Orientierung im Abkürzungsdschungel
Die wichtigsten Begriffe und Technologien im Bereich Geoengineering sowie zu technischen Verfahren rund um Kohlenstoffdioxid
- AFOLU
Agriculture, Forestry and Other Land Use –
Land- und Forstwirtschaft und andere Landnutzung
AFOLU umfasst Emissionen aus Landwirtschaft (CH4, N2O), Forstwirtschaft und anderer Landnutzung. Diese trugen 2010–2019 durchschnittlich 13–21 Prozent zu den anthropogenen Nettoemissionen bei. Der Sektor bietet großes Potenzial zur CO2-Bindung durch Wiederaufforstungund angepasstes Moor- und Landmanagement, mit potenziellen negativen Nettoemissionen von 20–400 Gt CO2 (IPCC-Modellpfade zu 1,5 °C mit CDR).[1]
- BECCS / BECCU
Bioenergy with Carbon Capture & Storage/Utilization –
Bioenergie mit CO2-Abscheidung & -Speicherung/-Nutzung
BECCS sind Technologien, bei denen Biomasse als Energiequelle genutzt wird und das entstehende CO2 mittels CCS abgeschieden und anschließend gelagert oder genutzt wird. Dafür werden schnell wachsende Pflanzen angebaut, die der Atmosphäre CO2 entziehen und in Biomasse binden. Laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) gibt es ein großes Potenzial für den Klimaschutz durch Bioenergie und BECCS (bis zu 11 Gt CO2 pro Jahr). Allerdings hängen die Auswirkungen der Bioenergieproduktion auf Bodendegradation, Ernährungsunsicherheit, Wasserknappheit, Treibhausgasemissionen und andere Umweltaspekte von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise von Maßstab und Kontext. Bisher wurde die gesamte Prozesskette nur für die großflächige technische Erprobung der Ethanol-Herstellung aus Mais durchgeführt, während für andere Verfahren noch Forschungs- und Entwicklungsarbeit erforderlich ist.[2,3,4]"Das Hoffen auf technologische Lösungen, von denen wir nicht wissen, ob sie je zur Verfügung stehen, darf nicht dazu führen, dass wir jetzt die Hände in den Schoß legen: Das würde die Klimakrise weiter verschärfen."Martin Oldeland, stellvertretender Vorsitzender, B.A.U.M. e.V.
- CCS / CCU
Carbon Capture & Storage/Utilization –
CO2-Abscheidung & -Speicherung/-Nutzung
Die nachgeschaltete Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) wird häufig als erforderlich angesehen, um prozessbedingtes CO2 aus Kohleverstromung und Grundstoffindustrien wie Stahl- und Zementerzeugung abzuscheiden. Das CO2 soll an der Emissionsquelle abgetrennt und in unterirdischen Speichern verpresst werden (CCS) oder weiterverwendet werden (CCU). CCS/U-Technologien werden in Kombination mit BECCS/U und DACCS/U zur Speicherung oder Nutzung benötigt. Die Nutzung von CO2 beispielsweise zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen, Chemikalien oder Baumaterialien führt nicht zu negativen Emissionen, da es am Ende der Lebenszeit der Produkte wieder in die Atmosphäre gelangt. Stammt der Kohlenstoff aus der Luft (DACCU) oder aus Biomasse (BECCU), kann die Bilanz als CO2-neutral und Teil des Kohlenstoffkreislaufs angesehen werden. Der Gesamtprozess der nachgeschalteten Abscheidung aus Industrieprozessen (CCU) ist nicht CO2-neutral, da die Freisetzung des CO2 lediglich um die Lebensdauer der entstehenden Produkte verzögert wird. Gespeichert werden soll das CO2 in geologischen Formationen wie ausgedienten Erdöl- und Erdgasfeldern oder nicht abbaubaren Kohleflözen, wo physikalische und chemische Prozesse wie Mineralkarbonisierung und undurchlässige Gesteinsdecken es binden und halten. Wie sicher, wo und für wie lange das CO2 unterirdisch gelagert werden kann, wird kontrovers diskutiert. Risiken sind u.a. das Austreten von CO2 durch Leckagen oder negative Auswirkungen auf das Grundwasser.[2,3,4]
- CDR
Carbon Dioxide Removal –
Kohlenstoffdioxid-Entnahme
CDR ist ein Oberbegriff für Technologien zur Reduzierung der Kohlenstoffdioxid-Konzentration in der Atmosphäre. Diese Technologien unterscheiden sich in der Art der CO2-Entnahme aus der Luft (DAC), an Emissionsquellen (CCS) oder bei Erzeugung von Bioenergie (BECCS) sowie in der weiteren Verwendung des CO2 wie Speicherung (CCS, DACCS) und Weiterverwendung (BECCU, CCU, DACCU). Negative Emissionen durch CDR-Technologien werden in vielen Klimaschutzszenarien als notwendig angesehen. Es bestehen jedoch große Unsicherheiten bezüglich Potenzialen, Kosten und Nebenwirkungen von großskalierten Anwendungen.[3]
- CO2
Kohlenstoffdioxid
Ein aus Sauer- und Kohlenstoff bestehendes Molekül, das als Treibhausgas eine lange Lebensdauer hat. Seit Beginn des Industriezeitalters wurden geschätzte 2.200 Milliarden Tonnen CO2 durch anthropogene Aktivitäten in die Atmosphäre freigesetzt. Das anreichernde CO2 führt zu einer verstärkten Absorption von Wärme, bremst den natürlichen Kühlungsmechanismus der Erde und trägt zur globalen Erwärmung bei (anthropogener Treibhausgaseffekt). Weitere relevante Treibhausgase sind Lachgas (N2O), Methan (CH4) und Ozon (O3).[2]
