Solarpionier Muhammad Yunus - Banker der Armen

Ein Hoffnungsträger lässt hoffen

Als in Bangladesch der Friedensnobelreisträger und Gründer der "Bank für die Armen" (Grameenbank), Muhammad Yunus, in diesen Tagen mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, sagte er: "Wir sollten in die Überwindung der Armut und in Klimaschutz investieren und nicht in Kriege und Waffen."
 
Professor Muhammad Yunus © Global Yunus Social BusinessIn den Armutsregionen unserer Welt herrscht ein Reichtum an Sonneneinstrahlung, aber ein Mangel an elektrischer Energie. Ein wesentlicher Grund für die Armut. Die glücklichsten Solarstrombetreiber habe ich in armen Ländern wie Indien, Bangladesch oder Somalia und Mali erleben dürfen.

Muhammad Yunus hatte - inspiriert vom deutschen "Solarpapst" Hermann Scheer - in Bangladesch nach seinem erfolgreichen Unternehmen Grameen Bank, der Bank für die Armen, das Sozialunternehmen Grameen Shakti gegründet (Shakti heißt Energie) und dafür gesorgt, dass in Bangladesch täglich 1.000 kleine Solaranlagen auf bescheidenen Behausungen installiert werden. Die neuen Besitzer dieser Solar Home Systems bezahlen dafür jeden Monat genau so viel wie sie bisher für die schmutzige Energie ausgaben, zumeist Kerosin oder Diesel. So gelang der Umstieg auf Solarenergie ohne jegliche Zusatzbelastung. Und diese Belastung reduziert sich in der Regel nach drei bis vier Jahren auf null, denn dann ist die Anlage abbezahlt und liefert noch Jahrzehne Strom - kostenlos, ein Segen für die Armen.

Grameen Shakti hat bis heute mehr als acht Millionen solcher Anlagen finanziert und installiert. Ferner bildet die Grameen Shakti viele Landfrauen zu Solartechnikerinnen aus. Mit seiner "Bank für die Armen" hilft Yunus hauptsächlich armen Frauen. Denn 96 Prozent seiner Kunden sind Kundinnen - und das in einem muslimischen Land. Allein das ist eine Revolution.

Ich fragte Yunus in einer meiner Fernsehsendungen, wie das zu erklären sei. Seine Antwort: "Frauen investieren primär in die Familie, in Kinder oder in ein kleines Geschäft, Männer eher in ein Motorrad oder in Zigaretten." So investiert die Solarwirtschaft Bangladeschs auch in die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie und die Grameen Bank in beispielhafte Gleichberechtigung. "Das ist der Einstieg in eine weltweite ökosoziale Marktwirtschaft," erklärte Muhammad Yunus als er in Oslo 2006 den Friedensnobelpreis erhielt.

Als ich dem Sozialunternehmer und Solarunternehmer Yunus 2010 in Valencia den "Solarworld Einstein- Award" überreichen darf, sagte er auch: "Wir haben so viele Probleme, dass wir uns entschieden haben, sie als Rohstoff für Innovationen zu betrachten."

Solarstrom war auch die Voraussetzung dafür, dass Muhammad Yunus die Bedeutung von Mobiltelefonen in den Armutsregionen der Welt erkennen konnte. Er gründete "Telenor", eine Art Genossenschaft, in der die Armen die Möglichkeit rascher Kommunikation erhielten. Das Geschäftsmodell war wiederum einfach: Kreditunternehmerinnen seiner Grameenbank verkauften Telefonminuten an Mitbewohnerinnen in ihren Dörfern. Diese konnten sich dadurch über angemessen Marktpreise und neue Vermarktungswege für ihre mit den Kleinstkrediten der Grameenbank hergestellten Produkte erkundigen.

Sie waren damit angeschlossen an eine neue Dimension von Informationen, Erfahrungen, Geschäftsmöglichkeiten und Lernen. "Telenor" hat inzwischen fast 80 Millionen Kunden und ist das größte Unternehmen Von Bangladesch. Millionen Arme erhalten Zugang zu den neuen Märkten.

Außerdem revolutionierte Yunus - was hier kaum jemand weiß - das Gesundheitssystem seines 170 Millionen Einwohner-Landes, was tausenden Menschen das Leben gerettet hat. "Grameen Health Care" ist heute der landesweit größte Ausbilder von Krankenschwestern und Arzthelferinnen.

