Der Dollar beginnt zu wanken
Der aktuelle Kommentar von Oswald Schröder
In diesen Tagen erinnern wir uns an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 78 Jahren. Aber es kommt uns vor, als sei diese schreckliche Zeit wieder näher an uns herangerückt, wahrscheinlich durch die mediale Omnipräsenz der Kriege in Israel und der Ukraine. Aus Evolutionen werden immer häufiger Revolutionen, selbst wenn sie zunächst im Stillen ablaufen. So auch der bereits eingeleitete Niedergang des Dollars.
Dass der Euro jetzt wieder an der 1,10-Dollar-Marke kratzt, nachdem er zwischenzeitlich gar unter die Parität gefallen war, ist dabei nebensächlich. Es geht um einen langfristigen Prozess. Und in den passt die folgende Meldung wie die berühmte Faust aufs Auge, auch wenn sie beinahe zwischen Inflation und Rezessionsängsten unterging: Im März wurden weltweit erstmals mehr Waren in chinesischen Yuan als in US-Dollar verrechnet.
Auf dem Weg zu zwei Leitwährungen
Wer jetzt allerdings schon zum Halali auf den Dollar bläst, ist zu früh dran. Zur Erinnerung: Bereits nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen die USA die Führung in der Weltwirtschaft von der damaligen Hegemonialmacht, dem britischen Empire. Es dauerte allerdings bis nach dem Zweiten Weltkrieg, ehe der Dollar als Währung die weltweite Führungsrolle vom Pfund übernahm.
Nun befinden wir uns aber in einer Art Crescendo der Ereignisse: Es wird also voraussichtlich weit weniger lange dauern, bis der Yuan auch als Reservewährung zum Dollar aufschließt. Dass er den Dollar ablöst, wie der einst das Pfund, ist allerdings unwahrscheinlich. Es sieht eher so aus, dass es mindestens zwei internationale Leitwährungen geben wird, die eine mit Schwerpunkt westliche Welt, während der Yuan eher in den Ländern des Globalen Südens und innerhalb der aufstrebenden Volkswirtschaften, den sogenannten BRICS-Staaten, die führende Währung sein wird.
Dennoch wird die vorhersehbare Entwicklung bei den Weltwährungen, zu denen auch der Euro zählt, auch wenn die EU ihre Leitwährung bislang nicht als Alternative zum Dollar etablieren konnte oder wollte – große Folgen vor allem für die USA haben. Die Wertschätzung des US-Dollars und seine Stabilität basieren nämlich nicht nur, wie für andere Währungen üblich, auf der Wirtschaftskraft seines Heimatlandes. Der Dollar zieht einen gehörigen Teil seines Wertes aus seiner immer noch führenden Rolle im Welthandel sowie aus seiner Wichtigkeit als weltweit anerkannte Reservewährung.
Mit dem Dollar steht und fällt die US-Vormachtstellung
Nun bröckelt es aber gerade an jeder dieser drei Fronten – wobei der Krieg in der Ukraine wie ein Brandbeschleuniger wirkt. Zum einen wickeln Russland, China, aber auch aufstrebende Länder wie Indien und Brasilien und selbst Saudi-Arabien, das in den 1970er Jahren den Petrodollar bekannt machte und lange als unerschütterlicher Bündnispartner der USA in der Golfregion galt, ihren wechselseitigen Handel mehr und mehr in Yuan oder Rubel ab.
Zum anderen hat das Einfrieren russischer Währungsreserven durch die USA und ihre westlichen Verbündeten dazu geführt, dass Staaten, denen irgendwann ähnliche Sanktionen drohen könnten, die Reservewährung Dollar abstoßen und sich mit Gold eindecken. So China, das zuletzt US-Bonds für rund 120 Milliarden Dollar abstieß und dafür tonnenweise Gold kaufte. Zudem droht den USA eine erneute Schuldenkrise. Nicht zu vergessen, dass die USA, fremdfinanziert, seit Jahren über ihre Verhältnisse leben, eine Verschuldung von 123 Prozent des BIP mit sich herumschleppen und erst zuletzt von einer erneuten, akuten Zahlungsunfähigkeit bedroht waren.
Nun beruht aber ein großer Teil des Wohlstandes der USA auf der führenden Rolle des Dollars im internationalen Währungsverkehr. Das aktuelle Schwächeln des USD ist somit nur ein Vorbote einer längerfristigen Entwicklung, die auch direkte Folgen auf die Rolle der USA als Weltwirtschaftsmacht haben wird. Denn ein Teil dieser Macht basiert nun einmal auf der Stärke des Dollars.
Wie die USA, die selbst in dem Fall, in dem diese Entwicklung spürbare Folgen zeitigen wird, immer noch eine dominierende Militärmacht sein werden, mit ihrem spürbaren Machtverlust umgehen werden, steht in den Sternen. Der traumatische Umgang mit der Niederlage im Vietnamkrieg lässt allerdings wenig Gutes erahnen. Daher ist es wünschenswert, dass die Welt bald einen Ausweg aus dem Wettlauf um immer mehr Waffen und dem Säbelrasseln zwischen Washington und Peking finden wird.
Oswald Schröder ist ein vielsprachiger Publizist. Seine Erfahrung hat er nicht nur als Chefredakteur einer belgischen Tageszeitung gesammelt, sondern auch als Kabinettschef von Unterrichtsminister Bernd Gentges bei der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, als EU-Beauftragter für den Wiederaufbau der Stadt Mostar unter Hans Koschnick sowie als Vorstand für Kommunikation des Europäischen Patentamtes und Marketing-Kommunikationschef mehrerer Banken in Luxemburg.
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