2. Süddeutscher Holzbau Kongress (SHK) in Stuttgart-Fellbach mit knapp 400 Teilnehmenden - Nachbericht

Gefordert: Vereinfachung des Bauregelwerks, damit die Transformation im Gebäudesektor vorankommt

Die Baubranche benötigt Impulse, damit es aus dem aktuellen Wohnungsneubau-Tal wieder aufwärts geht. Eine Botschaft zum Start des zweiten Süddeutschen Holzbau-Kongresses (SHK) von FORUM HOLZBAU mit 390 Teilnehmenden und 57 Ausstellern in Stuttgart-Fellbach lautet: die Anforderungen an das Bauen dürfen nicht zunehmen und die Baukosten für Wohnimmobilien, die sich seit 2010 nahezu verdoppelt haben, nicht weiter steigen. Aktuell veranlasst eine Überlagerung mehrerer Negativfaktoren Investoren und Projektentwicklern zum Rückzug aus zu vielen geplanten Projekten. Das hilft weder der Beschäftigung in der Baubranche noch hilft es gegen die Wohnraumknappheit.

© Süddeutscher Holzbau Kongress | FORUM HOLZBAU
Es sind aber eben nicht hohe Grundstückspreise, Lieferkettenstörungen, Inflation und die gestiegenen Kreditzinsen, die den aktuellen Abschwung der Neubautätigkeit in Deutschland ausgelöst haben. Auf einen speziellen bauspezifischen Faktor ging Prof. Stefan Krötsch von der HTWG Konstanz zum Einstieg in den Kongress ein. Neben Materialpreisen, Entsorgungskosten, Energiepreisen und Unternehmensgewinnen handelt es sich um die ständig steigenden Anforderungen beim Bauen, die über die Hintertür zu Gesetzen werden - oder zum erweiterten gesetzlichen Regelwerk hinzugefügt werden. Im mittlerweile überbordenden deutschen Bau-Regelwerk, das zwar für Rechtssicherheit sorgt, aber eben auch für Verteuerung, ist der Brandschutz ein Schwergewicht. Aber auch beim Schallschutz ließe sich das deutsche Anforderungsniveau absenken. In Österreich z.B. ginge es bedeutend einfacher, so Krötsch.

Weil die Transformation der Bauwirtschaft von fossil zu nachhaltig aber weitergehen soll, gleichzeitig aber niemand an einen raschen Bürokratieabbau (mit Verschlankung von Verwaltungen und weniger Gesetzen) glaubt, knüpfen sich nun einige Hoffnungen an den in mehreren Jahren ausgearbeiteten Vorschlag der Architektenkammern für eine Vereinfachung des Regelwerks. Durch die Verankerung eines „Gebäudetyps E" im Baugesetzbuch soll im Dickicht der Bau-Normen eine „Überholspur" geschaffen werden – ein Weg, auf dem man sich nicht an alle bestehenden Regeln halten muss. E steht für einfacheres, aber auch effizienteres Bauen, wobei experimentelle Ansätze (innovative Lösungen) ermöglicht werden sollen. Gebaut werden soll weiterhin im Rahmen der Bauordnung und unter Wahrung ihrer Schutzziele, allerdings mit einer größeren Risikobereitschaft der Baubeteiligten - unter der Einbeziehung ihres Verantwortungsbewusstseins. Entscheidend ist die Beschreibung der Beschaffenheit des geplanten Bauwerks.

Ein viel größeres Problem als die 16 unterschiedlichen Landesbauordnungen und technischen Baubestimmungen (TBB) zur Präzisierung der LBO’s in den Bundesländern ist der ungleich größere Bereich der „Anerkannten Regeln der Technik". Sie machten 90 % der Bauregeln aus, gegenüber einem Anteil von 10 % der TBB. Das sei viel mehr als das, was die Bundesländer ursprünglich mal als wichtig erachtet hätten (Mindestschallschutz z.B.): Die anerkannten Regeln sind das, was von einer „repräsentativen Mehrheit von Fachleuten als Stand der Technik angesehen wird": DIN-Normen, aber auch Fachregeln des Handwerks, die aber auch nicht unbedingt immer dem neuesten Stand der Technik entsprächen. Grundidee der Architektenkammern war, gegen diese ungenau formulierte Fachregeln vorzugehen, die im Streitfall der Baubeteiligten ohne Gutachter oft nicht mehr weiterhelfen.

