungen verbunden. Da Kunden in den ausgeschilderten Privatwährungen bezahlen können, müssten die Wechselkurse unter diesen Währungen ständig aktualisiert werden. Erheblich erschwert würde einem der Einkauf, wenn die von einem selbst bevorzugte Privatwährung (gerade) nicht zur Zahlung angenommen wird. Ein Verbraucher müsste unter Inkaufnahme hoher Transaktionskosten ständig mehrere Privatwährungen zur Zahlung bereithalten. Aufgrund der möglicherweise erheblichen Wechselkursschwankungen müsste sich der Verbraucher permanent über den Wert, der von ihm gehaltenen und im Supermarkt angenommenen Privatwährungen, informiert halten. Das würde die Mehrheit der Verbraucher wohl überfordern und erscheint nicht praktikabel, gerade wenn man bedenkt, dass mittlerweile über eintausend Kryptowährungen existieren.

Außerdem ist bei einer reinen Privatgeldwirtschaft zu bedenken, dass eine private Kryptowährung im Falle hoher Volatilität – insbesondere infolge von spekulativem Verhalten der Nutzer – seine Zahlungsmittelfunktion verlieren könnte. Es wäre irrational für einen Verkäufer, eine Kryptowährung als Zahlung anzunehmen, wenn deren Kurs voraussichtlich fällt. Ebenso würde ein Käufer eine Kryptowährung nicht zur Zahlung einsetzen, wenn er mit (erheblichen) Kurssteigerungen rechnet. Aktuell schwanken die Werte von Kryptowährungen häufig um zehn Prozent und mehr pro Tag, was wohl zu hoch ist für deren Einsatz als alltägliches Zahlungsmittel. Zumal dem Emittenten der Kryptowährung in aller Regel die Mittel von Zentralbanken (wie Fremdwährungsreserven) fehlen, um den Kurs der eigenen Privatwährung im Falle eines Kursverlustes zu stützen.

Ein weiterer Nachteil von privaten Kryptowährungen ist, dass mit ihnen eine Inflationssteuerung unmöglich ist. Es gibt in einer reinen Privatgeldordnung keine zentrale Instanz, die das allgemeine Preisniveau verantwortet und steuert. Bei vielen ist die Geldmenge ex ante definiert beziehungsweise algorithmisch begrenzt, weshalb auf Veränderungen des allgemeinen Preisniveaus nicht mit einer Geldmengenausweitung reagiert werden kann. Dadurch können erheblichen Deflationsgefahren verursacht werden, wenn die Nachfrage beziehungsweise die Nutzung der jeweiligen Kryptowährung stark steigt.

Erschwerend kommt bei einer reinen Privatgeldordnung noch die faktische Verringerung der nutzbaren Geldmenge durch den Verlust von Schlüsseln für die digitalen Wallets, in denen das Privatgeld digital gespeichert wird, hinzu (weshalb die nutzbare Geldmenge kontinuierlich schrumpft). Auch können die Zinssätze von einem Geldemittenten nicht wie im aktuellen Geldsystem (von der Zentralbank) zur Steuerung der Geldnachfrage verändert werden, weil (die meisten) Kryptowährungen nicht kreditär geschaffen werden, sondern nachfrageunabhängig beziehungsweise in Abhängigkeit von anderen Parametern (zum Beispiel eingesetzter Rechnerleistung) entstehen. Es kann ohne entsprechende Anreize und ohne rechtliche Verpflichtung auch keine Verantwortung eines (gewinnmaximierenden) Privaten für das Allgemeingut Preisniveaustabilität erwartet werden.

In einer multipolaren Privatgeldordnung würden zudem nicht nur die Inflationssteuerung, sondern auch die Inflationsmessung Einschränkungen unterliegen, da der maßgebliche Warenkorb möglicherweise aus Produkten besteht, die (gerade) nicht in einer bestimmten Währung gehandelt werden. Zudem ist unklar, in welcher Privatwährung die Inflation überhaupt gemessen werden sollte. In einer Privatwährung gemessen kann die Inflationsrate wegen der geringen Nachfrage nach der Währung hoch und in einer anderen Privatwährung gleichzeitig niedrig sein.

