Algorithmen für den Planeten

KI-Lösungen für ein nachhaltiges und l(i)ebenswertes Morgen

Ist Künstliche Intelligenz (KI) die Chance, drängende globale Herausforderungen, deren Lösung schon fast unmöglich erschien, doch noch in den Griff zu bekommen? Kann KI dabei helfen, die 17 Sustainable Development Goals (SDG) zu erreichen, also die wichtigsten Ziele der Weltgemeinschaft? Oder ist sie gar in der Lage, die Welt beziehungsweise die Menschheit zu retten?

© Christoph Santner + Christine Papadopoulos© Christoph Santner + Christine Papadopoulos
Ein Start-up in München, das mit eigenen Satelliten im Weltraum und einer spezifischen KI Waldbrände sofort erkennt, wenn sie entstehen. Ein Unternehmen in Berlin, das die weltweite Essensverschwendung von sage und schreibe 2,5 Milliarden Tonnen Lebensmitteln mit einer KI jährlich um die Hälfte reduzieren will. Ein junges Unternehmen in Finnland, das aus Strom, CO? und Wasser neuartige Lebensmittel erzeugt. Eine „HungerMap", die mit KI vorhersagen kann, wo aufgrund von kriegerischen Konflikten, Dürren und Fluchtbewegungen die nächsten Hungersnöte drohen. Eine Initiative, die angetreten ist, um Probleme des afrikanischen Kontinents mit KI zu lösen.

KI: Schlüssel zur Lösung globaler Herausforderungen
Diese fünf Beispiele stehen exemplarisch für tausende ähnliche Initiativen weltweit, die KI einsetzen, um die dringend benötigten Lösungen für unsere Zeit und unseren Planeten zu entwickeln. Viele davon lernte ich im Rahmen der Recherchen für mein Buch „Alles KI?" kennen. In konzentrierter Form erlebte ich sie zwei Mal auf den „AI for Good"-Konferenzen der Vereinten Nationen in Genf, organisiert von der International Telecommunication Union (ITU). Deren engagierte Generalsekretärin Doreen Bogdan-Martin sagt klar: „KI hat eine transformative Kraft für den Fortschritt, aber nur, wenn wir sicherstellen, dass sie für alle zugänglich und nützlich ist." Sie lässt ihren Worten Taten folgen und tourt etwa durch Flüchtlingslager in Afrika, um sicherzustellen, dass die Geflüchteten auch Zugang zu Internet und Smartphones bekommen. Denn der Mensch des 21. Jahrhunderts nährt sich nicht nur vom Brot alleine.

Zindi: Afrikas Beitrag zur KI-Entwicklung
Besonders bemerkenswert ist Zindi, eine in Südafrika gegründete Initiative, die durch Wettbewerbe konkrete KI- und IT-Lösungen für NGOs, Regierungen und Unternehmen generiert, die Hilfestellungen etwa in den Bereichen Gesundheit, Landwirtschaft, Klimawandel, Bildung oder Financial Inclusion geben. Egal ob es KI-basierte Apps zur Vermeidung von Luftverschmutzung und Verkehrskollaps in den Metropolen sind, oder ob es um Hunger- und Malariabekämpfung oder Korallenprojekte geht: Wann immer Zindi zu einer spezifischen Challenge oder zu einem Hackathon aufruft, oft nur mit kleinen Preisgeldern, beteiligen sich jeweils hunderte oder sogar tausende afrikanische IT- und KI-Expertinnen und -Experten.

CEO und Co-Founderin von Zindi, Celina Lee erklärt dazu mit Begeisterung: „Wir glauben an das Potenzial der afrikanischen Talente, globale Probleme zu lösen!"

Ernährungssicherheit: KI als Trumpf gegen den Hunger
Den dringendsten Problemen unserer Zeit widmet sich auch das World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen (UN). Der WFP Innovation Accelerator in München arbeitet daran, KI-Lösungen zur Hungerbekämpfung zu entwickeln. Die HungerMap, schockierend und hoffnungsvoll zugleich, zeigt auf einer Echtzeit-Weltkarte, wo gerade die aktuellen und kommenden Hungersnöte stattfinden. Und Data4Human flankiert zur schnellen Schadenserkennung nach Katastrophen. Bernhard Kowatsch, der den Innovation Accelerator leitet, ist von der Kraft der KI überzeugt: „Diese Innovationen haben das Potenzial, bis 2030 eine Welt ohne Hunger zu erreichen."
 
