Lieferkettengesetz:
Das sind die Praxis-Erfahrungen der ersten 100 Tage
Oswald und Eva Neumann © Neumann & Neumann
Nach mehrmonatiger, intensiver Debatte hat das EU-Parlament des bisherige Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) erweitert und verschärft.
Ende April war es soweit: Nach mehrmonatiger, intensiver Debatte hat das EU-Parlament des bisherige Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) erweitert und verschärft. Die rechtliche Regelung hatte seit Monaten einen festen Platz in der Medienberichterstattung, da sich nicht zuletzt aus Deutschland Widerstand gegen die Erweiterung regte. Dabei ist in der Berichterstattung oft untergegangen, dass das LkSG auch schon zuvor galt und wesentliche Vorschriften des Gesetzes bereits zum 1. Januar 2024 geändert worden waren.
Unternehmen müssen seit Jahresbeginn verschiedene Maßnahmen ergreifen, darunter die Identifizierung und Minimierung negativer Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt, die Integration von Sorgfaltspflichten in Unternehmenspolitik und Management, transparente Berichterstattung sowie Kontrolle und Überwachung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen. Und seit 01.01.2024 gelten diese Vorschriften bereits für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern (zuvor: 3.000). Aber das ist noch nicht alles: Denn diese Betriebe sind verpflichtet, ihre unmittelbaren Lieferanten zu prüfen. Und damit sind die vielen Tausend kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland betroffen, die für Großkonzerne arbeiten: Von der Steuerberaterkanzlei bis zum Catering-Service.
Zu dieser Gruppe der „Lieferanten" zählen auch wir: Als IT-Dienstleister beraten wir unter anderem Großkonzerne, Städte und Gemeinden in Fragen der Digitalisierung und des Qualitätsmanagements. Grund genug für uns, uns frühzeitig auf das „neue" Lieferkettengesetz vorzubereiten. Denn uns war klar: Führer oder später wird einer unserer Kunden anklopfen und nach einem Nachweis fragen, der belegt, dass wird die Prüfpunkte einhalten können. Darauf wollten wir vorbereitet sein.
Die Vorbereitung: Analyse und Zertifizierung
Die Vorbereitungen dazu begannen bei uns im Jahr 2022. Der Fokus lag zunächst auf der Erfassung und Bilanzierung von CO2-Emissionen. Durch eine detaillierte Methodik zur Datenerfassung, -analyse und -berichterstattung wurden sowohl interne als auch externe CO2-Quellen erfasst. Diese umfassende Ökobilanz ermöglicht eine differenzierte Analyse der Emissionen, was wiederum als Grundlage für weitere Maßnahmen diente.
Daraus ließen sich dann direkte Maßnahmen ableiten, um den CO2-Fußabdruck kleiner zu machen: Die Umstellung des Firmenfuhrparks auf Elektroautos ist ein solcher, aber auch die Ausrichtung aller betrieblichen Reisen nach Prinzipien der Nachhaltigkeit. Auch unseren Energieverbrauch stellen wir auf die Probe: Die Reduzierung der Heizdauer im Firmengebäude und die Nutzung von Solarenergie zur Wassererhitzung folgten draus. Schließlich ging es dann noch um die Frage, wie wir die noch bestehenden CO2-Emissionen kompensieren, um als Unternehmen klimaneutral zu werden: Hier setzen wir vor allem auf regionale Projekte wie die Unterstützung eines Generationenparks in der Nähe unseres Firmensitzes im bayerischen Landkreis Weilheim-Schongau.
Seit Herbst 2023 können wir nun nachweisen, lieferkettengesetz-konform zertifiziert zu sein. Damit sind wir aber noch lange nicht am Ende angekommen: Eine nachhaltige Ausrichtung unseres Unternehmens sehen wir als fortlaufenden Verbesserungsprozess an. Das zahlt sich am Ende auch betriebswirtschaftlich aus, wenn weniger Tonnen CO2 kompensiert werden müssen (Preis pro Tonne derzeit ca. 25 Euro). Im laufenden Jahr arbeiten wir deshalb mit Hochdruck daran, die CO2-Emissionen unseres Fuhrparks weiter zu reduzieren. Das Ziel: Von 120 Tonnen auf 100 Tonnen zu kommen. Das ist ehrgeizig, da damit jeder dritte Kilometer Fahrtweg eingespart werden muss. Umgesetzt werden soll das durch eine Optimierung von Fahrten und Reisen sowie die fortlaufende Überprüfung und Anpassung betrieblicher Prozesse.
Lieferkettengesetz: Für viele ein Fremdwort
Wird so viel Ehrgeiz belohnt? Diese Frage haben wir uns gestellt – doch bisher können wir sie nicht mit ‚Ja‘ beantworten. Warum? Unsere Erfahrungen nach den ersten 100 Tagen der neuen LkSG-Regeln sind teilweise ernüchternd: Denn nicht alle Stellen, bei denen wir es eigentlich erwartet haben (und der Gesetzgeber ebenfalls!) sind gut auf das Gesetz vorbereit. Von behördlichen Stellen oder gar unserer Bank gab es keine Nachfragen. Obwohl das Finanzamt bei der Bilanzierung oder die Banken bei der Kreditvergabe zur Prüfung der LkSG-Kriterien verpflichtet sind.
Immerhin: Das Interesse unserer Kunden im Hinblick auf das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist da. Von Kundenseite bekommen wir aktive Nachfragen und es lässt sich feststellen: Je größer das Unternehmen, umso mehr wurde auf die Nachhaltigkeitsstandards bei uns als Dienstleister geachtet.
Wir sehen es so: Die Umsetzung des Lieferkettengesetzes ist nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance für Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu stärken. Allerdings ist es entscheidend, dass die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften auch überprüft wird, um die angestrebten Effekte für Klimaschutz und Menschenrechte zu gewährleisten. Dies erfordert nicht nur Engagement seitens der Unternehmen, sondern auch eine aktive Rolle der relevanten Aufsichtsbehörden und Institutionen, um die Wirksamkeit des Gesetzes sicherzustellen.
Über die Autoren:
Eva und Oswald Neumann führen seit 32 Jahren gemeinsam die Neumann & Neumann Software und Beratungs GmbH im bayerischen Steingaden. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die intelligente Digitalisierung von Qualitätsprüfungen und -prozessen und ist in diesem Bereich Marktführer. Neumann & Neumann ist Anbieter der All-in-One-Software e-QSS und der e-QSS ServiceApp. Die im Qualitätsmanagement beliebte QM-Software kommt in über 100 verschiedenen Gewerken und in 80 Ländern zum Einsatz.
Kontakt: Neumann & Neumann Software und Beratungs GmbH | Tel. +49 8862 9870-0 | info@neumann-neumann.com | www.neumann-neumann.com
Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 01.07.2024
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