IAA: Grüner Anstrich für eine klimaschutzfeindliche Branche
Der aktuelle Kommentar von Jürgen Resch
Während Industrie und Politik die Verkehrswende immer noch verschleppen, versucht die Auto-Messe IAA, von den Tatsachen abzulenken.
München ist bekannt für seine chronischen Verkehrsprobleme. Über 70 Stunden stehen Autofahrer jährlich im Stau. Die Konzentration von gesundheitsschädlichem Stickstoffdioxid entlang des Mittleren Rings – hauptsächlich verursacht durch Diesel-Pkw – überschreitet selbst 13 Jahre nach Einführung der Grenzwerte weiterhin den erlaubten Wert. Die Münchner Radfahrer stellen der eigenen Stadt schon wieder eine miese Zeugnisnote im Radverkehr aus. Trotz dieser Verkehrssituation findet nun zum zweiten Mal in der bayrischen Landeshauptstadt die Automesse IAA statt.
München ist bekannt für seine chronischen Verkehrsprobleme. Über 70 Stunden stehen Autofahrer jährlich im Stau. Die Konzentration von gesundheitsschädlichem Stickstoffdioxid entlang des Mittleren Rings – hauptsächlich verursacht durch Diesel-Pkw – überschreitet selbst 13 Jahre nach Einführung der Grenzwerte weiterhin den erlaubten Wert. Die Münchner Radfahrer stellen der eigenen Stadt schon wieder eine miese Zeugnisnote im Radverkehr aus. Trotz dieser Verkehrssituation findet nun zum zweiten Mal in der bayrischen Landeshauptstadt die Automesse IAA statt.
Ablenkung mit E-Bikes und Lastenrädern
Wie schon 2021 werden für die IAA nicht nur die Messehallen vor der Stadt genutzt, sondern auch zahlreiche Freiflächen in der Münchner Innenstadt. Während München im Verkehr erstarrt und Radfahrer auf sichere Radwege warten, werden auf dem "IAA Open Space" E-Bike- und Lastenrad-Testfahrten veranstaltet. Das ist wie Jahrmarkt: einmal im Jahr die Sorgen des Alltags vergessen, aufs Riesenrad steigen und den Wind genießen. Außerhalb des Open Space sieht die Realität jedoch anders aus: Selbst kleinste Schritte hin zu einer zukunftsfähigen Mobilität in Deutschland mit sicheren Radwegen und starkem öffentlichen Nahverkehr werden von der Politik erschwert, wie etwa die unambitionierte Novellierung des Straßenverkehrsrechts oder das aktuelle Infragestellen des 49-Euro-Tickets durch den Bundesverkehrsminister. Der Open Space, der anders als die Fachmesse auch ohne teures Ticket zu erleben ist, soll der Branche einen grünen Anstrich verleihen: Es ist der Versuch, Kritik an der IAA zu entschärfen, indem sie sie sich als „Mobilitätsmesse" präsentiert. Die Branche benötigt diese Aufwertung zweifellos, da sie sich inmitten einer umfassenden Transformation befindet. Dabei haben vor allem die deutschen Hersteller den Umstieg auf batterieelektrische Antriebe jahrelang verschlafen und hecheln nun der Konkurrenz insbesondere aus den USA und China hinterher.
Steigende PS-Zahlen im E-Bereich
Gleichzeitig setzen die Autobauer jedoch weiterhin auf steigende PS-Zahlen und versuchen, den SUV-Trend vom Verbrennungsmotor auch auf die bisherigen Elektrofahrzeuge zu übertragen. Knapp die Hälfte der erhältlichen Elektrofahrzeuge kommt derzeit in einer XL-Version daher. Die Angaben zum Energieverbrauch sollten wie bei Verbrennungsmotoren mit Vorsicht betrachtet werden: Laut Tests des ADAC liegt der Verbrauch der Top-20-Modelle aus dem Jahr 2022 im Schnitt gut 21 Prozent höher als vom Hersteller angegeben. Dazu kommt: Die PS-Zahlen der batterieelektrischen Fahrzeuge sind im Schnitt fast doppelt so hoch wie von einem herkömmlichen Pkw mit Verbrennungsmotor. Und die Autos wachsen: Immer mehr der auf der IAA vorgestellten Modelle nähern sich einer Länge von fünf Metern.Trotz aller Bemühungen des Veranstalters, sich als innovativer Treiber zukunftsfähiger Mobilität darzustellen, ist die IAA die Messe der (deutschen) Automobilindustrie, deren Einfluss auf die Politik dadurch zum Ausdruck kommt, dass auch in diesem Jahr der Bundeskanzler zur Eröffnung anreist. Doch nicht nur der Kanzler wird in München erwartet – der Bundesverkehrsminister lädt zur Konferenz über E-Fuels. Von der Autoindustrie als Klimaschutz für bestehende Fahrzeugflotten vermarktet, sind E-Fuels aber tatsächlich nur der Versuch, margenstarke Verbrennungsmotor-Fahrzeuge auch nach dem EU-weit beschlossenen Ausstieg zu verkaufen. Passend dazu warnt aktuell auch BMW-Chef Zipse vor dem Verbrenner-Aus.
Die Bundesregierung blockiert
Währenddessen blockiert die Bundesregierung ganz im Sinne der Automobilindustrie effektive Maßnahmen für mehr Klimaschutz. Subventionen für fossile Antriebe und Kraftstoffe fließen weiter, Zuschüsse für batterieelektrische Fahrzeuge werden ausgerechnet für gewerbliche Kunden gestrichen. Die Bedeutung der gewerblichen Kunden für den Elektroauto-Markt wird dabei ignoriert. Für all die auf der IAA vorgestellten übermotorisierten und überdimensionierten Autos will der Verkehrsminister ganz schnell noch mehr Autobahnen bauen. Und ein Tempolimit – das Instrument für raschen und effektiven Klimaschutz – verweigert er. Diese Politik hat Folgen für die Klimaziele. Der Expertenrat für Klimaschutz der Bundesregierung bestätigte erneut das Versagen bei der Erreichung der verbindlichen Ziele im Verkehrssektor. Die Bundesregierung macht es sich einfach und will das Gesetz ändern, anstatt es einzuhalten. Dabei muss sich die Ampelregierung der Klimakrise endlich stellen und für den Sektor nicht nur ein Notfallprogramm vorlegen, sondern eine belastbare Strategie für eine Antriebs- und Verkehrswende. Die Vorschläge liegen längst auf dem Tisch. Ein Besuch auf dem Jahrmarkt lenkt da nur ab.
Jürgen Resch ist seit 1988 Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH).
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