KMU können klima­neutral

Ein Interview mit den ZO.RRO-Verantwortlichen Jana Liebe und Prof. Dr. Viktor Wesselak

Das Energieforschungsprojekt ZO.RRO II unterstützt Industriebetriebe bei der klimafreundlichen Gestaltung ihrer Energieversorgung. Zur Nachahmung empfohlen!

ZO.RRO unterstützt Unternehmen mit seinen Tools auf dreifache Weise. © ZO.RROIn Thüringen hat sich ein Konsortium aus der Hochschule Nordhausen (HSN) und dem Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerk (ThEEN) e.V. zusammengetan. Das Ziel: der optimale Einsatz von Energieressourcen und damit die Verringerung der CO2-Emissionen. ZO.RRO (Zero Carbon Cross Energy System) heißt das Projekt, seine ersten Ergebnisse haben Aufsehen erregt und sein Energiesystem-Rechner hat sogar einen Preis erhalten. Grund genug, genauer nachzufragen bei Jana Liebe, Geschäftsführerin des ThEEN, und Prof. Dr. Viktor Wesselak von der HSN.

Frau Liebe, Herr Wesselak, welches Ziel verfolgt die Initiative ZO.RRO?
Liebe: Wir wollen die Energieversorgung Thüringer Industriebetriebe ganzheitlich optimieren, ihren CO2-Fußabdruck nachweisen und verringern. Gerade kleine und mittlere Unternehmen, KMU, haben meist nicht die personellen Ressourcen, um eigenständig Projekte umzusetzen, und profitieren von der Expertise des ZO.RRO-Teams und dem Einsatz der ZO.RRO-Tools.

Auf welche Weise unterstützen Sie die Unternehmen?
Wesselak: Fossile Energieträger sind nicht nur klimaschädlich, sondern auch immer unwirtschaftlicher. Gerade in der aktuellen Krise wird offenbar, dass die Umgestaltung des Energiesystems hin zu Erneuerbaren nicht schnell genug gehen kann. Dennoch ist überstürztes Vorgehen wenig zielführend. Es braucht fundierte und vorausschauende Entscheidungen darüber, wie das optimale Zusammenspiel verschiedener Technologien für den jeweiligen Standort aussehen soll. Dabei hilft ZO.RRO mit drei Tools, die geeignete Wege vom Ist zum Soll aufzeigen.

Liebe: Zunächst erfolgen detaillierte Messungen, um die Energieverbräuche und Emissionen zeitlich aufgelöst zu erfassen. Dabei erkennen wir Einsparpotenziale und die größten CO2-Quellen. Diese Daten führen zu Maßnahmen und dienen dem Nachweis der nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens. Die ZO.RRO-Praxispartner geben an, dass ihre Kunden im B2B-Bereich zunehmend solche Nachweise einfordern, und sind dankbar für diese Berechnungen. Die CO2-Bilanzierung erfolgt dabei über das Tool „ecocockpit", welches die Effizienz-Agentur NRW entwickelt hat.

Und wofür haben Sie den „Thüringer Digital- und Open-Source-Preis" erhalten?
Wesselak: Ausgezeichnet wurde das dritte ZO.RRO-Tool, der Energiesystem-Rechner. Diese Open-Source-Software wurde durch die von mir geleitete Arbeitsgruppe Energiesystemmodellierung an der Hochschule Nordhausen entwickelt. Sie erlaubt die systemische Berechnung von möglichen Transformationspfaden und Szenarien für eine klimaneutrale Energieversorgung. Am Beispiel Thüringen wurde gezeigt, wie die Ziele des Thüringer Klimagesetzes unter Einsatz bestimmter Technologien realistisch erreicht werden können. Dieser Energiesystem-Rechner kann nun auch genutzt werden, um für andere Bundesländer, Stadtwerke oder Unternehmen Wege zur Klimaneutralität zu berechnen.

Können Sie den Energiesystem-Rechner etwas genauer erklären?
Wesselak: Im ZO.RRO II Landesprojekt wird die oben beschriebene Open-Source-Software für die Demonstrator-Unternehmen eingesetzt, zur Ermittlung einer optimalen, klimaneutralen Energieversorgung. Gemeinsam mit den Unternehmen werden gemäß deren Zielvorgaben schrittweise Szenarien erarbeitet, die aufzeigen, wie der Energiebedarf zu jedem Zeitpunkt gedeckt werden kann. Geeignete Optionen sind beispielsweise die Nutzung von (zusätzlicher) Photovoltaik in Kombination mit Energiespeicherung, der Einsatz von Wärmepumpen und Elektromobilität. ZO.RRO betrachtet zusätzlich die Möglichkeit flexibler Produktionsweisen, um noch besser auf zukünftige Preisschwankungen reagieren zu können. Gemeint ist eine Anpassung des Energieverbrauchs, bei der zeitlich unabhängige Produktionsschritte dann erfolgen, wenn ausreichend kostengünstige, erneuerbare Energie zur Verfügung steht.

Welche Rolle spielt der „Open-Source"-Ansatz?
Wesselak: Derzeit findet der Energiesystem-Rechner nicht nur breite Anwendung für die systemische Modellierung von Energiesystemen für Thüringer Gemeinden, Stadtwerke und Unternehmen, sondern zum Beispiel auch in laufenden Projekten, die unter anderem die gesamte Region Kärnten analysieren. Weitere Projekte im mitteldeutschen Raum, aber auch überregionale Vorhaben, sind in Vorbereitung.

Wer kann die Methoden aus ZO.RRO nutzen?
Liebe: Wir erarbeiten als ThEEN eine Dienstleistung, um über die ZO.RRO-Praxispartner hinaus Unternehmen die Energiesystem-Simulation anbieten zu können. Die Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt unterstützen den Aufbau unserer Kompetenz und die Prozessoptimierung. Je nach Projektverlauf können wir noch in diesem Jahr damit beginnen.

Wesselak: Natürlich geht es darum, Leuchtturmprojekte in Thüringen mit überregionaler und internationaler Strahlkraft zu generieren. Wir schaffen wichtige Grundlagen und wollen für Mutausbrüche von Unternehmer*innen anderswo sorgen, die erkennen: So geht´s – KMU können klimaneutral!

Wir bedanken uns herzlich für das Interview und wünschen ZO.RRO viel Erfolg.


Jana Liebe ist Geschäftsführerin des Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerks (ThEEN) e.V. und leitet das ZO.RRO-Kommunikationsbüro.

Prof. Dr. Viktor Wesselak ist Professor für Regenerative Energiesysteme, Vizepräsident für Forschung und Hochschulentwicklung an der Hochschule Nordhausen und Projektleiter des ZO.RRO II Landesprojekts.
 
Das Interview führte forum-Chefredakteur Fritz Lietsch.

Technik | Energie, 01.03.2024
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