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KlimaUnion-Gründer kehrt der CDU den Rücken

Warum Heinrich Strößenreuther die Union verlässt, den Grünen beitritt und für eine neue politische Haltung wirbt

Heinrich Strößenreuther zieht eine drastische Konsequenz: Er verlässt die CDU und tritt den Grünen bei. Mit seinem Schritt will er ein Zeichen setzen – für mutige Klimapolitik und gegen populistische Rhetorik. Im Interview mit forum spricht er über Prinzipien, Politikwechsel, die Zukunft des Klimaschutzes in Deutschland und die Chancen einer nachhaltigen wirtschaftlichen Transformation.

''Die Klimakrise duldet keinen Aufschub, und die CDU hat gezeigt, dass sie weder die Dramatik der Lage noch die Chancen und Risiken für die deutsche Wirtschaft verstanden hat.'' © Norbert Michalke / Volksentscheid Fahrrad
Herr Strößenreuther, soeben erreichte mich eine überraschende Nachricht: KlimaUnion-Gründer verlässt CDU und wirbt mit Eintritt bei den Grünen für Nachahmer. Was sind die Hintergründe?
Die Hintergründe sind klar: Die Klimakrise duldet keinen Aufschub, und die CDU hat gezeigt, dass sie weder die Dramatik der Lage noch die Chancen und Risiken für die deutsche Wirtschaft verstanden hat. Die populistische Rhetorik einiger Spitzenpolitiker und das Ignorieren wissenschaftlicher Fakten machen eine effektive Klimapolitik unmöglich und schadet der deutschen Wirtschaft, da die globale Transformation längst unterwegs ist. Das die Union in Summe auf die Erhaltung der Schöpfung pfeift oder sich nur lauf zu den gesetzlichen Klimazielen bekennt, zeigt sie, dass sie weder durch die originäre Begründung dahinter steht noch über den Umweg wirtschaftspolitischer Argumente. Die Spitze meint es nicht ernst – und da die Union eine Kanzlerpartei ist, tappern zu viele wie die Lemminge hinterher. Ich habe 2021 die KlimaUnion gegründet, um genau das zu ändern, doch nach fast vier Jahren sehe ich keine Fortschritte, leider eher noch Rückschritte. Mit meinem Wechsel zu den Grünen möchte ich ein Zeichen setzen: Jetzt ist die Zeit für konsequente Klimapolitik und wirtschaftliche Transformation – und ich möchte Menschen ermutigen, auch auszutreten und bei den Grünen einzutreten und aktiv für diesen Wandel einzutreten. 

Wieso verlassen Sie gerade jetzt die CDU, wo diese doch mit großer Wahrscheinlichkeit nach der Wahl Regierungspartei sein wird?
Ich verlasse die CDU gerade jetzt, weil die Entwicklung der letzten Monate alarmierend ist und mit der Veröffentlichung des Wahlprogramms den Schlussakkord setzte. Die zunehmenden rechtsradikalen Äußerungen, das bewusste Blinken nach rechts und die Trump’sche populistische Rhetorik einiger Spitzenpolitiker wie Friedrich Merz, Jens Spahn oder Markus Söder überschreiten für mich zu viele rote Linien. „Brot, Bett und Seife" – so überschrieb die AfD im Nazi-Jargon einen Bundestagsantrag; wortwörtlich landete diese Phrase ungeniert im Wahlprogramm der CDU.

Diese Haltung steht nicht nur im Widerspruch zu christlich-demokratischen Werten, sondern gefährdet auch die politische Kultur und den demokratischen Zusammenhalt in unserem Land. Eine Regierungspartei mit solch einer Ausrichtung sehe ich nicht als Lösung, sondern als Teil des Problems – insbesondere in einer Zeit, in der es um mutige, zukunftsgerichtete Entscheidungen gehen muss, von Klimapolitik ganz zu schweigen. An die staatstragende Haltung von Robert Habeck kommt mit Abstand aus der Union keiner heran – deshalb will ich mit meinen Möglichkeiten dafür sorgen, dass es hier mehr Rückhalt bei der Wahl gibt.
 