Viele privatrechtliche Normen, die unter die „Anerkannten Regeln der Technik" geschlüpft sind, könnten vertraglich ausgeschlossen werden: Was wird tatsächlich gebraucht? Auf den Einzelfall abgestimmte Lösungen, und nicht das, was die Regeln vorsehen. Krötsch: „Bisher sind wir als Architekt damit beschäftigt, alle Auflagen zu erfüllen, die es so gibt." Und weil es ein „Angst-Raum" aus sich teilweise auch noch widersprechenden Regeln geworden sei, werde lieber „mit Gürtel und Hosenträger" gebaut, so Krötsch - und damit viel zu teuer. „Wir brauchen aber keine Angst-Räume, wir brauchen Möglichkeitsräume!" Denn wenn sich Baugruppen auf einen Mindestschallschutz einigten, müsse kein erhöhter Schallschutz umgesetzt werden. Auch beim Brandschutz, der Barrierefreiheit oder z.B. bei der Gebäudetechnik wären vereinfachte Lösungen möglich: Muss eine Heizanlage auf die zehn kältesten Tage im Jahr ausgelegt sein?

Bayern hat 19 Modellprojekte zum „Gebäudetyp E" veranlasst, in Baden-Württemberg ist der Weg zum Gebäudetyp E bereits juristisch geebnet. Und die Bauministerkonferenz hat den Bund gebeten zu prüfen, wie man kostendämpfendes Bauen juristisch unterstützen könnte. Aktuell liegt der Vorschlag einer BGB-Anpassung dem Bundesjustizministerium zur Begutachtung vor. Dort wird der Stellenwert der „Anerkannten Regeln der Technik" geprüft. Und die Baubranche – und damit auch der Holzbau - hofft auf eine Entscheidung, dass das Ministerium noch vor der Sommerpause die Möglichkeit der Abweichung von der Rechtstradition der „Anerkannten Regeln der Technik" schafft. Also eine Öffnungsklausel, dass bei Verabredung einfachen Bauens dieses dann auch in der Praxis gilt.

Krötsch: „Wir brauchen aber Handlungsfreiheit und Optimismus, denn es steht viel bevor: Wir müssen eine Bauwende in einem Ausmaß hinbekommen, wie wir uns das vor wenigen Jahren noch nicht vorstellen konnten."

Isabelle Bothe vom Wohnungswirtschaftsverband VWI Rheinland-Westfalen bestätigte ein erheblich gewachsenes Interesse der Wohnungswirtschaft am Baustoff Holz. Mit wellenförmigen Flüchtlingsbewegungen und durch den demografischen Wandel ist die Wohnungswirtschaft mit großer Nachfrage konfrontiert. Aber mit der Zinswende der EZB sei die Lage immer schwieriger geworden, auch für die sozial ausgerichtete Wohnungswirtschaft. Das Bauvolumen habe sich daraufhin massiv verringert.