Außerdem würde die Bilanzierung von Unternehmen in einer multipolaren Privatgeldwirtschaft erheblich erschwert: Unternehmen müssten sich wahrscheinlich bei der Bilanzierung für eine Privatwährung entscheiden. Einnahmen und Ausgaben in verschiedenen Kryptowährungen müssten unter Inkaufnahme von möglicherweise erheblichen Wechselkursschwankungen miteinander verrechnet werden. Diese Schwankungen wären womöglich stärker als von relativ stabilen staatlichen Währungen, deren Umtausch bereits heute von global operierenden Konzernen mit erheblichem Einfluss auf das Betriebsergebnis verrechnet werden muss.

Bei einer Umstellung der Bilanzierung auf digitale Privatwährungen wären zudem die Marktwerte von Vermögenswerten und dadurch auch die bilanziellen Eigenkapitalpositionen (sowie schließlich sogar die Prüfungen von Insolvenzen von Unternehmen der Entwicklung) von stark schwankenden Kursen von Privatwährungen unterworfen. Zu Problemen könnte es auch bei der Prüfung von Insolvenzgründen kommen, wenn zum Beispiel das Eigenkapital eines Unternehmens und seine Verschuldung in unterschiedlichen Privatwährungen denominiert wären, oder bei der Beurteilung der Liquiditätslage, wenn das Unternehmen über zahlreiche Privatwährungen verfügen würde, aber über eine bestimmte Privatwährung, in der es eine konkrete Schuld zu erfüllen hätte, dagegen nicht und wenn die Möglichkeit fehlen würde, sich diese zu besorgen.

Zur Vermeidung solcher Probleme von Privatwährungen könnten – zumindest theoretisch – eine oder mehrere Privatwährungen vom Gesetzgeber zum gesetzlichen Zahlungsmittel erkoren werden. Ein Staat, der sich dazu entschließt, keine eigene Währung mehr zu emittieren, müsste, solange er seine Verantwortung für eine Geldinfrastruktur durch Privatwährungsnetzwerke – wie auch immer – erfüllen will, alle seine Zahlungen auf Privatwährungen umstellen. Der Fiskus müsste fortan seine Beamten und alle sonstigen Verbindlichkeiten in einer oder in mehreren Privatwährungen zahlen. Dabei ist zu vermuten, dass diejenige Privatwährung, die der Fiskus für diese Zwecke wählt, de facto zum gesetzlichen Zahlungsmittel aufgewertet würde, weil der Staat seinen Bedarf in dieser Privatwährung decken muss und durch die Wahl der konkreten Währung signalisiert, dass diese Privatwährung seinen Zwecken genügt.

Die betreffende Privatwährung würde auch von der steten staatlichen Nachfrage nach dieser Privatwährung profitieren. Letztlich hätte der Staat dieser von ihm ausgewählten Privatwährung ein Privileg gegenüber den anderen Privatwährungen verschafft, das diese Privatwährung zu einer quasi staatlichen Währung macht, ohne dass damit bestimmte Pflichten wie die Gemeinwohlorientierung einhergehen würden, denen eine staatliche Währung in Rechtsstaaten unterworfen ist.

In einer reinen Privatgeldordnung stellt sich zudem die Frage, wer die technischen Infrastrukturfunktionen einer Zentralbank übernimmt? Die Unterhaltung der Infrastruktur für Bargeld ist so teuer, dass es unwahrscheinlich erscheint, dass ein Privatgeldanbieter Bargeld emittieren, in den Verkehr bringen lässt und auch dauerhaft die Aufgaben beziehungsweise Kosten zur Aufrechterhaltung des Bargeldsystems übernimmt. Ein solcher Anbieter müsste entweder selbst Geldautomaten aufstellen und Einzahlstellen anbieten oder mit Geschäftsbanken Vereinbarungen treffen, dass diese das für ihn übernehmen.

