Umweltauswirkungen reduzieren im Motorsport
Interview mit Uwe Brettel, Referent Sonderaufgaben und Business Development bei Porsche Motorsport
Uwe Brettel, Referent Sonderaufgaben und Business Development bei Porsche Motorsport, berichtet aus dem Porsche Entwicklungszentrum in Weissach davon, wie er und sein Team die Weichen für eine möglichst ressourcenschonende Entwicklung des Motorsports stellen möchten.
Uwe, du bist ein Porsche-Urgestein und aus dem Motorsport seit Jahrzehnten nicht mehr wegzudenken. Wo kommst du her, was begeistert dich am Rennsport und warum beschäftigst du dich nun mit dem Thema Nachhaltigkeit?
Uwe Brettel: Ich bin seit 1995 im Porsche Motorsport und war dort bereits in verschiedensten Funktionen tätig. Eine für mich prägende Aufgabe war die Leitung von Porsche Motorsport North America von 2003 bis 2008. Der dort allgegenwärtige Sportsgeist und der intensive Wettbewerb haben mich unheimlich fasziniert. Nach weiteren zehn Jahren als Leiter im Bereich Motorsportvertrieb im internationalen Kundensport habe ich mich für eine persönliche Auszeit entschieden und diese mit meiner Familie und mit Wandern in den Bergen verbracht. Dabei habe ich die Natur hautnah erlebt und mich immer mehr mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. In meiner anschließenden Funktion im Bereich der Unternehmensentwicklung konnte ich das auch beruflich weiter priorisieren.
Du beschäftigst dich aktuell damit, wie die Auswirkungen des Motorsports auf unsere Umwelt kontinuierlich reduziert werden können. Rennsport und Nachhaltigkeit wirken dabei auf den ersten Blick gegensätzlich. Wie lassen sich diese beiden Themen vereinen?
Uwe Brettel: Für mich stellt das keinen Gegensatz dar. Ich finde, guter Sport sollte immer ein integraler Bestandteil der Gesellschaft und kein reiner Selbstzweck sein. Der schlechter werdende Zustand unseres Ökosystems, bereits gut sichtbar im menschengemachten Klimawandel, fordert aber ein konsequentes Umdenken. Der Fokus auf mehr Nachhaltigkeit ist für den Porsche Motorsport eine Chance: Durch die Entwicklung innovativer, technischer und organisatorischer Lösungen können wir einen wesentlichen Beitrag leisten.
Welchen Ansatz verfolgt ihr konkret, um den Porsche Motorsport nachhaltiger zu gestalten?
Uwe Brettel: Im Rahmen unserer sogenannten strategischen Offensive im Motorsport haben wir ein abteilungsübergreifendes Team zusammengestellt. Der Fachbereich Umwelt- und Energiemanagement bringt seine wertvolle Expertise im Bereich ökologischer Nachhaltigkeit ein und leistet damit einen maßgeblichen und entscheidenden Beitrag. Auch mit den Kollegen aus dem strategischen Nachhaltigkeitsmanagement, der Serienfahrzeugentwicklung und verschiedensten anderen Fachbereichen arbeiten wir eng zusammen, um die Umweltauswirkungen des Motorsports zu reduzieren. Daraus ergibt sich ein wirkungsvoller Mix aus Motorsportpraxis, der strategischen und operativen Umweltarbeit sowie dem Verfolgen der Nachhaltigkeitsziele von Porsche. Dabei ist uns klar: Wir stehen derzeit erst am Anfang einer Transformation. Im Vordergrund steht, klimawirksame Emissionen, Energie, Schadstoffe, Abfall oder den Wasserverbrauch sukzessive zu reduzieren. Wir leisten Pionierarbeit. Unser Team möchte die gesamte Porsche Motorsport Wertschöpfungskette ins Blickfeld rücken. Dabei haben wir drei Handlungsfelder identifiziert: Erstens die Infrastruktur des Rennsports, zweitens die eigentlichen Rennfahrzeuge und drittens die Motorsportveranstaltungen, wie beispielsweise den „Porsche Mobil 1 Supercup" oder die Formel E. Der Weltmotorsportverband FIA hat zudem eine Umweltstrategie veröffentlicht, an der wir uns orientieren. Wir haben eigene Stakeholder- sowie Wesentlichkeitsanalysen durchgeführt. Darauf basierend haben wir danach eine erste strategische Roadmap erstellt und die Zielstellung innerhalb unserer Handlungsfelder konkretisiert. In der Folge haben wir erste Projekte geplant und bereits erste Maßnahmen umgesetzt.
Welche Maßnahmen waren das beispielsweise?