Und auch der Paradigmenwechsel von Energieeffizienz zu Klimaneutralität sei für sie mit Konsequenzen verbunden. Aktuell liege der Fokus auf Heizung und Warmwasser. Wohnraumverfügbarkeit spiele eine große Rolle für die soziale Gerechtigkeit. Bothe wies auf den Zielkonflikt hin: Wohnraum zu schaffen, gleichzeitig den Gebäudebestand zu erhalten, der bis 2045 klimaneutral sein müsse. „Nicht nur die preis- und zinspolitischen Entwicklungen und die zunehmenden Anforderungen an die Nachhaltigkeit sind ein Hindernis, sondern auch die Unberechenbarkeit der normativen Rahmen- und Förderpolitik", so Bothe weiter - vor allem auf Bundesebene. „Die Anforderungen sind gestiegen, die Fördertöpfe aber nicht mitgewachsen. Die Förderkulisse muss erweitert werden, um die Transformation auch im Sinne der Mieter umzusetzen". Bei Vielen im politischen Geschehen sei noch nicht angekommen, was das für eine Mammutaufgabe sei - nicht nur der Neubau von Wohnraum, sondern vor allem auch die Sanierung der Bestände.

Emanuel Chibesakunda von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma PwC wies auf Auswirkungen der ESG-Transformation auf die Immobilienwirtschaft und die damit verbundenen veränderten Berichterstattungspflichten hin, konkret auf Verschärfungen der Regulatorik durch die CSRD-Direktive der EU, die mehr Nachhaltigkeit in Europa zum Ziel hat. Die Direktive gilt zunächst zwar nur für große Unternehmen, um mit diesen die dahinterstehende Logik zu testen und zu verbessern, aber ab 2026 sollen auch kleinere und mittlere Unternehmen des Mittelstands (KMU über 10 Beschäftigte) eingebunden werden. Daher sollten sich auch Mittelständler mit CSRD beschäftigen. Eine der Antworten auf die Herausforderungen ist ein Einstieg in die Kreislaufwirtschaft, also die Schaffung „enkelfähiger Projekte", wie es der PwC-Berater griffig verkürzte. Also solcher, die den nachfolgenden Generationen keine Bürden beim Umgang mit Problemmaterial aufladen, sondern die Weiterverwendung von Bauteilen ermöglichen. Allerdings drohen hier neue Regeln, die das wichtige Kreislaufthema eher verkomplizieren könnten.

Warum sich Developer momentan mit neuen Projekten so schwertun, dass erläuterte Bernard Egert vom Projektentwickler UBM aus Wien. Das Unternehmen wollte ursprünglich ab 2019 langsam auf den Nachhaltigkeitspfad und mehr Holzbau einschwenken. „Wer hat denn wirklich daran geglaubt, dass die ESG’s (Kriterien für nachhaltiges Wirtschaften) irgendwann Realität werden", fragte Egert, „…auch die UBM nicht". Der Hotelentwickler habe dann aber einen radikalen Schwenk vollzogen, bestärkt durch die Marktstörungen in der Corona-Pandemiezeit. Aktuell plane man begonnene Hotelprojekte zu Büros und Wohnraum mit möglichst viel Holzbauanteil um – im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit nicht immer die beste Lösung, aber der aktuellen Lage geschuldet. Und UBM will künftig nur noch Holzbau-Projektentwicklung machen, „weil man damit den größten Hebel hat, um im Bau CO2 einzusparen". Jeder sei angehalten, sich selbst mal ehrlich zu bewerten, ob er bei der Rettung des Klimas dabei sei oder nicht, sagte Egert.

Viele Entwickler seien aktuell mit Liquiditätsengpässen konfrontiert, weil sie kaum etwas verkauften, die Finanzierungen für neue Projekte teurer geworden sind und zusätzliches Kapital in laufende Projekte nachgeschossen werden müsse. Egert begrüßte aber den Decarbonisierungspfad der EU. „Endlich passiert mal etwas in Richtung Klimaschutz." Und es sei an der Zeit, den steinigen Pfad vorausschauend mitzugehen – oder man werde von anderen überholt, wenn man ihn nicht mitginge. Die Unternehmensverbände bemühten sich, ihre Mitglieder abzuholen, aber viele wollten von der Nachhaltigkeitsthematik einfach nichts wissen. Die Kreditwirtschaft habe seit 2015 ihr Investment in nachhaltige Projekte jedoch bereits verzwanzigfacht. Viele Unternehmen dürfte aber überraschen, was sie aufgrund des EU-Lieferkettengesetzes einhalten und wie viele Kennzahlen sie bereitstellen müssten. Wer das nicht mache, drohe im Kredit-Ranking zurückzufallen.