„KI wird nicht warten. Die UN-Nachhaltigkeitsziele werden nicht warten – Scheitern ist keine Option. Dies ist ein Call to Action!"
Doreen Bogdan-Martin

Lebensmittel: neuartige Proteine und der Kampf gegen die Verschwendung
Künstliche Intelligenz unserer Tage kann out-of-the-box-Denken und ungewöhnliche Lösungen entwickeln. So wurde die KI AlphaFold von DeepMind bereits 2022 für den Nobelpreis für ihre Protein-Strukturvorhersagen vorgeschlagen, denn sie kann jahrelange Laborarbeit auf Stunden verkürzen.

Weltweit werden heute Entdeckungen gemacht, die ohne KI undenkbar sind. Das beweist etwa das von der EU geförderte finnische Start-up Solarfoods. Es entwickelte ein revolutionäres Verfahren zur Lebensmittelproduktion, das ohne traditionelle Landwirtschaft auskommt. Ihr Produkt „Solein" ist ein nachhaltiges Protein, das durch Fermentation von Mikroorganismen entsteht – nur mithilfe von CO?, Wasser und Elektrizität. CEO Dr. Pasi Vainikka ist überzeugt: „Unsere Technologie ist wie die Einführung der Kartoffel in Europa: Sie hat das Potenzial, die Lebensmittelproduktion radikal zu verändern und die Welt nachhaltig zu ernähren." Erste Produkte sind in Asien bereits auf dem Markt und Sterneköche in Singapur sind angetan von diesem neuen Lebensmittel.

Auch wenn es um die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung geht, kommt KI zum Einsatz. Die Berliner Organisation SPRK.global will mit KI-Prognosen die gigantische Verschwendung und Überproduktionen stoppen – oder zumindest die heute noch 2,5 Milliarden Tonnen jährlich weggeworfener Lebensmittel halbieren. Gründer Alexander Piutti optimiert dafür nicht nur die Lieferkette, sondern bringt auch Lieferant*innen mit Abnehmer*innen zusammen, die von reduzierten Preisen profitieren. AI at work – ganz konkret.

„Generation AI": Schafft sie die Wende?
Doreen Bogdan-Martin, ITU-Generalsekretärin, auf der AI for Good Konferenz im Gespräch mit einem humanoiden Roboter. © ITUDoreen Bogdan-Martin, ITU-Generalsekretärin, auf der AI for Good Konferenz im Gespräch mit einem humanoiden Roboter. © ITU
Innerhalb der Vereinten Nationen haben sich unter Führung der „AI for Good"-Initiatoren mittlerweile 46 UN-Organisationen zusammengeschlossen, um neue KI-Anwendungen zu entwickeln, mit denen die 17 globalen Entwicklungsziele (SDG) bis 2030 doch noch erreicht werden sollen. Die Zwischenbilanz ist bisher alles andere als ermutigend: Nur rund 15 Prozent der Maßnahmen liegen im Zeitplan. KI soll hier die Wende bringen.

„Generation AI" nennt Doreen Bogdan-Martin unsere Generation, die den schnellen Aufstieg der KI gegenwärtig erlebt. Die enorme Chance, jetzt AI for Good einzusetzen und KI in eine gute Richtung zu lenken, bietet sich nach ihrer Ansicht nur einmal. Die Menschheit wird einst nicht nur gefragt werden, was sie mit dem Klima gemacht hat, sondern auch, wie und wofür sie KI eingesetzt hat. Denn diese ist eine enorme Chance, birgt aber auch eine große Verantwortung. 


