Nach fünf Jahren intensiver Forschungsarbeit liefert das Circular-Flooring-Konsortium den Beweis, dass die Produktion von weichmacherfreien PVC-Rezyklaten aus alten Weichfußbodenbelägen möglich ist. Mit dem lösungsmittelbasierten Recyclingverfahren, das die vom Fraunhofer IVV und CreaCycle gemeinsam entwickelten CreaSolv®-Formulierungen (1) verwendet, lassen sich kritische Weichmacher aus alten PVC-Böden effizient entfernen. Das zurückgewonnene PVC-Material entspricht den Anforderungen der EU-Gesetzgebung (REACH) und kann demnach für die Produktion von neuen PVC-Böden verwendet werden. Damit unterstützt das Projekt die EU in ihrem Ziel, eine kreislauforientierte Wirtschaft in Europa zu etablieren. Darüber hinaus hat das Konsortium die technologische Machbarkeit des Verfahrens im Pilot-Maßstab nachgewiesen und damit die Skalierung in den kommerziellen Maßstab vorbereitet. Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising führte das Projekt gemeinsam mit zehn Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus fünf europäischen Ländern durch. Die Europäische Union förderte Circular Flooring mit rund 5,4 Mio. Euro aus dem Rahmenprogramm „Horizon 2020".
PVC (Polyvinylchlorid) ist ein sehr robuster Kunststoff, der sich aufgrund seiner Langlebigkeit für viele Anwendungen nachhaltig einsetzen lässt – unter anderen für Bodenbeläge für Wohn-, Gewerbe- und Industriezwecke. Allerdings können alte gebrauchte PVC-Böden problematische Weichmacher wie DEHP enthalten, die gemäß REACH-Verordnung (2) der EU in neuen PVC-Fußböden nicht mehr verwendet werden. Die einzige Möglichkeit zur Ausschleusung dieser Substanzen war bis jetzt die thermische Verwertung, was zur Verschwendung wertvoller Materialien führt.
Kritische Weichmacher erfolgreich neutralisiert
Das Circular-Flooring-Konsortium hat in seiner Forschungsarbeit gezeigt, dass recyceltes Material aus PVC-Bodenabfällen in den Produktkreislauf zurückkehren kann. Die Forschenden haben ein lösungsmittelbasiertes Recyclingverfahren für PVC-Bodenbeläge entwickelt, mit dem PVC von unerwünschten Weichmachern getrennt und zurückgewonnen wird.
Das PVC-Rezyklat kann erneut in Bodenbelägen eingesetzt werden. Um dieses Recycling zu erleichtern, wurden im Rahmen des Projekts neue maßgeschneiderte Additive und Stabilisatoren entwickelt.
Aufgrund der Anforderungen an die farbliche Qualität, die im Projekt nicht bearbeitet wurde, wird das Rezyklat nicht in der Decklage der PVC-Bodenbeläge verwendet, kann aber in nicht sichtbaren Lagen bis zu 100 % Neuware-PVC ersetzen, sogar in den „Luxury Vinyl Tiles", die sich derzeit zunehmender Beliebtheit erfreuen. Darüber hinaus können die abgetrennten, kritischen Weichmacher in unkritische, REACH-konforme Substanzen umgewandelt werden.
„Die im Pilot-Maßstab produzierte Qualität des PVC-Rezyklats ist sehr gut, entspricht den EU-Normen und ermöglicht die Wiederverwendung des Rezyklats in neuen PVC-Produkten", sagt Projektkoordinator Dr. Martin Schlummer vom Fraunhofer IVV. „Die Umwandlung der abgetrennten Weichmacher in REACH-konforme Produkte war auf chemischer Ebene komplexer, als wir es uns zu Beginn vorgestellt hatten. Doch am Ende haben wir es geschafft."
Neues Großtechnikum in Freising eröffnet
Nach der erfolgreichen labortechnischen Vorentwicklung hat das Fraunhofer IVV nach mehrjähriger Bauzeit Ende 2023 auf seinem Gelände in Freising ein Großtechnikum eröffnet, das im Circular-Flooring-Projekt genutzt wurde, um reine PVC-Rezyklate zu produzieren. Das Technikum kann aber auch von anderen Branchen wie z.B. der Automotive-, Verpackungs- oder Baubranche genutzt werden, um Rezyklatmengen aus lösungsmittelbasiertem Recycling zu testen und für industrielle Anwendungstests herzustellen. Das Großtechnikum wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, dem Fraunhofer IVV und im Rahmen von Circular Flooring von der EU gefördert.