Über einen zweitägigen Baukongress mit seinem umfangreichen Programm weiter detailliert zu berichten, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen. Auszugsweise seien hier daher nur noch zwei Vorträge erwähnt. So empfahl David Renggli von Renggli Swiss den anwesenden Planern, ausführende Holzbaufirmen möglichst frühzeitig in die Projektplanung einzubinden, weil sich die Baukosten am ehesten in frühen Phasen beeinflussen ließen und man den Zeitvorteil durch nahtlose Vorfertigung nicht aus der Hand geben sollte. Das schlösse Preisvergleiche zwischen Anbietern nicht aus.

Uwe Wulfrath, Geschäftsführer einer kleineren kommunalen Wohnungsbaugesellschaft aus Tübingen, ging auf die Zielkonflikte ein, die sich im Mietwohnungsbau ergeben, wenn man dringend benötigten Wohnraum schaffen wolle, dies aber nicht mehr auf dem klassischen Weg über Abbruch und Neubau machen dürfe, weil es, wie z.B. im fertig bebauten Tübingen, keine neuen Flächen mehr gibt. Dann müsse man sich sehr genau überlegen, wie man denn neu baue. Kosten müssen an Stellen eingespart werden, dort wo es möglich sei. GWG-Geschäftsführer Wulfrath: „Wir leisten uns immer noch Gebäude mit Planungskosten in Höhe von 25 % der Herstellungskosten, weil Dinge immer wieder neu erfunden werden." Es gebe noch viel zu lernen, zu forschen und zu entwickeln. Benötigt würden Systeme, die nicht nur für ein Gebäude anwendbar seien. Materialien und Verarbeitungsmethoden würden sich ändern, in der Praxis des Bauhandwerks sei der Umgang damit aber noch nicht eingeübt.

Einen großen Hebel bei den Baukosten hätten die Gemeinderäte bei der Formulierung der Bebauungspläne in der Hand: mit der Zahl der Geschosse, den Baufenstergrößen und den Stellplatzschlüsseln. Und wenn Zertifizierungskosten (z.B. für ein QNG-Siegel) höher ausfielen als der daran geknüpfte Zinsvorteil, erweise das dem Umweltschutz letztlich einen Bärendienst. „Wenn wir ökologischer Bauen sollen, und das müssen wir, dann wird das mehr Geld kosten." Folglich werde Wohnraum teurer und würden auch die Mieten steigen. Wulfrath ist aber immer wieder irritiert, zu welchen Opfern viele Mieter für ein Auto bereit seien, gleichzeitig aber über die Kosten fürs Wohnen jammerten.

Die digitalen Tagungsunterlagen stehen auf der Seite forum-holzwissen.com zum Download zur Verfügung (nach Registrierung).
 
Der 3. Süddeutsche Holzbau-Kongress (SHK) von FORUM HOLZBAU wird am 2. und 3. Juli 2025 wieder in Stuttgart-Fellbach stattfinden

Über das FORUM HOLZBAU
FORUM HOLZBAU bzw. FORUM HOLZ ist eine gemeinsame Plattform der Aalto University School of Science and Technology Helsinki (FI), der Berner Fachhochschule (CH), der Technische Hochschule Rosenheim (DE), der Technischen Universität München (DE), der Technischen Universität Wien (AT) und der University of Northern British Columbia (CA). In Italien kooperiert man eng mit der Università di Trento:

Ziel und Aufgabe des Vereins ist die Förderung des Einsatzes von Holz im Bauwesen, überschüssige Mittel werden im Sinne der Holzwirtschaft für die Unterstützung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten von Studierenden eingesetzt:

Kontakt: FORUM HOLZBAU, Simone Burri | presse@forum-holzbau.com | www.forum-holzbau.com


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