Mehr Demokratie in kommenden Krisen

Christian Felber stellt sein neues Buch „Lob der Grundrechte“ vor

Zum 5. Jahrestag des Ausbruchs der Corona-Pandemie fordert der Publizist Christian Felber eine grundlegende Stärkung der Demokratie und besseren Grundrechtsschutz für künftige Krisen. Eine Buchbesprechung, Analyse und konkrete Verbesserungsvorschläge, ergänzend zu dem Artikel "Lehren aus der Pandemie", erschienen in der forum-Ausgabe 02-2025.

Über das Buch "Lob der Grundrechte"

Stabile Grundrechte sind das zentrale Erkennungsmerkmal und historisches Alleinstellungsmerkmal von Demokratien. Sie wurden in jahrhundertelangen Kämpfen formuliert, proklamiert und schließlich in internationalen Abkommen und nationalen Verfassungen verankert. Einige von ihnen sind unantastbar wie die Menschenwürde, der Einschränkung der anderen sind enge Grenzen gesetzt. In den letzten 250 Jahren ergab sich ein wachsender Stellenwert, eine steigende Anzahl und eine abnehmende Einschränkbarkeit. Gemäß Verfassungsjurist*innen bilden Grund- und Menschenrechte das Fundament von Rechtsstaat und Demokratie.

Seit einiger Zeit jedoch gerät dieser Trend ins Stocken. Im Zuge der Covid-19-Pandemie kam es zu den massivsten Grundrechtseinschränkungen seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes. Die Gesellschaft stand unter Schock, Ängste dominierten die Politik, der öffentliche Diskurs wurde zum Krieg. Jede 5. Freundschaft zerbrach, das Vertrauen in den Staat und öffentliche Institutionen wurden erschüttert. Heute wird klar: Viele Grundrechte wurden unverhältnismäßig eingeschränkt, Freiheiten übermäßig beschnitten. Die wissenschaftliche Evidenz der meisten Maßnahmen war nicht gegeben, und sie verursachten zahlreiche Kollateralschäden, die auch der Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr schadeten als nützen. Ein Blick nach Schweden, wo die Übersterblichkeit ohne Lockdowns über den gesamten Pandemizeitraum geringer ist als in Deutschland, oder nach Slowenien, wo der Verfassungsgerichtshof viele Maßnahmen aufhob und alle Corona-Strafen zurückgezahlt wurden, zeigt, dass es Alternativen gibt.

Christian Felber nimmt die Erfahrungen während der Covid-19-Pandemie zum Anlass, die Anker der Demokratie für kommende Krisen fester zu vertäuen. Zu den konkreten Vorschlägen zählen ein demokratisches Krisenmanagement, ein Verzicht auf Notstandsgesetze, die Ausweitung krisenfester Grundrechte, die Nachschärfung der Verhältnismäßigkeitsprüfung und die Proklamation neuer Grundrechte, wie zum Beispiel ökologische Menschenrechte. Das Buch macht auch konkrete Vorschläge zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts, für gute Wissenschaftskommunikation sowie für einen wertschätzenden öffentlichen Diskurs mit Fokus auf Zuhören und Respekt vor der anderen Meinung.
 

