Neue Schiffsantriebe in der Seeschifffahrt
Segel 2.0 & Co. revolutionieren die Schiffsfahrt
Die CO2-Emissionen der internationalen Schifffahrt tragen mit derzeit rund drei Prozent erheblich zur Klimakrise bei. Die International Maritime Organisation (IMO), eine Sonderorganisation der UN, setzt sich dafür ein, dass die Schifffahrt bis 2050 klimaneutral wird. Auch die EU strebt im Rahmen des Green Deal die Dekarbonisierung der Schifffahrt an.

Pioniere und neue Treibstoffe zeigen den Weg
Die zweitgrößte Container-Linienreederei Maersk hat mit den Containerschiffen Laura Maersk (2023) und Ana Maersk (2024) sowie der Bestellung einer großen Anzahl von weiteren Schiffen eine Vorreiterrolle beim Einsatz von Methanol im größeren Stil eingenommen. Reedereien wie Stena Line oder Marinvest setzten bereits sehr lange auf die Potenziale von Methanol und sind die wahren Pioniere der Technologie, haben anfangs aber kaum Nachahmer gefunden.
Auch Ammoniak kann bei 10 bar Druck oder nur -33 °C verhältnismäßig gut gelagert werden. Einer der Promotoren beim Einsatz dieses Brennstoffes ist die belgische Reedereigruppe CMB, welche in Kooperation mit Yara Clean Ammonia 2026 das weltweit erste Containerschiff in Fahrt bringen möchte, das mit Ammoniak fährt. Die Yara Eyde soll als Pilotprojekt dazu dienen, die Machbarkeit des Konzeptes zu beweisen und den Markt für Yara zur zukünftigen Lieferung grünen Ammoniaks als Schiffsbrennstoff zu aktivieren. Viele Motorenhersteller forschen bereits intensiv an Ammoniak-Motoren. Technische Herausforderungen sind beispielsweise die geringe Zündwilligkeit von Ammoniak und das Verhindern von stark klimawirksamen Lachgas-Emissionen (N2O) bei nicht optimalen Verbrennungsprozessen.
Technische Probleme und die Verfügbarkeit
Der Schiffsverkehr nimmt stetig zu ...
Weltweit hat der Seeverkehr über Jahrzehnte kontinuierlich zugenommen. Etwa 90 Prozent des Welthandels erfolgen auf dem Seeweg. Von etwa einem Drittel der weltweiten Schiffsbewegungen liegt der Ziel- oder Ausgangshafen in der Europäischen Union (EU). Nord- und Ostsee gehören damit zu den am häufigsten und dichtesten befahrenen Meeren der Welt. Beispielsweise durchqueren jährlich mehr als 30.000 Schiffe den Nord-Ostsee-Kanal, und etwa 2.000 Schiffe fahren täglich und zu jeder Zeit auf der Ostsee.
… mit dramatischen Folgen für die Umwelt
Die Meeresumwelt wird durch die Seeschifffahrt erheblich belastet. Umweltgefährliche Chemikalien im Schiffsanstrich, das Einschleppen von standortfremden Organismen als Bewuchs oder mit dem Ballastwasser, das Einbringen von Abwasser und Abfällen ins Meer, Schadstoffe aus Abgasen oder Ölverunreinigungen sowie Schiffslärm beeinträchtigen den Zustand der Meeresumwelt. So ist der Schiffsverkehr auf den Weltmeeren für circa drei Prozent der klimaschädlichen globalen CO?-Emissionen verantwortlich. Schätzungen deuten darauf hin, dass ohne politische Gegenmaßnahmen die CO?-Emissionen des Seeverkehrs in Abhängigkeit von der ökonomischen Entwicklung bis 2050 sogar um 50 bis 250 Prozent (1.407 bis 2.345 Mio. Tonnen) im Vergleich zu 2012 (938 Mio. Tonnen) ansteigen könnten (Third IMO GHG Study 2014). (Quelle: Umweltbundesamt (UBA)) |
Auch Wasserstoff wirft Probleme auf. Er muss entweder unter hohem Druck oder bei -253 °C gelagert werden, was große technische Herausforderungen mit sich bringt. Trotzdem umfassen die Tanks dann das ca. 8 bis 10-fache schiffbauliche Volumen von normalen Dieseltanks desselben Energiegehaltes. Dieser Herausforderung zum Trotz kündigt das niederländische Unternehmen Samskip an, mit dem Projekt SeaShuttle ein wasserstoffbetriebenes Containerschiff entwickeln zu wollen. In Deutschland verkehrt bereits zwischen Cuxhaven und der Ölplattform Mittelplate das Transportschiff Coastal Liberty, welches mit direkt in Cuxhaven produziertem Wasserstoff versorgt wird.
Doch die Verfügbarkeit der Brennstoffe im großen Stil ist heute noch die größte Hürde. Große Player wie Maersk oder CMB befassen sich mittlerweile selbst mit Projekten zur Herstellung und Beschaffung der grünen Brennstoffe und kaufen diese nicht mehr, wie zuvor, nur ein, um sich die Lieferketten und kalkulierbare Preise zu sichern. Ein großer Teil der Reedereien in Deutschland verchartert ihren Schiffsraum an die großen Linienbetreiber. Wer sein umweltfreundlicheres Schiff erfolgreich auf dem Charter-Markt anbieten will, muss sicherstellen, dass auf den Routen alternative Brennstoffe verfügbar sind und das Schiff somit genauso flexibel einsetzbar ist, wie eines mit konventionellem Antrieb.
CO2 auffangen und als Wertstoff verwenden
Bei der Frage, welche Brennstoffe sich letztendlich durchsetzen, ist es bei kohlenstoffbasierten Energieträgern eine entscheidende Frage, ob ausreichend Quellen für grünes CO2 für die Herstellung zur Verfügung stehen. CO2 ist nämlich nicht mehr nur ein Problem, sondern als Wasserstoffträger ein wichtiger und derzeit knapp werdender Rohstoff. Ein interessanter Lösungsansatz, der derzeit noch zu wenig Beachtung findet, ist deshalb das Auffangen des an Bord freiwerdenden CO2s, um es in den Wertstoffkreislauf zurückzuführen.
Noch nicht marktreif, aber sehr interessant für die Abscheidung von CO2 ist die Idee des Oxyfuel-Prozesses. Hierbei wird für die Verbrennung eines Kraftstoffes in einem (Diesel-)Motor nicht mehr Luft verwendet, sondern reiner Sauerstoff. Beim Betrieb des Motors entsteht damit sehr reines CO2 in hoher Konzentration, welches energieeffizient und mit technisch einfachen Mitteln aufgefangen und wiederverwendet werden kann. Der Oxyfuel-Prozess ließe sich auch gut zur dezentralen Produktion von konzentriertem CO2 an Land z.B. bei Biogasanlagen einsetzen.
Biotreibstoffe als einfacher Weg
Viele Reedereien gehen einfachere Wege und setzen zunächst auf Brennstoffe biogenen Ursprungs, wie z.B. FAME (Fatty Acid Methyl Ester = Biodiesel), da keine großen Investitionen in die Schiffe notwendig sind und FAME kostengünstig zu beschaffen ist. Diese Brennstoffe sind zwar nicht unbegrenzt skalierbar, aber faktisch heute am Markt bereits gut verfügbar. Sie bieten damit ein Potenzial für einige Übergangsjahre, müssen dafür aber in der Produktion weiter ausgebaut werden.

