Transparenz statt Greenwashing:

Nachhaltigkeitskommunikation im Zeichen der Green Claims Directive

Die EU setzt auf nachhaltige Transformation und schafft ein neues regulatorisches Umfeld für Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit und ESG. Transparenz ist gefordert – auch in der Werbung und im Marketing. Wie Unternehmen in Zukunft Nachhaltigkeit und Klima- und Umweltschutz in ihre Werbung und Marketing einbinden, soll die Green Claims Directive regeln. Was steckt hinter der GCD und was bedeutet die neue Richtlinie für Unternehmen und ihre Kommunikationsstrategien?

Auf die steigende Nachfrage nach umweltschonenden Produkten haben Marketingabteilungen und -agenturen längst reagiert. © 123rf/rawpixel
Nachhaltigkeit, Umweltschutz und CO2-Reduktion stehen bei den Verbraucher:innen zunehmend im Fokus. Eine Entwicklung und steigende Nachfrage, auf die Marketingabteilungen und -agenturen längst reagiert haben. Umweltbezogene Aussagen wie „umweltfreundlich", „klimaneutral" oder „100% recyclebar" und Öko-Label zieren eine Vielzahl an Produkten und proklamieren deren Nachhaltigkeit. Doch wie zuverlässig sind diese Label und „Claims" wirklich?

Diese Frage hat sich auch die EU-Kommission gestellt, die sich im Rahmen des Green Deal dazu verpflichtet hat, Verbraucher:innen dazu zu befähigen, „fundiertere Entscheidungen zu treffen und eine aktive Rolle beim ökologischen Wandel einzunehmen". Die Förderung nachhaltigen Konsumverhaltens werde jedoch laut EU-Kommission behindert, und zwar „insbesondere aufgrund von mangelndem Vertrauen in die Glaubwürdigkeit von Umweltaussagen und die Verbreitung irreführender Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit der ökologischen Nachhaltigkeit von Produkten". (1) Tatsächlich zeigt eine Studie der Kommission von 2020, dass 53,3 Prozent der untersuchten Umweltaussagen „vage, irreführende oder unbegründete Informationen über die Umwelteigenschaften der Produkte enthalten".

Nachhaltigkeitswerbung trifft Verbraucher:innenschutz
Dagegen will die EU mit der Green Claims Directive vorgehen und das Greenwashing eindämmen. Die GCD strebt an, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, in dem Unternehmen, die echte „grüne" Fortschritte verzeichnen können, nicht durch diejenigen benachteiligt werden, die irreführende Behauptungen machen. Darüber hinaus soll die GCD Verbraucher:innen schützen, indem sie ihnen klare, genaue und vergleichbare Informationen über den ökologischen Fußabdruck von Produkten und Dienstleistungen bietet.

Die Richtlinie basiert auf drei zentralen Grundsätzen:
  • Standardisierung von Umweltaussagen. Die Richtlinie soll einheitliche Standards für Umweltaussagen festlegen, um sicherzustellen, dass diese konsistent, vergleichbar und verlässlich sind.

  • Wissenschaftliche Fundierung und Transparenz. Umweltbezogene Aussagen müssen auf soliden, wissenschaftlichen Beweisen basieren und sollten nachprüfbare Informationen, Daten und Methoden verwenden. Außerdem müssen alle Umweltaussagen extern verifiziert werden.

  • Vollständigkeit, Relevanz und Aktualität. Umweltauswirkungen müssen ganzheitlich betrachtet werden und den Lebenszyklus einbeziehen. Die kommunizierten Informationen sollen relevant und leicht verständlich sein und aktuell gehalten werden.
Generelle Claims wie „umweltfreundlich", „nachhaltig", „klimaschonend" werden damit unzulässig, sofern sie nicht mit hinreichender Validierung belegt werden können. Auch Angaben wie „100% recyclefähig" oder „aus 100% recyceltem Material" werden problematisch, wenn sie sich beispielsweise nur auf einen Teil des Verpackungsmaterials
beziehen.