Das erfolgreiche Lösungskonzept: Dorfhelferinnen in den ländlichen Regionen werden mit Hilfe von Smartphones durch städtische Ärzte an Gesundheitsdienstleistungen herangeführt und darin aus- und fortgebildet. Vorher kamen auf vier Ärzte - wie in vielen armen Ländern - nur eine Krankenschwester. Das heutige Gesundheitssystem ist wesentlich schneller, effektiver und kostengünstiger. Soziale Innovationen mit solarer Energie und unternehmerischer Phantasie zu kombinieren - ist die große und erfolgreiche Vision von Muhammad Yunus.

Als junger Fernsehreporter war ich 1971 zum ersten mal in Bangladesch - damals hatte dort eine Frau im Schnitt zwischen sechs und acht Kinder. Heute sind es noch 2,1. Energie ist ein wesentlicher Treiber zur Überwindung der Armut. Und Armut ist überall auf der Welt der wichtigste Grund für zu großen Kinderreichtum. Denn dank der Solarenergie können heute die meisten Kinder in Bangladesch in die Schule und damit die Armut hinter sich lassen. Vorher hatten sie am Abend kein Licht, um ihre Hausaufgaben zu machen. Tagsüber müssen Kinder aus Feld, damit ihre Familie nicht verhungert. Wenn Mädchen zur Schule gehen, erlernen sie danach einen Beruf und bekommen weniger Kinder als noch ihre Eltern oder Großeltern. Auf diese Zusammenhänge weist Yunus immer wieder hin.

"Forbess" nahm den Nobelpreisträger und Solar-Pionier Yunus in die Liste der "Zwölf größten Unternehmer der Gegenwart" auf und "Business Week" bezeichnete ihn als einen der "Fünf größten Unternehmer aller Zeiten". Er steht dafür, dass "Economy" und Ecology", "Social" und "Business" sowie "Tech Innovation" und "Social Innovation" nur zusammen wirklich erfolgreich sind. Muhammad Yunus ist ein ganz großer und wichtiger Gestalter einer besseren Welt. Er ist ein Glücksbringer im wahrsten Sinne des Wortes. Das "Wir" ist ihm wichtiger als das "Ich", betont der Professor für Wirtschaftswissenschaften und Sozialunternehmer, immer wieder.

Sein Resumee: "Es ist viel erfüllender und befriedigender, seine Tatkraft nicht nur für den eigenen Lebensunterhalt, sondern auch für das Gemeinwohl einzusetzen. Wenn ich für mich Geld mache, bin ich glücklich. Wenn ich aber andere Menschen glücklich mache, bin ich superglücklich. Man kann beides machen," so Yunus. Er ist nicht der reichste Banker der Welt, aber der erfolgreichste. Dafür hat er bereits jetzt ein dickes Konto im Himmel. Er hat mit seinen Mini-Krediten global Milliarden Menschen ein besseres Leben ermöglicht.

Es wird spannend sein, zu sehen, wie der neue starke Mann in Bangladesch seine Überzeugungen in Politik umsetzt. Ein Hoffnungsträger lässt hoffen. Der 84-Jährige drängt auf baldige Wahlen nachdem die autoritäre Regierungschefin und Yunus-Feindin Sheikh Hasina gescheitert und nach Indien geflohen ist: "Wirkliche Befriedung kann es nur mit freien Wahlen geben. Ohne Wahlen gibt es keinen Wandel."

Sein Antrieb zur Veränderung der Welt: "Armut ist künstlich geschaffen, sie ist nicht Teil der menschlichen Zivilisation, und wir können das ändern. Wir können Armut ins Museum der Geschichte stellen. Die Grameen Bank verleiht letztlich nicht Geld, sondern wir verleihen Würde. Die Armen brauchen nicht unser Mitleid und keine Geschenke. Sie brauchen Kredite, um sich selbst zu helfen. Das Recht auf Kredite ist ein Menschenrecht."
Franz Alt ist Journalist und Bestseller-Autor. Zusammen mit Michail Gorbatschow veröffentlichte er das Buch „Nie wieder Krieg – Kommt endlich zur Vernunft" . Zusammen mit dem Dalai Lama schrieb er: „Ethik ist wichtiger als Religion" und „Schützt unser Klima". Im Buch „Jesus – Liebe und Frieden sind möglich" führt er ein fiktives Interview mit Jesus über die Bergpredigt. Alle Bücher im Benevento-Verlag. Sein neues Buch ist im Herder-Verlag soeben erschienen: „Frieden ist noch immer möglich – Die Kraft der Bergpredigt".

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