Bildung, Kunst, Schönheit
Christoph Quarch wünscht sich in der Haushaltsdebatte einen neuen Blickwinkel
In der Ampel wird derzeit um den neuen Bundeshaushalt gerungen. Einmal mehr geht es um die Frage, wie der Staat mit seinen finanziellen Ressourcen umgehen sollte. Alle Ressorts melden dabei ihre Ansprüche an – nur eine Stimme ist dabei noch nicht zu Wort gekommen: die der Philosophie. Was haben Philosophen zum Thema Geld zu sagen? Und können sie uns dabei helfen, unser Geld auf eine sinnvolle Weise auszugeben? Darüber reden wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.
Herr Quarch, ein altes Klischee sagt: Geld und Philosophie passen nicht recht zusammen. Stimmt das überhaupt?
Mir fällt dazu eine Anekdote aus der griechischen Antike ein. Sie handelt von Thales von Milet, der gemeinhin als der erste Philosoph Europas gefeiert wird. Von ihm erzählte man, er sei einmal bei der Beobachtung der Sterne in einen Brunnenschacht gefallen. Daraufhin habe ihn eine thrakische Magd mit den Worten verspottet: „Weiser Thales, du verstehst dich auf die Dinge am Himmel, siehst aber nicht was vor deinen Füßen ist." Um diesem Spott zu begegnen, habe er wenig später seine Praxistauglichkeit unter Beweis stellen wollen. Durch seine meteorologischen Beobachtungen ahnte er, dass eine reiche Olivenernte bevorsteht. Er kaufte alle verfügbaren Olivenpressen und verdiente ein Vermögen. Kommentiert habe er das mit den Worten: Philosophen könnten reich sein, aber sie interessieren sich nicht für Geld.
Dann sind wir bei Ihnen an der falschen Adresse, wenn wir danach fragen, wofür man sinnvollerweise sein Geld ausgeben sollte?
Das würde ich so nicht sagen. Denn wie das Beispiel des Thales lehrt: Philosophen verstehen sich durchaus aufs Geld, nur ist es nicht ihr zentrales Thema. Aber wenn sie sich damit beschäftigen, dann fragen sie zunächst einmal: Was ist Geld überhaupt? Eine mögliche Antwort lautet: Geld ist potenzielle Energie – oder: Geld ist materialisierte Möglichkeit. Das heißt: Geld ist dadurch definiert, dass Sie etwas damit anfangen können. Für sich genommen ist es nutzlos. Sie können Geldscheine nicht essen und Kopfweh nicht bekämpfen, indem Sie Münzen schlucken. Aber Sie können sich damit Essen oder Tabletten kaufen. Das heißt: Der Sinn des Geldes besteht darin, es auszugeben.
Okay, aber das beantwortet nicht die Frage, wofür wir unser Geld ausgeben sollten.
Richtig, aber es scheint mir in Zeiten von schwarzer Null und Schuldenbremse trotzdem sinnvoll zu sein, an diese Binsenweisheit zu erinnern: Geld muss ausgegeben werden. Wer Geld hortet, entzieht es dem Wertschöpfungsprozess. Gespartes Geld ist streng genommen sinnlos. Außer, dass es einem das Gefühl der Sicherheit gibt – das vermeintliche Gefühl der Sicherheit, weil es verkennt, dass Geld in Wahrheit etwas höchst Fragiles und Flüchtiges ist. Sein Wert beruht ausschließlich auf dem Vertrauen derer, die mit ihm umgehen. Beispiel: Wenn eine Regierung erklärt: „Deine 100 Euro-Scheine sind aber morgen ungültig", dann können Sie nichts mehr damit anfangen. Deshalb: Geld muss fließen. Geben Sie es aus – und zwar für etwas, das die in ihm materialisierte Energie am Leben hält.
Wollen Sie damit sagen, man solle sein Geld am besten so anlegen, dass man damit noch mehr Geld verdienen kann?
Das wäre das Dogma des Kapitalismus. Und zugleich sein großer Irrtum. Geld ausgeben, um Geld zu verdienen, bedeutet: potenzielle Energie in potenzielle Energie investieren: Möglichkeit in Möglichkeit. So kommen Sie aber nie in die Wirklichkeit bzw. in die Realität: also dahin, wo das Leben stattfindet. Die Krankheit des Kapitalismus ist seine ständige Zukunftsfokussierung: Die Anleger werden blind für die Schäden, die sie ihm Hier und Jetzt anlegen. Nein: Gute Geldanlagen sind solche, bei denen die potenzielle Energie des Geldes in die schöpferische Energie des Geistes gewandelt wird. Das heißt: Investieren Sie in Bildung, in Kunst, in Schönheit: immaterielle Güter, die Menschen inspirieren und befähigen, neue Werte zu schöpfen. So wird die tote Energie des Geldes lebendig. Und das ist das Sinnvollste, was Sie mit Ihrem Geld anfangen können.
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."
In seinem neuen Buch "Begeistern! Wie Unternehmen über sich hinauswachsen" geht's um Fragen wie diese:
Wie kommt der Geist in unsere Unternehmen? – Durch Begeisterung! Und wie entsteht Begeisterung? Anders als die meisten glauben.
Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den Sonderteil „WIR - Menschen im Wandel".
Gesellschaft | Politik, 14.07.2024
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