Bodendegradation
Der stille Killer unserer Zukunft
Die Zerstörung unserer Böden schreitet in alarmierendem Tempo voran. Wissenschaftler*innen warnen, dass bis 2050 ganze 95 Prozent der Böden weltweit degradiert sein könnten. Jährlich gehen dabei etwa 24 Milliarden Tonnen fruchtbaren Bodens verloren, hauptsächlich aufgrund nicht nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken sowie durch Stürme und Starkregenereignisse. Neue Daten verdeutlichen diese besorgniserregende Entwicklung.

Auswirkungen in Deutschland und weltweit
Auch in Deutschland und Europa sind die Folgen schon spürbar. Laut einer Studie der Universität Trier aus dem Jahr 2023 sind mindestens 19 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland bereits von starker Bodendegradation betroffen. Besonders schlimm ist die Situation in Katalonien, Spanien, wo Dürren die Landwirte in die Knie zwingen. „Seit drei Jahren geht es uns sehr schlecht. Wir können nicht mehr, die Anstrengungen des ganzen Jahres sind umsonst", berichtet Jaume Gardeñes, ein katalanischer Landwirt. Auch Alfonso Chico de Guzmann, forum Partner und Mitglied im Alvelal Regenerationsprojekt in Andalusien (siehe forum Ausgabe 04/2017) erzählt: „Alles, was wir in den letzten beiden Jahren gepflanzt haben, ist vertrocknet. Zusätzlich wurden wir von zwei Starkregenereignissen heimgesucht, die eine starke Erosion zur Folge hatte. Eine Katastrophe für unsere Bemühungen."
Ein Beispiel außerhalb Europas: Die indische Stadt Bengaluru, die wegen ihrer üppigen Wälder einst als „Indiens Gartenstadt" bekannt war, sieht sich derzeit aufgrund von Dürreperioden mit einer schweren Wasserkrise konfrontiert. „Wir hätten uns nie vorstellen können, in unserer modernen Stadt eine solche Krise zu erleben", klagt der 32-jährige Wirtschaftswissenschaftler Rahul Sinha, dessen Familie mittlerweile Grauwasser für den Alltag recycelt.
Die Ursachen der Bodendegradation sind vielfältig, eine wesentliche Rolle spielt jedoch die intensive Landwirtschaft. Hoher Dünger- und Pestizideinsatz, Monokulturen, Bodenverdichtung durch schwere Maschinen und eine übermäßige Viehdichte haben die Erträge um durchschnittlich 20,3 Prozent gesteigert, aber die Biodiversität um 8,9 Prozent reduziert, wie eine Metastudie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zeigt. Diese intensiven Praktiken führen dazu, dass Böden schneller ausgelaugt und anfälliger für Erosion werden – mit fatalen Folgen für die Wasserspeicherung und den Nährstoffgehalt.
Lösungsansätze und politische Forderungen