Humanoide Roboter im Vormarsch

Moderne Roboter sind die Körper der KI. Viele der neuen, sprechenden Modelle werden sowohl mit Machine Learning als auch mit generativer KI trainiert. Grace, der Roboter von SingularityNet und Hanson Robotics, ist zum Beispiel für die Arbeit in Krankenhäusern konzipiert. Während COVID-19 konnte Grace nicht nur Fragen beantworten und emotionale Begleitung anbieten, sondern auch Temperaturmessungen durchführen. Ein anderer Roboter, Nadia vom in Genf ansässigen MIRALab, hat sich in einem Pilotprojekt in Singapur mit hoher Akzeptanz der meist älteren Kranken und Pflegebedürftigen in der Pflege bewährt. Auf der „AI for Good" gaben neun Humanoide Roboter eine Pressekonferenz – eine Welt-Premiere.

Die KI-Revolution: Vom Chatbot zum Nobelpreisträger in 2 Jahren
30. November 2022: ChatGPT tauchte wie ein U-Boot auf. Nach sieben Jahren intensiver Entwicklung hatten sich fünf Tage nach dem Start bereits eine Million Nutzer registriert, und keine zwei Monate später waren es über 100 Millionen – eine beispiellose Erfolgsgeschichte, die die digitale Welt in Aufruhr versetzte. Seither tobt ein gnadenloser Wettbewerb der IT-Giganten um die Vorherrschaft in der KI-Landschaft. Microsoft investierte kolportierte 13 Mrd (!) USD in OpenAI und ChatGPT, zusätzlich enorme Rechnerressourcen. Auch starke Open-Source-Modelle wie Mistral AI (einer der wenigen europäischen Player), SingularityNet, Llama und TensorFlow setzen wichtige Impulse. Das Rennen um die KI-Vorherrschaft ist in vollem Gange und verspricht spannende Entwicklungen.

Was mit leistungsfähigen Sprach-Chatbots wie ChatGPT, Bing, Claude und Gemini begann, entwickelte sich zu einer transformativen Kraft. Tausende KI-Apps sprießen für alle erdenklichen Bereiche aus dem Boden – von Bild-, Video- und Avatar-Erstellung bis zu komplexen Unternehmensstrategien. KI-Systeme unterstützen Mitarbeiter in Marketing, HR, Strategie und Produktion und verändern dabei grundlegend unsere Arbeits- und Lebenswelt, auch mit Humanoiden Robotern.

Die „Singularity" rückt näher: Das exponentielle Wachstum der KI-Leistung ist dabei, menschliche kognitive Fähigkeiten zu überholen. Prototypen erster Quantencomputer verfügen bereits über eine Rechenpower, die tausende Male stärker ist als heutige Systeme. Höhepunkt nach zwei turbulenten Jahren: Im Herbst 2024 erhielten KI-Entwickler Nobelpreise in Physik und Chemie. Mit Alphafold wurden Strukturen von rund 200 Millionen Proteinen entschlüsselt – eine bahnbrechende Leistung, die für Menschen unmöglich gewesen wäre. KI kann bereits heute rechnen, programmieren und forschen wie die besten menschlichen Experten.

Large Action Models: die nächste Evolution
Die nächste Entwicklungsstufe nach den Large Language Models sind nun Large Action Models: Systeme, die eigenständige Aktionen ausführen können. Und KI-Assistenten, die selbst entscheiden. Erste autonome KI-Finanzsysteme entwickelten neue Kryptowährungen wie den Goatseus Maximus, der in gerade einmal zwei Wochen eine beeindruckende Marktkapitalisierung von über 400 Mio. USD generierte. In Asien gibt es bereits Firmen wie NetDragon Websoft mit einem KI-Avatar als Chef. Der Humanoide Roboter Sophia erhielt sogar einen Pass von Saudi-Arabien und ist dort offiziell Staatsbürgerin. Wird sie eines Tages auch wählen oder ein Konto eröffnen dürfen? Wir gehen definitiv einer neuen, komplexen Welt entgegen – voller Risiken und Chancen zugleich.
(Christoph Santner)

Christoph Santner ist langjähriger forum-Autor, KI-Consultant und Redner. Eben erschien sein Buch „Alles KI? Die neue Welt der Künstlichen Intelligenz verstehen und nutzen."
Es ist das erste Buch mit eigener KI.

Technik | Digitalisierung, 16.11.2024
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