GCD als Teil des globalen Anti-Greenwashings
Die Vorläuferrichtlinie der Green Claims Directive, die Directive on Empowering Consumers for the Green Transi­tion (ECGT oder EmpoCo) wurde zu Beginn dieses Jahres formell angenommen und muss nun in nationales Recht umgewandelt werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beide Richtlinien darauf abzielen, die grüne Transformation zu unterstützen und Greenwashing zu bekämpfen. Die ECGT ist jedoch breiter angelegt und konzentriert sich darauf, die Verbraucher:innen mit Informationen und Rechten auszustatten, während die GCD die Vorgaben zu Richtigkeit und Glaubwürdigkeit von Umweltaussagen von Unternehmen spezifiziert. Zusammen stellen sie einen umfassenden Ansatz dar, um sicherzustellen, dass der grüne Wandel sowohl verbraucherfreundlich ist als auch auf vertrauenswürdigen Informationen beruht.

Auch wenn die GCD noch nicht verabschiedet ist, so ist sie doch Teil eines unaufhaltsamen globalen Anti-Greenwashing-Trends. Unternehmen weltweit drohen damit nicht nur immense Reputationsschäden und (weiterer) Vertrauensverlust auf Konsument:innenseite, sondern insbesondere Umsatzeinbußen und Sanktionen.

GCD in der Praxis
Die Entwicklungen zeigen: Es ist mehr als an der Zeit, Marketingstrategien zu überdenken und auf ESG-Transparenz auszurichten. Für Unternehmen stellt die Richtlinie sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance dar: eine Herausforderung, ihren grünen Behauptungen gerecht zu werden, und eine Chance, sich dadurch authentisch abzuheben.

Folgende Elemente können dabei unterstützen, diese Chance umzusetzen:
  1. Silos aufbrechen und Nachhaltigkeit ganzheitlich denken. Betrachten Sie die Nachhaltigkeitsleistung und -auswirkungen eines Produkts, einer Dienstleistung oder Verpackung ganzheitlich. Dazu gehören der Lebenszyklus sowie auch vor- und nachgelagerte Lieferketten. Binden Sie Funktionen wie Produktmanagement, Nachhaltigkeit, Einkauf und Supply Chain und entsprechende Daten ein. Die ESG- oder Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens ist Ihr Nordstern zur Ausrichtung.

  2. Weiterbildung & Tools nutzen. Stellen Sie sicher, dass das Marketingteam und relevante Stakeholder (Produktmanagement, CSR-Verantwortliche etc.) ein tiefes Verständnis der EU Green Claims Directive und der damit verbundenen Anforderungen haben. Mittlerweile gibt es außerdem eine Vielzahl an KI-Tools, die Green Claims überprüfen, und Rechtberatungen, die sich auf das Thema spezialisiert haben.

  3. Stakeholder einbinden. Binden Sie externe Stakeholder ein, um Ihre Claims konkret und verständlich für Ihre Zielgruppe zu entwickeln. Eine Studie im Auftrag der deutschen Verbraucherzentralen hat z.B. gezeigt, dass 40 Prozent der befragten Personen bei „klimaneutral" davon ausgehen, dass tatsächlich die CO2-Emissionen in der Produktion reduziert und nicht nur kompensiert wurden.

  4. Transparent und ehrlich kommunizieren. Nutzen Sie überprüfbare und konkrete Informationen als Grundlage. Validieren Sie Claims in Bezug auf Lebenszyklus, Lieferkette und ganzheitliche Nachhaltigkeit. Machen Sie konkrete und verständliche Aussagen und nutzen Sie anerkannte, externe Labels.
Der Übergang zu transparenten und fundierten Green Claims mag anspruchsvoll erscheinen, aber er ist auch eine Chance, nachhaltigere Geschäftsmodelle aufzubauen, die Markenglaubwürdigkeit zu stärken und engere Beziehungen zu den Verbraucher:innen zu knüpfen.

Auf die steigende Nachfrage nach umweltschonenden Produkten haben Marketingabteilungen und -agenturen längst reagiert.

Pia Pinkawa ist Expertin für nachhaltige Lieferketten, Kommunikation und Marketing und seit sieben Jahren freiberuflich für EcoVadis in der deutschsprachigen Region tätig. Sie ist zertifizierte interkulturelle Trainerin, Germanistin und Italianistin mit journalistischem Hintergrund und hat mehr als 10 Jahre Erfahrungen in den Bereichen Compliance- und ESG-Kommunikation.

(1) Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rats vom 22.3.2023 für eine Richtlinie über Umweltaussagen


Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften

Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 25.05.2024
Dieser Artikel ist in forum 03/2024 mit dem Schwerpunkt „Wirtschaft im Wandel – Lieferkettengesetz, CSRD und regionale Wertschöpfung" - Positiver Wandel der Wirtschaft? – So kann's gehen erschienen.
     
        
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