Zurück zum Wind
Segelantriebe, wie z.B. Flettner-Rotoren, erleben als Zusatzantriebe eine Renaissance, da die direkte Nutzung des Windes effizienter ist als die Umwandlung der Windenergie in Brennstoffe. Sehr innovativ ist das RoRo-Frachtschiff Canopée, welches Raketenkomponenten der Ariane 6 von Europa zum Startplatz in Französisch-Guayana transportiert. Als Hybridschiff verfügt es über zwei konventionelle Schiffsdiesel, aber zusätzlich über vier Masten, die ca. 1.500 m2 Segelfläche tragen. Nur mit Segelkraft werden bis zu 10 Knoten Fahrt erreicht, eine Reduzierung des Brennstoffverbrauches von ca. 30 Prozent ist damit in der Praxis bereits erreichbar.
Fazit: Zukünftig wird es daher, da sind sich die meisten Experten einig, einen Mix aus verschiedenen Brennstoffen und Antriebssystemen geben, ergänzt durch Zusatzantriebe. Eine sinnvolle Brennstoff-Strategie wäre es, perspektivisch auf Dual-Fuel-Motoren umzurüsten und neue Schiffe entsprechend vorzubereiten. So lange die grünen Brennstoffe noch nicht ausreichend verfügbar sind, sollten zunächst besser Biokraftstoffe wie FAME eingesetzt werden, als z.B. auf graues Methanol oder Ammoniak zu setzen, denn die alternativen Brennstoffe spielen erst dann ihre Vorteile aus, wenn sie nicht aus fossilen Quellen stammen.
Henning Edlerherr hat in Elsfleth Nautik studiert und ist selbst zur See gefahren. Heute ist er Projektmanager in der Geschäftsstelle Niedersachsen des Maritimen Clusters Norddeutschland in Elsfleth. Er befasst sich intensiv mit dem Themenfeld alternative Brennstoffe und innovative Antriebssysteme.
Technik | Mobilität & Transport, 01.09.2024
Dieser Artikel ist in forum 04/2024 ist erschienen - Der Zauber des Wandels erschienen.

Save the Ocean
forum 02/2025 ist erschienen
- Regenerativ
- Coworkation
- Klimadiesel
- Kreislaufwirtschaft
Kaufen...
Abonnieren...
02
APR
2025
APR
2025
5. Runder Tisch der Infrarotheizungsbranche
& Konferenz "Infrarotheizung: Wirtschaftlichkeit im Fokus"
97070 Würzburg
& Konferenz "Infrarotheizung: Wirtschaftlichkeit im Fokus"
97070 Würzburg
03
APR
2025
APR
2025
CSRD-Verschiebung & wirtschaftliche Unsicherheit - Was jetzt zählt
Auswirkungen verstehen, Chancen nutzen, wirtschaftlich erfolgreich handeln
Webinar
Auswirkungen verstehen, Chancen nutzen, wirtschaftlich erfolgreich handeln
Webinar
Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol
Politik

Christoph Quarchs Prüfsteine für die Vertrauenswürdigkeit von Politikern
Jetzt auf forum:
LVR-Kulturkonferenz 2025: Kultur. Nachhaltig. Wirtschaften. | Krefeld, 21. Mai
Friede sei mit uns – ein christlicher Wunsch!
Damen-Deodorant ohne Schadstoffe:
Product Compliance, Herstellerverantwortung und Nachhaltigkeit in einem Event
CBD: Anwendungsgebiete & therapeutisches Potenzial
Getriebeölwechsel bei Kleinwagen und Kompaktwagen
circulee stattet WWF Deutschland zukünftig mit grüner IT aus