Sie treten damit in eine Partie ein, die bei Ihren (Ex-) Parteifreunden nicht sehr beliebt ist und gemäß CSU Chef Söder ein absolutes NO-Go für eine Koalition ist. Was wollen Sie damit signalisieren?
Mein Schritt soll Mut zur Haltung machen und vielen verdeutlichen, dass es um eine klare Gewissensentscheidung über die Richtung, die unser Land einschlagen muss, geht: ehrgeizige Klimapolitik und Anti-Rechtsradikaler Kurs oder eine Fossil-Konzern-Agenda, die dem Klima und der deutschen Wirtschaft schadet.

Im Übrigen verlor 2021 die Union eine Million Stimmen an die Grünen, wegen der unglaubwürdigen Klima- und Transformationspolitik der Union. Diese Wählerinnen und Wähler haben verstanden, was viele in der CDU-Führung bis heute nicht begreifen: Klimapolitik ist kein Randthema, sondern entscheidend für die Zukunft und den Fortbestand unserer Wirtschaft und Gesellschaft – in Deutschland und weltweit. Das Christdemokraten diesen Restanstand und christliche Verantwortung nicht aufbringen, enttäuscht abgrundtief.

Und dann noch zu #SöderDrischt und seinem Grünen-Bashing: Dass Markus Söder die Grünen zum absoluten No-Go erklärt, während er den Windkraftausbau in Bayern systematisch sabotierte, zeigt seine gefährliche Ablenkungsstrategie. Die bayerische Wirtschaft kritisiert mittlerweile seinen bisherigen Kurs, auch dafür habe ich im Auftrag von Protect the Planet nachgeholfen. Gleichzeitig gefährdet der Atomausstieg und steigende Gaspreise ein paar Branchen in Bayern. Davon lenkt er ab und drischt auf die Grünen ein. Denn mit Schwarz-Grün, wird es aus Transformationssicht zu Preiszonen kommen, zu höhere Strompreisen für Bayern und zu niedrigeren Strompreisen für die vorbildlichen Wind-Länder. Söders Wind-Sabotage-Politik der letzten Jahre ist für die Unternehmern existenzgefährdend, die sich nicht rechtzeitig um langfristig stabile Energiepreise durch Solar und Wind gekümmert haben. 

Mit meinem Wechsel signalisiere ich, jetzt empathisch Position zu ergreifen, sich vernehmbar hinter die Grünen und gute Klima-, Transformations- und Wirtschaftspolitik zu stellen und die Trump’schen populistischen Spielchen von CDU und CSU lächerlich zu machen. Denn jetzt ist die Zeit für eine mutige, faktenbasierte Politik, die der Dramatik der Klimakrise gerecht wird – und die wird es nur mit der Partei geben, die die Klimakrise in ihrer Dramatik verstanden hat.

Sie wollen nicht nur signalisieren, sondern werben sogar aktiv dafür jetzt zu den Grünen zu wechseln. Ist das eine Palastrevolution?
Ja, gerne auch eine Palastrevolution, aber eine, die genau jetzt notwendig ist. Viele in der CDU fragen sich bereits, ob sie den aktuellen Kurs mit ihrem Gewissen und ihrer Verantwortung vereinbaren können – sie stehen sprichwörtlich auf der Kippe. Ich möchte ihnen den Mut geben, auch die Handbremse zu lösen und sich einer Massenbewegung für echten Klimaschutz und zukunftsorientierte Transformations- und Wirtschaftspolitik anzuschließen.  

Neben Einzelaktionen geht es um eine kollektive Haltung: Wann, wenn nicht jetzt, in den Jahren, auf die es ankommt, die über die Zukunft unseres Planeten und unserer Wirtschaft bestimmen? Mein Schritt soll zeigen, dass wir gemeinsam die Richtung ändern können – hin zu einer Politik, die Verantwortung übernimmt und Lösungen schafft – und die gibt es zur Zeit nur bei den Grünen. Tretet ein und wählt mindestens Zweitstimme in Grün.

Was machen CDU / CDSU aus Ihrer Sicht falsch?
Die Union macht aus meiner Sicht den gleichen fundamentalen Fehler, sich wie schon 1998 in eine Oppositionsrolle zu flüchten, die von billigen Oppositions Reflexen geprägt ist – dieses Mal jedoch verschärft durch trumpsches Negativ-Campaigning vom Übelsten. Anstatt eine Paris-konforme und konstruktive Oppositionspartei zu sein, blockiert sie notwendige Fortschritte, verspielt ihre Glaubwürdigkeit und verbohrt sich faktenbefreit und emotional-ideologisch für die fossile Wirtschaft – und wird damit auf der falschen Seite der Geschichte stehen.

