Achtsamkeit, Fürsorge, Krisenintervention
Gesundheitsmanagement ist integraler Bestandteil eines glaubwürdigen Nachhaltigkeitsmanagements
Während viele Unternehmen Maßnahmen zur Förderung der körperlichen Gesundheit umsetzen, wird die mentale Gesundheit oft vernachlässigt. Dabei tragen Arbeitgeber Verantwortung für die mentale Gesundheit ihrer Beschäftigten, und Probleme in diesem Bereich können erhebliche Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden haben.
Gesundheitsmanagement ist integraler Bestandteil eines glaubwürdigen Nachhaltigkeitsmanagements. Dabei sollte nicht nur die Förderung der körperlichen Gesundheit, sondern auch die der mentalen Gesundheit in den Blick genommen werden. Wichtige Themen sind:
- Überlastung/Burn-out: Die steigende Arbeitsbelastung und der Druck, ständig erreichbar zu sein, können zu Burn-out führen.
- Fehlende Abgrenzung/ständige Verfügbarkeit: Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen zunehmend, insbesondere durch neue Arbeitsmodelle wie New Work und vermehrtes Arbeiten im Homeoffice, was zu sozialer Isolation und Mehrarbeit führen kann.
- Sinnhaftigkeit und Selbstwirksamkeit: Das Gefühl, dass die eigene Arbeit einen Sinn hat, und die Überzeugung, etwas bewirken zu können, sind entscheidende Faktoren für die mentale Gesundheit.
- Suchterkrankungen und Depressionen: Suchtprobleme und Depressionen können sowohl Ursache als auch Folge von mentalen Gesundheitsproblemen am Arbeitsplatz sein.
Arbeitgeber tragen grundsätzlich eine Verantwortung für die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden. Zudem ist häufig die Gestaltung der Arbeitszeiten und -prozesse Ursache einer Erkrankung. Dadurch haben Unternehmen eine ganz direkte Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen und vorzubeugen.
Mentale Gesundheit – nicht nur ein Kostenfaktor
Mentale Gesundheitsprobleme am Arbeitsplatz verursachen nicht nur menschliches Leid, sondern auch erhebliche Kosten für Unternehmen. Laut dem „Report Psychotherapie" 2020 der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung beliefen sich die therapeutischen Kosten auf 44 Milliarden Euro. Zusätzlich zeigt der Bericht, dass Deutsche im Vergleich zu anderen Europäer:innen etwas häufiger an psychischen Erkrankungen leiden. Im Jahr 2016 waren 18 Prozent der Bevölkerung in Deutschland betroffen, während der EU-Durchschnitt bei 17,3 Prozent lag. Zu den unmittelbaren therapeutischen Kosten kommen die Kosten durch Produktivitätsverluste, Fehlzeiten und Gesundheitsausgaben – insgesamt Milliardenbeträge pro Jahr.
COVID-19 hat das Bewusstsein für Verletzlichkeiten, aber ebenso für die Bedeutung guter Arbeit in ihrer sozialen Dimension gesteigert. Da Menschen seelisch oft im Stillen leiden, werden präventive Maßnahmen umso notwendiger. Laut Deutsche Bahn Stiftung haben rund 75 Prozent der psychischen Erkrankungen ihren Ursprung im Kindes- und Jugendalter – mit Folgen für das weitere Beziehungs- und Berufsleben. Gefährdeter sind sozioökonomisch benachteiligte Gruppen. Ein Grundsatz der globalen Nachhaltigkeitsziele ist Inklusion („leave no one behind") und das Ziel, mit nachhaltiger Entwicklung ein gutes Leben zu ermöglichen. Damit bekommen Prävention und Maßnahmen für mentale Gesundheit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe weiteres Gewicht.
"Durch die Integration von Maßnahmen zur Förderung der mentalen Gesundheit in das Nachhaltigkeitsmanagement können Unternehmen zur Gesundheit und zum Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden beitragen und langfristig wirtschaftlichen Erfolg und Zukunftsfähigkeit sichern."