Nachfrage nach recyceltem PVC-Material steigt
Das Circular-Flooring-Konsortium hat auch mit einer Marktstudie gezeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit bei Verbrauchern und Herstellern eine große Rolle spielt und die Nachfrage nach PVC-Rezyklaten steigt. Zudem gibt es in Europa genug Quellen für recycelbare PVC-Abfälle. „Die Infrastruktur für die Sammlung und Verarbeitung muss allerdings gerade für „post-consumer"-Fußbodenbeläge noch aktiviert, vernetzt und gestärkt werden", so Martin Schlummer.
Die Projektpartner haben auch in Bezug auf Wirtschaftlichkeit verschiedene Qualitätsnormen formuliert, untersucht und realistische „Business Cases" für die Produktion von neuen PVC-Bodenbelägen auf Basis von Rezyklaten beschrieben. Auch eine Ökobilanz wird im Rahmen des Projekts erstellt, um die Umweltauswirkungen des Verfahrens zu analysieren.
Beitrag zur Stärkung der europäischen PVC-Industrie
Dank der Forschungsarbeit in Circular Flooring gibt es nun einen neuen Weg, den Anteil von recyceltem PVC an der gesamten europäischen Kunststoffproduktion zu erhöhen. Das im Projekt entwickelte Verfahren bietet neben ökologischen auch wirtschaftliche Vorteile: Es stärkt die europäische PVC-Industrie und fördert das Schaffen neuer Arbeitsplätze im Recycling-Sektor.
Zum EU-Projekt Circular Flooring
Das von der Europäischen Kommission geförderte Projekt
Circular Flooring ist im Juni 2019 gestartet und erhält bis August 2024 rund 5,4 Mio. Euro Fördermittel aus Horizon 2020, dem Europäischen Rahmenprogramm für Forschung und Innovation. Ziel des Projekts war es, alte PVC-Bodenbeläge durch Lösen und Entfernen der kritischen Additive schonend zu verwerten und so neuwertiges PVC für die Anwendung in neuen Fußbodenbelägen zurückzugewinnen, sodass diese mit der EU-Gesetzgebung konform sind. Am Projekt beteiligen sich 11 Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Griechenland und Österreich. Koordiniert wird Circular Flooring vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising. Weitere Projektpartner aus Deutschland sind die Bayerische Forschungsallianz (BayFOR) GmbH, Sphera Solutions GmbH, Westlake Vinnolit GmbH & Co. KG, Lober GmbH & Co. Abfallentsorgungs-KG sowie die AgPR Arbeitsgemeinschaft PVC-Bodenbelag Recycling GbR.
Zur Bayerischen Forschungsallianz (BayFOR) GmbH
Die BayFOR unterstützte das Circular-Flooring-Konsortium erfolgreich bei der Erstellung des Antrags auf EU-Fördermittel. Als Projektpartner begleitete sie das Konsortium beim Projektmanagement und bei den Kommunikationsaktivitäten. Die vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst geförderte
Bayerische Forschungsallianz berät und unterstützt bayerische Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft umfassend beim Einwerben von europäischen Mitteln für Forschung, Entwicklung und Innovation. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem laufenden Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der EU
Horizon Europe. Die BayFOR ist Partner im
Enterprise Europe Network und in der
Bayerischen Forschungs- und Innovationsagentur.
Steckbrief:
Projektname: Circular Flooring (Finanzhilfevereinbarung Nr. 821366) - New products from waste PVC flooring and safe end-of-life treatment of plasticisers
Laufzeit: 06/2019-08/2024
Projektpartner:
- Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising, Deutschland
- Akdeniz Chemson Additives AG, Österreich
- Arbeitsgemeinschaft PVC-Bodenbelag Recycling GbR, Deutschland
- Bayerische Forschungsallianz GmbH, Deutschland
- European Resilient Flooring Manufacturers’ Institute, Belgien
- Institut National de l'Environnement Industriel et des Risques, Frankreich
- Katholieke Universiteit Leuven, Belgien
- Lober GmbH & Co. Abfallentsorgungs-KG, Deutschland
- National Technical University of Athens, Griechenland
- Sphera Solutions GmbH, Deutschland
- Westlake Vinnolit GmbH & Co. KG, Deutschland
Projektleitung: Dr. Martin Schlummer, Fraunhofer IVV
Programm: Horizon 2020
Gesamtprojektsumme: 5,4 Mio. Euro
Finanzierung: Europäische Union
Dieses Projekt wurde von der Europäischen Union im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 821366 gefördert. Die in diesem Projekt geäußerten Ansichten und Meinungen sind ausschließlich die des Autors/der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union und der REA wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können für sie verantwortlich gemacht werden.
Kontakt: Bayerische Forschungsallianz (Bavarian Research Alliance) GmbH, Natalie Tudman-Bless | tudman@bayfor.org | www.forschung-innovation-bayern.de