Uwe Brettel: Ein spannendes Projekt war die Optimierung unseres Motorsportzentrums im Entwicklungszentrum Weissach. Wir konnten hier die Energieeffizienz steigern und werden als nächstes unsere Abfallströme reduzieren. Im ersten Schritt haben wir uns auf schnell umsetzbare Maßnahmen fokussiert, was die energetische Optimierung des Betriebes anbelangt. Durch verändertes Nutzverhalten, die Anpassung der Steuerung gebäudetechnischer Anlagen und das Senken von Raumtemperaturen konnten wir bereits viel erreichen. Im Bereich Abfallströme geht es zum Beispiel darum, eine durchgängige Mülltrennung in den Werkstätten und an den Büro-Arbeitsplätzen einzuführen. Unsere Maßnahmen tragen bereits erste Früchte, denn Porsche Motorsport hat 2023 das Drei-Sterne-Umwelt-Prüfsiegel der FIA erhalten und ist außerdem ein Bestandteil des Umwelt- und Energiemanagementsystems bei Porsche.
Energieeffizienz und Müllvermeidung sind also auch abseits von Veranstaltungen wichtige Punkte. Wie geht ihr vor Ort bei Rennen mit dem Thema Nachhaltigkeit um?
Uwe Brettel: Die Entwicklung eines eigenen Umweltstandards für Motorsportveranstaltungen war ein Meilenstein unserer Arbeit. Diesen Eventstandard haben wir im Rahmen eines Pilotprojekts im „Porsche Mobil 1 Supercup" umgesetzt und zunächst verbindliche und damit sanktionierbare Umweltanforderungen in das Regelwerk der Veranstaltung aufgenommen. Es gab einige Veränderungen in der Infrastruktur für Teams bei jedem Rennen. Wir stellen zum Beispiel Trinkwasserbrunnen zur Verfügung, um Plastikflaschen zu vermeiden. Außerdem gibt es spezielle Behälter für potenzielle Gefahrstoffe damit Materialen wie etwa Kraftstoffe unter keinen Umständen die Umwelt schädigen können. Um die Wirksamkeit unserer Maßnahmen zu erfassen, setzen wir als Kontrollinstanz vor Ort einen sogenannten Environmental Officer ein.
Für eine Reduzierung von Umweltauswirkungen im Motorsport gibt es auch Ansätze direkt am Fahrzeug. Lässt sich Elektrifizierung auch im Rennsport umsetzen?
Uwe Brettel: Mit dem vollelektrischen „GT4 e-Performance" haben wir einen Rennsport-Prototypen entwickelt – denn das Thema Elektrifizierung ist nicht auf Straßenfahrzeuge begrenzt, sondern kann auch im Motorsport ein wichtiges werden. Das Fahrzeug reist aktuell bei unserer Performance Tour um die Welt und soll einen Impuls geben, Rennsport ressourcenschonender zu denken. Parallel dazu arbeiten wir an vielen Themenfeldern wie der Ladeinfrastruktur oder der CO?-reduzierten Logistik. Auch die Formel E ist für uns wegweisend. Dort werden CO?-Emmissionen systematisch erfasst, für jede Veranstaltung wird ein eigener Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt und bei der Logistik müssen alle Teilnehmenden Gewichts- und Volumenbegrenzungen einhalten.
Wohin geht der weitere Weg und wie könnte nachhaltiger Motorsport bei Porsche in Zukunft aussehen?
Uwe Brettel: Porsche Motorsport könnte sich zum Innovationsmotor und zur treibenden Kraft für technische und nachhaltige Lösungen entwickeln. Ganz nach dem Motto: Vom Rennsport in die Serie. Bei unseren Rennfahrzeugen gibt es zum Beispiel Einsparungspotenziale, wenn innovative Werkstoffe im Karosseriebereich verwendet werden: Man kann beispielsweise Biofaser, also nachwachsende Rohstoffe wie Flachs, oder recyceltes Carbon in Kombination mit nachhaltigen Harzsystemen nutzen. Auch Rennreifen mit einem hohen Anteil nachhaltiger Materialien sind möglich. Damit das umgesetzt werden kann, müssen wir uns intensiv mit unseren Lieferanten abstimmen. Deshalb ist hier auch unser Motorsporteinkauf eingebunden. Auch was den Einsatz von eFuels und die Elektrifizierung von Teilbereichen unserer Rennfahrzeuge und Rennserien anbelangt, sehen wir Möglichkeiten. Ich bin davon überzeugt, dass im Kundensportsegment, insbesondere bei Sprintrennen mit 25 bis 30 Minuten Renndauer, spannender Rennsport künftig auch elektrisch und noch dazu unter Einsatz von erneuerbaren Energien stattfinden kann. Mit der „GT4 e-Performance" Tour zeigt Porsche bereits jetzt, wie solch eine Zukunft aussehen könnte.
In der Interviewreihe „Perspektive Nachhaltigkeit" erzählen Porsche-Mitarbeiter von ihren fachspezifischen Themengebieten. Das Interview mit Uwe Brettel ist Teil 7 der Serie.
Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
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