Was können Unternehmen tun?
Um die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu fördern, können Unternehmen unterschiedliche Maßnahmen ergreifen. So können sie ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement implementieren, Führungskräfte im Umgang mit mentalen Gesundheitsproblemen schulen, eine gesunde Work-Life-Balance fördern und eine unterstützende Unternehmenskultur schaffen, in der Achtsamkeit und Fürsorge füreinander selbstverständlich sind.
Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe beispielsweise bieten ihren Mitarbeitenden Schulungen und Workshops zu Stressmanagement, Konfliktlösung und Förderung der psychischen Gesundheit an. Das kommunale Unternehmen legt Wert auf eine unterstützende Arbeitsumgebung, die den offenen Austausch fördert. Zusätzlich werden Beratungs- und Coaching-Angebote bereitgestellt.
Die Deutsche Bahn hat seit 2012 ein zugängliches und flächendeckendes Beratungsangebot zur mentalen Gesundheit aufgebaut. Das „Mitarbeitenden-Unterstützungsteam" (MUT) steht rund um die Uhr für Ratsuchende zur Verfügung. Erfahrene Psycholog:innen bieten vertrauliche Beratung für Mitarbeitende und ihre Angehörigen. Spezielle Programme unterstützen bei Traumatisierungen, Sucht und Depressionen.
Um seelischen Belastungen eine zusätzliche, leicht zugängliche und wirksame Ressource entgegenzusetzen, ist VAUDE
2021 Unternehmenspartner von REDEZEIT FÜR DICH gUG geworden. Durch das in diesem Rahmen bestehende professionelle Gesprächsangebot haben Mitarbeitende die Möglichkeit, sich in anonymen, empathischen und konzentrierten Einzelgespräche kurzfristig zu jedwedem Thema auszusprechen.
Betriebliche Ersthelfer:innen sind in Unternehmen Pflicht. Doch auch für mentale Gesundheit bieten verschiedene Organisationen Ersthelfer:innen-Schulungen an – zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) oder die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs). Es ist wichtig, dass diese Schulungen von qualifizierten Fachleuten durchgeführt werden, damit die Ersthelfer:innen lernen, angemessen auf psychische Krisen zu reagieren.
Blick in die Zukunft: von der kleinen zur großen Transformation
Wie wichtig der Faktor Mensch ist, zeigt der Sustainability Transformation Monitor, der als mehrjähriges Panel die transformative Kraft der Ausweitung europäischer Berichtspflichten misst. Durch die Integration von Maßnahmen zur Förderung der mentalen Gesundheit in das Nachhaltigkeitsmanagement können Unternehmen zur Gesundheit und zum Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden beitragen und langfristig wirtschaftlichen Erfolg und Zukunftsfähigkeit sichern.
Yvonne Zwick, Dipl.theol., ist Vorsitzende von B.A.U.M. e.V. Sie repräsentiert B.A.U.M. in den relevanten die Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie begleitenden Stakeholdergremien der Bundesregierung und hält verschiedene Beiratsmandate. Bis 2020 war sie Stellvertretende Generalsekretärin des Rats für Nachhaltige Entwicklung und Leiterin des Büro Deutscher Nachhaltigkeitskodex.
Antonia Thiele, M.Sc. Nachhaltigkeitswissenschaft, ist bei B.A.U.M. u.a. für die Auswahl und Betreuung von Freiwilligen und Praktikant:innen verantwortlich. Vor diesem Hintergrund hat sie sich kürzlich zur Ersthelferin für mentale Gesundheit (MHFA – Mental Health First Aid) weiterbilden lassen, um in (akuten) Krisensituationen Unterstützung anbieten und auf Hilfsangebote verweisen zu können.
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Wirtschaft | Führung & Personal, 30.08.2024
Dieser Artikel ist in forum 04/2024 ist erschienen - Der Zauber des Wandels erschienen.
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