Auch die Schaffung und Wartung eines sicheren und verlässlichen Zahlungssystems – wie das TARGET2-System – erfordert hohe Anfangsinvestitionen, die wohl nur gegen hohe von den Wirtschaftsakteuren zu tragende Transaktionsgebühren wirtschaftlich wären. Zudem stellt sich die Frage, ob eine solch kritische Infrastruktur (vollständig) in die Hand von Privaten gelegt werden sollte; denn der Staat trägt für Zahlungssysteme und auch Bargeld (möglicherweise) eine verfassungsrechtlich verankerte Infrastrukturverantwortung, um die freie Persönlichkeitsentfaltung seiner Bürger zu gewährleisten. Ein Nebeneinander von mehreren solchen Zahlungssystemen erscheint zudem auch kaum wirtschaftlich und praktikabel zu sein.

Ohne Zentralbanken gäbe es keine Institution, die gleichzeitig – grundsätzlich unbegrenzt – Geld schöpfen kann und trotzdem nicht insolvent werden kann. Auch wenn ohne Kreditgeld Bailouts (von Banken) möglicherweise seltener erforderlich sind, erscheint es auch in einer reinen Privatgeldordnung als wahrscheinlich, dass ein Staat aus politischen Gründen mittels seiner Zentralbankbilanzen gelegentlich wichtige Banken und andere Unternehmen vor der Insolvenz oder andere staatliche Institutionen vor Verlusten schützen will. In einer reinen Privatgeldordnung wären ihm die Mittel dafür genommen.

Des Weiteren stellt sich die Frage, ob der Vorteil von Blockchain-Anwendungen der Unveränderbarkeit von Transaktionen sich nicht auch langfristig als ein Nachteil herausstellen könnte. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass sich viele technische Standards alle paar Jahre durch technische Neuerungen (grundlegend) ändern. Falls sich die Blockchain-Technik einer Kryptowährung nicht hinreichend und dauerhaft an die Voraussetzungen der technischen Umgebungen der Zukunft anpassen beziehungsweise importieren lassen, wäre die Wertaufbewahrungsfunktion einer solchen dann technisch veralteten Kryptowährung möglicherweise vollkommen aufgehoben.

Schließlich muss als weiterer Nachteil von vielen Kryptowährungen erwähnt werden, dass die Anonymität der Nutzer von der Unterwelt zur Abwicklung illegaler Geschäfte, zur Geldwäsche oder von sanktionierten Staaten zur Umgehung der Sanktionen genutzt werden könnte, ohne dass der Staat das digitale Privatgeld in vergleichbarer Weise wie bei einem Bankkonto beschlagnahmen oder die Identität von Tätern überhaupt aufdecken könnte. Deshalb sollte zur Straftatvermeidung und -aufklärung von Privatgeldemittenten und deren Nutzern zumindest verlangt werden, dass sie wie bei einer Kontoeröffnung die Identität der Nutzer preisgeben und dass diese Daten vom Systembetreiber gespeichert und ggf. den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden. Aktuell beruht die starke Nachfrage nach Kryptowährungen zu einem nicht unwesentlichen Teil auf Nutzern, die ihre Zahlungen anonym ohne Steuerlasten und ohne Beachtung von Sanktionen oder sonstigen Rechtsvorschriften abwickeln wollen.

Missbrauchsgefahren durch ein Privatgeldoligopol
Aufgrund der dargestellten Nachteile einer polypolen Privatgeldordnung erscheint es wahrscheinlicher, dass sich – wenn überhaupt – wenige Privatwährungen bei den Nutzern durchsetzen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Privatgeldanbieter auch kostenintensive Infrastrukturfunktionen der Zentralbank wie eine Bargeldversorgung übernehmen würden. Ein dadurch möglicherweise entstehendes Privatgeldoligopol birgt erhebliche Missbrauchsgefahren durch die die jeweiligen Kryptowährungen kontrollierenden Netzwerke. Das gilt vor allem, wenn ein Akteur das Netzwerk quasi allein kontrolliert (wie ein zur Abwicklung von Zahlungen eingesetzter zentraler Agent oder der Emittent der jeweiligen Privatwährung).