Die Bewegung „Save Soil" macht deutlich: Wir brauchen dringend einen Wandel hin zu regenerativer Landwirtschaft, um die organische Substanz und damit die Gesundheit unserer Böden zu erhalten. Dieser flexible Ansatz, der wissenschaftlich fundierte Methoden integriert, fördert das Bodenleben und die Biodiversität. Langfristig werden durch eine regenerative Landwirtschaft die Erträge stabiler, und positive Effekte auf Kohlenstoff- und Wasserkreislauf sowie die Artenvielfalt lassen sich erzielen.
Eine Studie des Naturschutzbund Deutschland (NABU) zeigt, dass regenerative Landwirtschaft nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch Vorteile bietet: Jährlich könnten bis zu 8,5 Milliarden Euro an ökologischem Nutzen generiert werden, während landwirtschaftliche Betriebe ihre Gewinne um bis zu 60 Prozent steigern könnten. Zudem sinken die Risiken in der Lebensmittelherstellung und im Einzelhandel um bis zu 50 Prozent.
Zudem ermöglicht die regenerative Landwirtschaft eine wachsende Unabhängigkeit der Landwirt*innen von der Agrarindustrie und könnte die deutsche Wirtschaft von Gasimporten für die Produktion von Kunstdünger entlasten. Vor allem aber könnten sie den Trend der Bodendegradation umkehren, Dürren verhindern und Leben retten – weltweit.
Über eine Milliarde junge Menschen unter 25 Jahren leben in Ländern im Globalen Süden, insbesondere in Regionen, die direkt von Land und natürlichen Ressourcen abhängig sind. Eine tragfähige und bewährte Methode, um für diese Menschen Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, besteht darin, ihnen die Chance zu geben, Öko-Unternehmer zu werden. Jeder Dollar, der in die Landwiederherstellung investiert wird, kann bis zu 30 Dollar an Erträgen bringen.
Internationale Initiativen zur Rettung der Böden
Anlässlich des 30. Jahrestages des UN-Übereinkommens über Dürre und Wüstenbildung (UNCCD) und des Welttages zur Bekämpfung von Wüstenbildung und Dürre am 17. Juni, veröffentlichte Save Soil eine Karte, die das Ausmaß der Bodendegradation veranschaulicht. Diese Karte, basierend auf Daten des UNCCD und der Global Environment Facility (GEF), zeigt, wie viel – oder eher wenig – fruchtbares Land bis 2050 noch übrig sein könnte.
Die UN-Konferenz über Land und Dürre (UNCCD COP16), welche vom 2. bis 13. Dezember 2024 in Riad, Saudi-Arabien, stattfindet, wird als entscheidender Moment angesehen, um das Thema Bodengesundheit ganz oben auf die globale Agenda zu setzen. Ibrahim Thiaw, der Executive Secretary der UNCCD, warnt: „Bis zu 40 Prozent des weltweiten Bodens sind bereits degradiert, wovon fast die Hälfte der Menschheit betroffen ist. Doch die Lösungen liegen auf dem Tisch. Die Wiederherstellung von Land befreit die Menschen aus der Armut und stärkt die Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel. Es ist an der Zeit, sich für Land einzusetzen und dem weltweiten Landverlust und der Landdegradation die rote Karte zu zeigen." Die „Save Soil"-Initiative hat für 193 Länder einen Katalog nachhaltiger Bodenbewirtschaftungspraktiken erstellt, der über ihre Website www.consciousplanet.org öffentlich zugänglich ist. Regierungen und Beschäftigte in der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung weltweit müssen jetzt handeln, um die drohende Bodenkrise abzuwenden und eine nachhaltige Zukunft zu sichern.
Bodendegradation
Definition und Ursachen
Bodendegradation bezeichnet die Verschlechterung der ökologischen Funktionen und Dienstleistungen des Bodens bis hin zu deren völligem Verlust. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) tragen sechs spezifische Phänomene zu dieser Entwicklung bei: Wassererosion, Winderosion, Vernässung und Versalzung, chemische Degradation, physikalische Degradation und biologische Degradation. Im Gegensatz zum umfassenderen Begriff der Desertifikation bezeichnet die Bodendegradation hauptsächlich den Verlust der Fruchtbarkeit und Produktivität des Bodens. Obwohl natürliche Ursachen eine Rolle spielen können, ist die Bodendegradation zunehmend durch menschliche Aktivitäten bedingt. Einseitiger Anbau, falsche Bewässerung, übermäßiger Einsatz von Pestiziden, intensive landwirtschaftliche Nutzung und übermäßige Beanspruchung des Bodens stören das biologische Gleichgewicht und können Böden unbrauchbar machen.
Gesunder Boden – gesunder Mensch
Eine kürzlich veröffentlichte Analyse der Save-Soil-Bewegung zeigt, dass gesunde Böden nicht nur für ein intaktes Ökosystem und die Ernährungssicherung essentiell sind, sondern auch für die physische und psychische menschliche Gesundheit. Intakte Böden sichern so beispielsweise die Nährstoffqualität von Lebensmitteln und verringern das Risiko von Mangelernährung. Außerdem unterstützt ein gesunder Boden das Mikrobiom und die psychische Gesundheit, indem er Lebensmittel produziert, die wichtige Mikronährstoffe enthalten.
Die Thematik wird zudem ausführlicher in der nächsten Ausgabe von forum Nachhaltig Wirtschaften (02/25) behandelt.
Nützliche Links für Landwirt*innen
- In der Studie des NABU werden Möglichkeiten und Maßnahmen für Landwirt*innen, Zulieferer landwirtschaftlicher Betriebsmittel, Beschäftigte in der Agrarverarbeitung, der Lebensmittelindustrie und im Einzelhandel, in Bildungseinrichtungen sowie für politische Entscheidungsträger*innen vorgestellt, um die regenerative Transformation möglichst schnell voranzutreiben.
- Katalog mit über 700 nachhaltigen Bodenbewirtschaftungspraktiken
Johanna Schwarz ist Redakteurin bei forum und betreut unter anderem die Themenschwerpunkte Kreislaufwirtschaft, Gesellschaft & Soziales sowie Solutions & Start-ups.
Umwelt | Wasser & Boden, 16.11.2024
Dieser Artikel ist in forum 01/2025 ist erschienen - Pioniere der Hoffnung erschienen.

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