Hinzu kommt die fixe Vorstellung, dass Wirtschaft ausschließlich aus alten Großkonzernen besteht, die in fossilen Geschäftsmodellen noch ein paar Gewinne machen wollen. Dabei ignoriert die CDU, dass die tiefgreifende Basisinnovation mit günstigem Strom aus Solar, Wind und Speichern längst unterwegs ist und auch vor dem Standort Deutschland nicht Halt macht. Die Frage ist nur noch, ob die deutsche Wirtschaft mitspielen will oder zu den globalen Verlierern gehören will. Denn hier entstehen nicht nur wirtschaftliche Chancen, sondern auch die neuen Geschäftsmodelle, die unsere Zukunft sichern. Doch anstatt diese Potenziale zu fördern, klammert sich die Union an veraltete Konzernstrukturen und gefährdet damit mittel- bis langfristig den Wirtschaftsstandort Deutschland.
 
Wofür werden Sie sich nach Ihrem Parteiwechsel einsetzen und werden Sie eine aktive Rolle bei den Grünen übernehmen?
Meine Hauptaktivitäten liegen gerade in einem Volksentscheid in Berlin für ein Klimaanpassungsgesetz sowie dem Aufbau eines Trainingsprogramms für den Windrat von Protect the Planet für Bürgermeister und Landräte, ein Learning u.a. auch aus meiner Osttour, mit der ich 20 ostdeutsche CDU-Landkreise abgeklappert habe, um für die Transformation mit seinen regionalwirtschaften Konjunkturimpulsen zu werben. Ich bin weder in die CDU noch jetzt bei den Grünen eingetreten, um Amt oder Mandat zu übernehmen. Werde ich jedoch gebraucht, würde ich zur Verfügung stehen. 

Wofür ich mich kommunikativ bei den Grünen einsetzen werde, ist das Ur-Thema Klima und Umwelt wieder zum Thema Nr. 1 zu machen. Vor Weihnachten hatte ich eine Umfrage beauftragt und veröffentlicht, die sowohl von allen Wählern als auch von Grünen sehr klar zu erkennen gibt, dass die Grünen sich vor allem auf Klima-, Energie- und Verkehrspolitik und eher mit Prio B auf Sozial-, Steuer- und Migrationspolitik fokussieren sollen. Will man Wechselwähler gewinnen, dann mit diesem Fokus.
 
Doch nun weg von Wahlkampf und Parteienwahl und zurück zu dem, wofür man Sie kennt: Die Initiative clevere Städte, ein Probono-Projekt der Agentur für clevere Städte. Was planen Sie hier als nächstes und was haben clevere Städte mit Klimaschutz zu tun?
Leider werde ich mich wieder liebevoll um Berlin und dessen antiquierte CDU-Verkehrspolitik kümmern müssen: den einen oder anderen Radweg verteidigen, aber auch neue innovative Campaigning- und Aktionsansätze entwickeln. Ergänzend gilt es, den politischen Rückhalt und Druck von der Straße für unsren Volksentscheid Baum aufzubauen, der mit dem Entwurf eines Berliner Klimaanpassungsgesetzes für eine Millionen gesunde Straßenbäume, 1000 Miniparks, 100 Grünflächen und um zwei Grad gekühlte Hitzeviertel sorgt. Ergänzend versuche ich mit Workshops und Vorträgen zu unsrem Buch „Die Verkehrswesen – miteinander den Kulturkampf beenden" für mehr Verständnis, besseres Change-Design und mehr Erfolg in der Verkehrspolitik zu sorgen.

War clevere Städte bislang die simple Übersetzung für Smart Cities, steht tatsächlich dahinter, dass mit gutem Klimaschutz und rechtzeitiger Klimaanpassungspolitik das Leben in Deutschland billiger und morgen noch erträglich wird – sowohl in der Stadt als auch auf dem Land.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Strößenreuther, und viel Erfolg auf Ihren neuen politischen Wegen! 

Kontakt: Heinrich Stößenreuther | www.clevere-staedte.de/Heinrich_Stroessenreuther


Gesellschaft | Politik, 13.01.2025

     
        
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