Abhängig von der Ausgestaltung der blockchainbasierten Privatwährung könnten beim Emittenten durch die Schaffung des Privatgelds große Seignioragegewinne anfallen. Diese Seigniorage wäre besonders groß, wenn das Privatgeld aus dem Nichts geschöpft wird, d.h. durch keine anderen Vermögenswerte gedeckt ist beziehungsweise keinen Leistungsanspruch verkörpert. Sollte die Geldmenge technisch nicht ex ante begrenzt sein, besteht die Gefahr, dass der Emittent eher seine Seigniorageinteressen maximiert, als dass er für die Wertstabilität seiner Währung sorgt.

Eine Maximierung von Seigniorageinteressen ist vor allem dann wahrscheinlich, wenn (a) wie bei vielen ICO die Seigniorage sofort an den Emittenten ausgezahlt wird und der Emittent keinen Anreiz für eine langfristige Investition beziehungsweise kein langfristiges Interesse an seinem Blockchainnetzwerk hat, wenn (b) die betreffende Währung bereits eine marktbeherrschende Stellung erobert hat, von der sich die Nutzer trotz übermäßiger Geldmengenerweiterung nicht lösen können und wenn (c) die giralgeldschöpfenden Banken in einem zweigliedrigen Privatkreditgeldsystem ohne Zentralbank nicht mehr durch Mindestreservepflichten an die Geldpolitik der Zentralbank rückgebunden würden und dadurch diskretionär Kredite vergeben beziehungsweise Geld schöpfen könnten, ohne auf Einlagen angewiesen zu sein. Mangels politischer Verantwortung oder rechtlicher Verpflichtung erscheint das Glaubwürdigkeitsproblem, dass der Anbieter seine Macht nicht zur Maximierung seiner Seignioragegewinne missbrauchen könnte, noch größer zu sein, als es Hayek bei staatlichen Währungen kritisiert hat.

Zwar ist es auch denkbar, dass der Privatanbieter der Blockchainwährung seine Seigniorage an seine Nutzer (zum Beispiel über die Finanzierung einer Zahlungsverkehrinfrastruktur zur Reduzierung von Transaktionskosten) weitergibt, um sein Geldsystem auszubauen. Jedoch stellt sich trotzdem die Frage, ob die Seigniorage (zumindest der über die Infrastrukturkosten hinausgehende Teil) nicht der Allgemeinheit gebührt?

Überdies ergeben sich Missbrauchsgefahren dadurch, dass der private Betreiber (beziehungsweise bestimmte Netzwerkteilnehmer eines Kryptowährungsystems) über zahlreiche wertvolle Zahlungsverkehrsdaten der Privatwährungsnutzer verfügt. Zwar haben die Banken auch heute schon Zugriff auf solche Daten, aber der Zahlungsverkehr wird zumindest in Deutschland von vielen Banken abgewickelt und nicht – wie in einer reinen Privatgeldordnung zu erwarten – von einem oder wenigen Anbietern. Außerdem muss sichergestellt sein, dass personenbezogene Zahlungsdaten – ebenso wie das Privatgeld selbst – dem Zugriff von Hackern entzogen sind. Das gilt umso mehr, da Blockchaineintragungen grundsätzlich nicht reversibel sind und daher eine Restitution von fehlerhaften oder gehackten Zahlungen technisch grundsätzlich nicht möglich ist.

Die Notwendigkeit einer staatlichen Währung
Nicht nur wegen der Missbrauchsgefahren durch die in einer reinen Privatgeldordnung wahrscheinlich entstehenden Privilegien von einzelnen Akteuren, sondern gerade auch wegen der angeführten funktionellen Defizite von Kryptowährungen, die die Voraussetzungen zur Erfüllung der Geldfunktionen wohl dauerhaft nicht selbst erfüllen können, ist der Staat dazu verpflichtet, eine eigene Währung anzubieten.

Die Zentralbank verfügt in unserem dreigliedrigen Geldsystem über mehrere Instrumente wie die Leitzinsen, die Anforderungen an notenbankfähige Sicherheiten oder die Mindestreserveanforderungen, mit denen sie über mehrere Transmissionskanäle (wie den Zinskanal, den Kreditkanal oder den Bilanzkanal) die Kreditbedingungen der Banken beeinflusst und eine gesamtwirtschaftliche Preisstabilität gewährleisten kann.

