Ein Fest für Frieden und Völkerverständigung
Christoph Quarch wünscht sich zu den olympischen Spielen eine Besinnung auf deren historische Tradition des Friedens und der Menschlichkeit
Am Freitag ist es so weit: Die Olympischen Sommerspiele in Paris werden eröffnet – mit einer Zeremonie, die alle Rekorde sprengen wird: Mehr als 600.000 Zuschauer werden erwartet, wenn die rund 10.000 Athletinnen und Athleten aus 206 Ländern in Schiffen über die Seine schippern. Nicht dabei sein werden allerdings Sportler aus Russland und Weißrussland; auch nicht die kleine Gruppe von Athleten, die an den Spielen teilnehmen dürfen, sofern sie unter neutraler Flagge antreten und auf alle nationalen Symbole verzichten. Begründet hat das IOC den Ausschluss Russlands mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine. War diese Entscheidung richtig? Und wieviel Politik verträgt Olympia? Darüber reden wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.
Herr Quarch, was ist eigentlich die Idee hinter den Olympischen Spielen?
Als Pierre de Coubertin am Ende des 19. Jahrhunderts für die Einrichtung der Olympischen Spiele der Neuzeit warb, ging es ihm um ein Fest für Frieden und Völkerverständigung. Diesen Anspruch hat das IOC seit seiner Gründung vor 130 Jahren nie aufgegeben; trotz zweier Weltkriege, trotz diverser Boykottmaßnahmen, trotz der umfassenden Kommerzialisierung der Spiele seit den 1980er Jahren. Und das ist gut so, denn nur so lässt sich der Name „Olympische Spiele" überhaupt legitimieren. Damit wird ja Bezug genommen auf die antiken Spiele, die über mehr als 1000 Jahre im griechischen Olympia von allen griechischen Stämmen gemeinsam gefeiert wurden. Darauf bezieht sich das Anliegen der Völkerverständigung. Bedauerlicherweise ist sonst von dem Spirit der antiken Spiele nicht viel übriggeblieben.
Wieso bedauerlicherweise?
Die antiken Spiele hatten einen religiösen Charakter. Sie waren Kultfeste zu Ehren des Zeus, bei denen es darum ging, das Wesen dieses Gottes erfahrbar zu machen: seine Stärke, Dynamik und Kraft. Deshalb wurde in Olympia auch nur der Erste prämiert: derjenige, der den Gott am besten vergegenwärtigte. Es ging darum, den nach Maßgabe des Gottes Besten zu ermitteln - und nicht herauszufinden, wer von den Menschen schneller oder stärker ist als ein anderer. Dieser religiöse Charakter gab den Spielen ihre enorme Autorität. Alle griechischen Stämme wollten und sollten daran teilnehmen; und damit das möglich ist, wurde um die Spiele herum für drei Monate der olympische Frieden verkündet, während dem alle kriegerischen Handlungen ruhen mussten. Und das Erstaunliche ist: Man hielt sich daran! Sogar die Perser unterbrachen ihren Feldzug, um die Griechen ihre Spiele austragen zu lassen.
Die antiken Spiele waren aber doch eine ziemlich elitäre Angelegenheit: Als Athleten kamen nur Aristokraten in Betracht, Frauen waren nicht zugelassen. Hat der von Ihnen gerühmte kultische Charakter nicht auch erhebliche Schattenseiten?
Aus heutiger Sicht können wir die antike Spielidee nicht mehr nachvollziehen – allein schon, weil wir unter dem Einfluss einer ganz anderen Religion stehen. Es geht mir deshalb auch nicht darum, die antiken Spiele wiederzubeleben. Mein Anliegen ist nur, in Erinnerung zu rufen, dass – ursprünglich; auch bei Coubertin – die olympischen Spiele einen spirituellen Hintergrund haben: einen Geist, in deren Namen sie ausgerichtet werden. Sie sind nicht bloß Unterhaltung, sondern sie sollen eine Idee transportieren; und zwar die Idee der Humanität, des Friedens und des guten Lebens, die die Griechen in Zeus verehrten. Ich würde mir wünschen, dass bei der Eröffnungsfeier gesagt würde: Wir versammeln uns hier im Geiste des Friedens und der Menschlichkeit; und wer dem nicht folgen will, der hat hier nichts verloren!
Das wäre aber doch ein klares politisches Signal, das weit über den spirituellen Anspruch hinausginge, den Sie zur Geltung bringen wollen.
Klar, aber was wäre das für ein Geist, wenn er nicht in die Politik hineinstrahlen würde? Ideen wie Frieden und Humanität sind unweigerlich politisch, zumal bei internationalen Spielen wie diesen. Es wäre eine Illusion zu glauben, man könne als Ausrichter der olympischen Spiele politisch neutral sein. Umso wichtiger ist es, diesen olympischen Geist – den man im Namen trägt – und dessen Werte in aller Klarheit zu kommunizieren und sich zu ihnen zu bekennen. Diesbezüglich hat Olympia einiges nachzuholen. Mir scheint aber, in Paris könnte ein erster Schritt in diese Richtung unternommen werden. Und das täte uns allen gut.
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."
In seinem neuen Buch "Begeistern! Wie Unternehmen über sich hinauswachsen" geht's um Fragen wie diese:
Wie kommt der Geist in unsere Unternehmen? – Durch Begeisterung! Und wie entsteht Begeisterung? Anders als die meisten glauben.
Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den Sonderteil „WIR - Menschen im Wandel".
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