Der gerichtliche Kampf gegen das Pflanzengift Glyphosat und andere Pestizide

Der aktuelle Kommentar von Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe

Als ich im April letzten Jahres unsere vor dem Europäischen Gerichtshof erstrittene Klageberechtigung zur gerichtlichen Überprüfung der Zulassung giftiger Pestizide feierte und fünf erste Klagen gegen in Deutschland zugelassene Pflanzen- und Insektengiften mit besonders kritischen Wirkstoffen wie Glyphosat, Flufenacet oder S-Metolachlor ankündigte, war mir bewusst: Wir legen uns mit einem der mächtigsten und skrupellosesten Industriekartelle in Deutschland an und ich muss mich auf alle Arten an Reaktionen einstellen. Auch auf einen Anstieg der Bedrohungslage für unser Team und für mich selbst. Und doch habe ich unterschätzt, mit welchen Methoden das Pestizidkartell seine Profitmaximierung durchsetzt.
 
Spritzmittel wie Glyphosat sind eine Gefahr für Mensch und Natur. © hpgruesen, pixabay.comWährend es mir vor 42 Jahren noch bei der Aufdeckung eines Vogel-Massensterbens am Bodensee von hunderten Mäusebussarden, Rotmilanen, Turmfalken, Eulen und Singvögeln durch das Pestizid Endrin gelang, ein behördliches Verbot innerhalb von nur vier Monaten durchzusetzen, hat heute die chemische Industrie Politiker und Zulassungsbehörden fest in ihrer Hand. Der Pestizidmulti Bayer/Monsanto schafft es zum Beispiel wie von Zauberhand, dass die FDP dafür kämpft, dass die Deutsche Bahn wieder ihre Gleise mit Glyphosat behandelt, und ist wie selbstverständlich Sponsor des Grünen Parteitages. Und der ehemalige Grüne Staatssekretär Matthias Berninger ist ihr offizieller Chef-Lobbyist.

Vor einigen Monaten hatte ich nun einen Austausch mit der aktuellen Grünen Staatssekretärin Ophelia Nick. Obwohl der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung sehr klar formuliert: „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt", erläuterte Frau Nick mir unter Hinweis auf steile Weinbaulagen und zu geringen Gemüse- und Obstanbau in Deutschland die angebliche Notwendigkeit, Glyphosat weiter in Deutschland zulassen zu müssen.
 
Eingereichte Klagen
Ich verspreche Ihnen: Wir werden auf allen rechtlichen Ebenen dafür kämpfen, dass Glyphosat nicht wie vorgesehen zehn weitere Jahre seine verheerende Wirkung entfaltet! So wie wir es in der Vergangenheit getan haben:
  1. Klage in Deutschland: Am 17. Juli 2023 haben wir Klage vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig auf Aberkennung der Zulassung für „Roundup PowerFlex" erhoben.
  2. Rechtsverfahren und Klage in Europa: Am 6. November 2023 haben wir – gemeinsam mit der Bienenstiftung Aurelia – ein Rechtsverfahren gegen die EU-Kommission wegen der Erneuerung der Wirkstoffgenehmigung für Glyphosat um zehn Jahre eröffnet und werden im Falle der erwarteten Ablehnung unseres Antrags im Sommer vor dem Europäischen Gericht Klage erheben.
  3. Erhalt des bestehenden Glyphosat-Anwendungsverbots: Vor wenigen Tagen haben wir in einer Stellungnahme das Bundeslandwirtschaftsministerium darauf hingewiesen, dass die derzeit geplante Verschiebung des in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung vorgesehenen Glyphosat-Anwendungsverbots unionsrechtlich keineswegs zwingend ist. Es ist aus unserer Sicht rechtlich zulässig, das Anwendungsverbot, welches eigentlich ab dem 1. Januar 2024 gelten sollte, beizubehalten.
Aufgeschreckte Pestizidhersteller
Die Pestizidhersteller sind aufgeschreckt von unserem ersten juristischen Erfolg, den wir Ende 2023 vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg erzielt haben. Dieses hat nämlich obergerichtlich eine zuvor vom Verwaltungsgericht Braunschweig ergangene Entscheidung korrigiert und ausdrücklich bejaht, dass wir in einem Klageverfahren eines Herstellers auf unseren Antrag hin beizuladen sind. Inhaltlich gefeiert werden kann auch, dass die Zulassungen der grundwassergefährdenden Pestizide Gardo Gold und Dual Gold inzwischen infolge der Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff S-Metolachlor widerrufen wurden. Diese Mittel dürfen ab Juli 2024 nicht mehr angewendet werden! Wir setzen uns dafür ein, dass die schädlichen Mittel noch früher vom Markt gehen.

Ein universelles Risiko
Unsere mühsam erstrittenen und mit diesem ersten Erfolg vor Gericht als wirksam bestätigten Klagerechte müssen wir schnell und effektiv anwenden, um unsere Umwelt vor den aktuell 40.000 Tonnen Pflanzen- und Insektengifte zu schützen. In Deutschland sind allein über 50 glyphosathaltige Produkte zugelassen, darunter zehn frei verkäufliche (!) für Haus und Garten. Zahlreiche Studien haben bereits gezeigt, dass Glyphosat nicht nur kritisch für die Umwelt ist, der Stoff wurde von der WHO auch als „wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. Anhaltspunkte bestehen auch für schädliche Auswirkungen auf das Mikrobiom von Lebewesen (Universität Tübingen). Das ist ein unverantwortliches Risiko für Verbraucher, bei denen das Herbizid nicht nur auf ihrem Teller, sondern auch in ungeschulten Händen landet.

Wir sagen den Pestizid-Konzernen den Kampf an!

Jürgen Resch. © Steffen HolzmannIn aktuell acht Verfahren gehen wir gegen die Zulassung und Genehmigung von besonders schädlichen Pestiziden in Deutschland und Europa vor und pochen auf rechtmäßige Entscheidungen der zuständigen Behörden. Wir werden die skandalösen Machenschaften im Pestizidgeschäft ins Licht der breiten Öffentlichkeit rücken und den Druck auf die Politik erhöhen: mit Klagen und kreativen Aktionen. Damit zwingen wir die Regierung dazu, besonders risikobehaftete Produkte so schnell wie möglich vom Markt zu nehmen und richten den Scheinwerfer auf die umweltschädlichen Machenschaften der Chemiekonzerne.
 
Mit unseren rechtlichen Verfahren haben wir eine Chance, endlich der Pestizidflut Einhalt zu gebieten. Dafür benötigen wir aber weiterhin Informationen von Whistleblowern, wissenschaftliche Expertise und vor allem finanzielle Unterstützung für unsere Arbeit und die Klageverfahren.

Für diese große Auseinandersetzung mit Bayer/Monsanto aber auch gegen die übrigen von uns bekämpften Pestizide benötigen wir Ihre Hilfe.
 
Jürgen Resch ist seit 1988 Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH).
Unter "Der aktuelle Kommentar" stellen wir die Meinung engagierter Zeitgenossen vor und möchten damit unserer Rolle als forum zur gewaltfreien Begegnung unterschiedlicher Meinungen gerecht werden. Die Kommentare spiegeln deshalb nicht zwingend die Meinung der Redaktion wider, sondern laden ein zur Diskussion, Meinungsbildung und persönlichem Engagement. Wenn auch Sie einen Kommentar einbringen oder erwidern wollen, schreiben Sie an Alrun Vogt: a.vogt@forum-csr.net

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