Die Demokratie braucht uns!
Wieso die Demokratie erfordert, dass wir aus unserer Komfortzone treten
Wann haben Sie das letzte Mal Ihre Meinung geändert? Erinnern Sie sich? Was hat Sie bewegt und letztlich umgestimmt?
Meinungen gehören zu uns wie unsere Gedanken. Wir ändern sie nur sehr selten und nur, wenn uns Menschen unseres Vertrauens bewegen.
Wenn es also so selten vorkommt, dass wir unsere Meinung ändern: Wie können wir dann erwarten, dass „die anderen" nur die richtigen Fakten bräuchten, um ihre Position zu ändern? Aus der Forschung zur Meinungsbildung weiß man: Je mehr wir mit der Meinung des Gegenübers konfrontiert werden, desto mehr beharren wir auf unserer eigenen Position. Die Distanz entsteht also in uns.
Was machen wir, wenn wir mit einigen Menschen deswegen nicht mal mehr die Demokratie teilen wollen? Kann es sich die Demokratie leisten, zwanzig oder dreißig Prozent der Menschen auszuschließen, wo demokratische Teilhabe doch ein Grundrecht ist?
Und schon sind wir mittendrin im Dilemma. In der Zerrissenheit der Gesellschaft. Seit dem Umgang mit der Pandemie, dem Angriff Russlands auf die Ukraine, dem Zuwachs der Migration, der Klimakrise weiß jeder aus seinem eigenen Umfeld, wie schwer es ist, sich zu einer anderen Position zu bekennen, als die der liebgewonnenen Freunde, Familienmitglieder, Nachbarn oder Kollegen. Lieber nichts sagen, als das Falsche zu riskieren.
Doch wer die Demokratie heute stärken will, der sollte da hingehen, wo es unangenehm ist. Jeder sollte jeden Tag seine Bubble verlassen und sich in die Schuhe eines anderen stellen. Mal in die der Verkäuferin an der Supermarktkasse, mal in die des Landwirts auf dem Acker, mal in die die der Politikerin. Heute stärken wir die Demokratie, indem wir ihre Werte möglichst täglich erfahren. Erinnern Sie sich an Ihr letztes demokratisches Erlebnis?
Jeder Mensch hat demokratische Veranlagungen. So wie er auch Muskeln hat. Doch wenn wir sie nicht trainieren, bleiben sie schlaff. Die Fähigkeit zuzuhören ist so ein Muskel. Die eigene Meinung zu hinterfragen auch.
Mehr Demokratie wurde gerade von der Landesregierung Brandenburg beauftragt, in jene Dörfer und Gemeinden zu gehen, wo die Menschen nicht mehr miteinander reden. Wir haben während der Pandemie das Gesprächsformat „Sprechen & Zuhören" entwickelt, das die Demokratie-Muskeln wieder zum Leben erweckt und die Menschen einander näherbringt. Nicht inhaltlich, sondern vor allem menschlich. Warum das funktioniert?
Weil vier wesentliche Punkte berücksichtigt werden:
- Jeder akzeptiert die Meinung des anderen und versucht sie nicht zu ändern.
- Jeder spricht nur über sich und wie es ihm in Bezug auf das gewählte Thema geht.
- Jeder hört drei Menschen zu, bevor er selbst spricht. Dafür wird er nicht unterbrochen oder kommentiert. Es wird ihm einfach zugehört.
- Es gibt klare Regeln, für deren Einhaltung die Moderation sorgt, sodass sich alle sicher fühlen können.
Das ermöglicht Vertrauen untereinander, sodass sich jeder einbringen kann, ohne bewertet zu werden. Menschen sehnen sich nach Gemeinschaft und Zukunft. Beides erleben sie in diesen Formaten, weswegen sie gerne wiederkommen.
Demokratie besteht einerseits aus Strukturen und Institutionen und andererseits aus den Umgangsformen der Menschen, die sie anwenden. Unsere Demokratie ist heute 75 Jahre alt. Ich bin überzeugt, dass sie die einzige Möglichkeit ist, die größtmögliche Zufriedenheit aller Menschen herzustellen. Und solange die größtmögliche Zufriedenheit aller Menschen noch nicht hergestellt ist, müssen wir die Demokratie weiter demokratisieren. Ich verwende gerne das Bild einer Entwicklungsskala von eins bis zehn. Jetzt befindet sich unsere Demokratie vielleicht auf der Stufe sechs. Aber wie kommen wir auf Stufe sieben oder acht?
Ohne uns, ohne Sie/Dich wird es nicht gehen. Die Demokratie braucht uns!
Claudine Nierth ist seit 1998 Bundesvorstandssprecherin des bundesweit arbeitenden Vereins Mehr Demokratie e.V.
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