Vier Blitzlichter: Analyse und Verbesserungsvorschläge für die Zukunft 

 Analyse

 Lehren für Demokratie und Grundrechte

1. 25 Grundrechte eingeschränkt
Bisher ohne Präzedenz in Demokratien in Friedenszeiten, wurden während der Covid-19-Pandemie 25 Grundrechte eingeschränkt: die Menschenwürde wurde verletzt, wenn alte Menschen einsam starben; das Recht auf Leben wurde eingeschränkt, wenn Kranke keine Behandlung erhielten; Test-, Masken- und Impfpflicht verletzten die Unversehrtheit; Kinder verloren ihr Recht auf Bildung sowie das Recht auf Spiel und Freizeit; Lockdowns, Bezirksquarantänen und Grenzschließungen beendeten Freiheit und Freizügigkeit.
 1. Demokratie und Grundrechte stärken
In zukünftigen Krisen sollte es keinen Notstand und keine notstandsgleichen Gesetze wie das Infektionsschutzgesetz mehr g vaeben. Einige Grundrechte könnten absolut werden, z.B. das Recht auf Unversehrtheit. Die Inanspruchnahme eines Grundrechts darf nicht an den Verzicht auf ein anderes bedingt werden. Die Grundrechtsprüfung sollte verschärft und Maßnahmen befristet werden. Ein demokratischer Krisenrat könnte mit einem Veto gegen Grundrechtseinschränkungen ausgestattet werden.
 2. Enorme Kollateralschäden
Noch länger ist die Liste der durch Maßnahmen verursachten Schäden: die psychische Gesundheit verschlechterte sich insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. In den wohlhabenden Ländern führte dies zu Gewichtszunahmen, gleichzeitig stieg die Zahl der Hungernden infolge der Lockdowns um rund 100 Millionen. In Deutschland ging jede 5. Freundschaft zu Bruch, die häusliche Gewalt nahm zu, der Gender-Pay-Gap weitete sich, die Ungleichheit explodierte und das Vertrauen in die öffentlichen Institutionen nahm drastisch ab.
 2. Verhältnismäßige Maßnahmen
In kommenden Krisen und Pandemien müssen die bestehenden Pandemiepläne und die Grundprinzipien des Krisenmanagements eingehalten werden: Ängste abbauen und Reserven aufbauen. Auch die Gesundheitsziele, die ganzheitliche Gesundheitsdefinition der WHO und die Regeln für Gesundheitskommunikation müssen wieder gelten. Vor neuen Maßnahmen müssen Gesundheitsfolgenabschätzungen vorgenommen und die erwarteten Nutzen verpflichtend gegen die erwarteten Schäden abgewogen werden.
 3. Keine wissenschaftliche Evidenz
Die harten Maßnahmen standen nicht in den Pandemieplänen, der Begriff Lockdown kommt aus dem Gefängnismanagement. Viele Maßnahmen beruhten nicht auf wissenschaftlicher Evidenz, die RKI-Protokolle belegen in vielen Fällen sogar das Gegenteil. Bei keiner Grundrechtseinschränkung wurde eine Gesundheitsfolgenabschätzung vorgenommen. Die Leopoldina und prominente Wissenschaftler*innen verstießen gegen die Regeln der Wissenschaftskommunikation, als sie Lockdowns als alternativlos darstellten.
 3. Realistisches Wissenschaftsverständnis
Die Grundregeln der Wissenschaftskommunikation müssen eingehalten werden. Unsicherheit ist zu kommunizieren, bei uneinheitlichen Ergebnissen ist die gesamte Bandbreite darzulegen, z.B. bewertete Christian Drosten Covid-19 16mal gefährlicher als die Grippe (auf Basis eines Preprints), sein Charité-Kollege Stephan Willich als „etwas gefährlicher". Grundrechte dürfen nur auf Basis solider wissenschaftlicher Evidenz eingeschränkt werden - liegt sie nicht vor, muss ein gelinderes Mittel gewählt werden.
 4. D-Waffen, Faktenchecks & Cancel Culture
Der zivilisierte öffentliche Diskurs wandelte sich in einen Diskurskrieg. Medien polarisierten in Maßnahmenbefürworter*innen und -gegner*innen. Jede Differenzierung verschwand. Menschen mit anderer Meinung wurden als „Covidioten", „Corona-Leugner", „Verschwörungstheoretiker", „Aluhutträger" u. a. diskreditiert. Menschen mit anderer Meinung wurden nicht am Diskurs und am Ringen um eine gemeinsame Lösung beteiligt. Der Meinungskorridor wurde immer enger, auf Kosten der Meinungsfreiheit.
 4. Neue Diskursethik in den Medien
Die Medien sollten den Diskurs über aktuelle Themen differenzieren statt polarisieren. Diskreditierende Etiketten müssen verbannt werden, die Cancel Culture muss ebenso ein Ende finden wie der Aufbau neuer Feindbilder („Querdenker", „Verschwörungsideologen"). Die Figur der „Faktenchecker" ist zu überdenken und zu trennen von der – legitimen – Verfolgung illegaler Inhalte. An moderierten Runden Tischen sollte Respekt vor der anderen Meinung und gewaltfreie Kommunikation eingeübt werden.

Bestellen Sie hier die forum-Ausgabe 02-2025 mit dem Artikel "Lehren aus der Pandemie", mit einem Interview mit Christian Felber.

Kontakt: Christian Felber | info@christian-felber.at | christian-felber.at


Gesellschaft | Politik, 31.01.2025

     
        
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