- DAC / DACCS / DACCU
Direct Air Capture/Capture & Storage/Utilization –
Direkte Luftabscheidung/Kohlenstoffabscheidung und -speicherung/-verwendung
Bei DAC-Verfahren entnehmen technische Anlagen CO2 aus der Atmosphäre, um es unterirdisch einzulagern (DACCS) oder weiterzuverwenden (DACCU). Da der CO2-Gehalt in der Luft gering ist (0,04 Prozent), müssen große Mengen Luft bewegt und gefiltert werden. Dies erfordert viel Energie, hauptsächlich Wärmeenergie. Potenzielle Energiequellen sind Abwärme aus Industrieprozessen oder Geothermie. Kleinflächige Anlagen sind bereits in Betrieb, für einen großtechnischen Einsatz muss jedoch noch weiter geforscht werden.[4]
- Geoengineering
Climate Engineering
Geoengineering bezeichnet Technologien, die das Klimasystem der Erde absichtlich verändern, um die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern. Die Ansätze zielen entweder darauf ab, die Sonneneinstrahlung zu verringern (Solar Radiation Management) oder die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu reduzieren (Carbon Dioxide Removal). Viele Technologien sind noch in der Entwicklung und führen zu kontroversen Diskussionen über Umweltfolgen, Effizienz und die Energiewende.[4]
- Netto-Null-Emissionen
Treibhausgasneutralität
Ein Netto-Null-Emissionszustand wird erreicht, wenn in die Atmosphäre abgegebene Emissionen in gleichem Umfang ausgeglichen werden (negative Emissionen), so dass es insgesamt zu keinem Konzentrationsanstieg der Gase in der Atmosphäre kommt. Dafür müssen anthropogene Emissionen möglichst auf null reduziert werden und natürliche Senken (CO2-absorbierende Ökosysteme wie Wälder/Moore) Emissionen aus der Atmosphäre binden. Technologische CDR-Maßnahmen werden teilweise als unausweichlich angesehen, um verbleibende Emissionen zusätzlich zu kompensieren.[2,5]
- SRM
Solar Radiation Management –
Strahlungsmanagement
Der Begriff bezeichnet die künstliche Veränderung des Strahlungshaushalts, um die Atmosphäre abzukühlen. Durch den Eintrag reflektierender Partikel (Sulfat-Aerosole) in die Stratosphäre soll die kurzwellige Sonneneinstrahlung auf die Erde reduziert werden. Weitere Ansätze sind z.B. eine Erhöhung der reflektierenden Wirkung von Wolken über Ozeanen oder die Auflösung von Wolken über den Polargebieten. Keine SRM-Methode ist bis jetzt technologisch und wirtschaftlich anwendungsreif, und die potenziellen (Langzeit-)Folgen auf Umwelt und Politik lassen sich nicht abschätzen, weshalb SRM derzeit nur kleinskaliert oder theoretisch ist.[6]
1) IPCC 2022: Climate Change 2022. Mitigation of Climate Change. Summary for Policymakers. Working Group III contribution to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg3/downloads/report/IPCC_AR6_WGIII_SPM.pdf, abgerufen am 17.07.23.
2) Smith, P. et al. (2019): Interlinkages Between Desertification, Land Degradation, Food Security and Greenhouse Gas Fluxes: Synergies, Trade-offs and Integrated Response Options.
In: Climate Change and Land: an IPCC special report on climate change, desertification, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gas fluxes in terrestrial ecosystems [P.R. Shukla et al. (eds.)]. https://doi.org/10.1017/9781009157988.00, abgerufen am 17.07.23.
3) Erlach, Berit et al. (2022): Was sind negative Emissionen, und warum brauchen wir sie? (Kurz erklärt!). Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft" (ESYS). https://doi.org/10.48669/ESYS_2022-2, abgerufen am 17.07.23.
4) Umweltbundesamt (2023): Geoengineering-Governance. https://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/umweltrecht/umweltvoelkerrecht/geoengineering-governance#was-ist-geoengineering, abgerufen am 17.07.23.
5) Bundeszentrale für politische Bildung (2021): Glossar Klima. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/klima-347/336697/glossar/, abgerufen am 17.07.23.
6) Deutsche Forschungsgemeinschaft (2019): Climate Engineering und unsere Klimaziele. Schwerpunktprogramm 1689. https://www.spp-climate-engineering.de/index.php/climateengineering_spp1689_brosch2fc1-2.pdf?file=files/ce-projekt/media/download_PDFs/climateengineering_spp1689_brosch.pdf, abgerufen am 17.07.23.
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Umwelt | Klima, 27.09.2023
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2023 mit dem Schwerpunkt: Transport & Logistik - Logistik und Transport - Herausforderung für Klima und Umwelt erschienen.
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