Diese Instrumente würden in einem reinen Privatgeldsystem wegfallen. Zahlreiche staatliche Zentralbanken haben es mithilfe von steten geldpolitischen Zielformulierungen und Entscheidungen geschafft, die Volatilität des Geldwerts zu minimieren, wohingegen die Nachfrage nach Kryptowährungen teilweise extremen Schwankungen unterlegen ist.

Außerdem kann eine Zentralbank über das Inverkehrbringen von selbst geschaffenem Geld beispielsweise durch Investitionen in Wohnungsprogramme oder die Finanzierung von Sozialausgaben auch Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik betreiben. Zwar ist umstritten, ob die Geldpolitik Arbeitsmarkteffekte auch durch die Verfolgung erhöhter Inflationsziele erzielen kann beziehungsweise ob Geld für den volkswirtschaftlichen Gesamtoutput neutral ist, also inwiefern eine Volkswirtschaft ohne Konsumverzicht durch die Zentralbank nachhaltigen Kapitalaufbau betreiben kann (wie es insbesondere von Hayek, aber auch von den Monetaristen bestritten wurde).

Die Zentralbank verfügt über die Mittel (a) zur kurzfristigen keynesianischen Stabilisierung der (fiskalischen) Nachfrage bei Nachfrageschocks, (b) zu finanzstabilitätspolitischen Offenmarktkäufen zum Schutz von Banken oder anderen Akteure vor Verlusten, (c) zum Erwerb von Staatsanleihen zur fiskalischen Stabilisierung und (d) zur Erweiterung der Geldmenge im Wege eines Quantitative Easing (unabhängig von der Frage, ob die damit verbunden (verteilungspolitischen) Folgen vorteilhaft sind oder nicht). Dagegen haben Privatwährungsnetzwerke nicht die Volkswirtschaft als Ganzes, sondern primär nur die Mikroperspektive ihrer Teilnehmer im Blick, so dass allenfalls vertreten werden kann, dass das Fehlen dieser Instrumente eine disziplinierende Wirkung für die betreffenden Akteure haben könnte.

Es erscheint volkswirtschaftlich irrational, diese geldpolitischen Instrumente allein für die Vorteile von privaten Kryptowährungen, die auch im aktuellen Geldsystem hinreichend sichergestellt werden können (wobei die Anonymität der Nutzer im staatlichen Geldsystem bewusst nur in eingeschränktem Maße – soweit datenschutzrechtlich geboten – geschützt wird), aufzugeben oder die Funktionsfähigkeit dieser Instrumente zu gefährden.

Fazit
Mangels der dafür erforderlichen geldpolitischen Instrumente sind private Kryptowährungen offensichtlich nicht dafür geeignet, dass eine Volkswirtschaft ihre gesamte Geldordnung auf private Kryptowährungen umstellt. Zur Bewahrung der Geldfunktionen sowie der Gewährleistung von Preis- und Finanzstabilität bedarf es langfristig einer staatlichen Währung. Eine Verwendung von privaten Kryptowährungen neben der staatlichen Währung kann zur Nutzung der Vorteile von Kryptowährungen wirtschaftlich sinnvoll sein. Jedoch muss die Zentralbank verhindern, dass die Wirksamkeit des geldpolitischen Transmissionsmechanismus durch eine übermäßige Nutzung von privaten Kryptowährungen beeinträchtigt wird.
 
Der Text erschien in längerer Version ursprünglich in der "Zeitschrift für Sozialökonomie" 200/2019.
 
Max Danzmann ist Partner und Rechtsanwalt für Banken, Finanzinvestoren und (Tech-)Unternehmer. Er berät schwerpunktmäßig bei Finanztransaktionen und FinTech-Themen. Dabei bringt er seine unternehmerische Erfahrung aus der Gründung von Startups und Konzipierung von digitalen Geschäftsmodellen ein.

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