Mika erzählt uns auch davon, dass diese Natur bedroht ist
Christoph Quarch empfindet beim Anblick des Eisbärenbabys im Karlsruher Zoo Demut
Jetzt ist es amtlich: Das Eisbärenbaby im Karlsruher Zoo soll Mika heißen. Mehr als 30.000 Menschen haben sich an der Namenssuche für das inzwischen 4 Monate alte Jungtier beteiligt. Nach seiner Geburt wurden er und seine Mutter Nuka allerdings zunächst einmal von der Öffentlichkeit ferngehalten. Seit dieser Woche dürfen die Zoobesucher den längst zum Instagram-Star avancierten Mika nun auch persönlich kennenlernen. Der Karlsruher Zoo rechnet mit großem Andrang. Aber was macht einen kleinen Eisbären so attraktiv? Braucht der Mensch von heute den Anblick eines kuschligen Eisbärenfells, um in einer gefühlt immer kälteren Welt bestehen zu können? Darüber sprechen wir dem Philosophen Christoph Quarch.
Herr Quarch, wieso berührt Mika die Herzen so vieler Menschen?

Ist da nicht auch viel Projektion mit im Spiel? Das Kindchenschema suggeriert womöglich eine heile und unschuldige Welt, die es so gar nicht mehr gibt, aber nach der man sich irgendwie doch sehnt.
Ich denke, da ist noch mehr im Spiel. Ein Tier ist nicht einfach nur eine Projektionsfläche menschlicher Sehnsüchte, sondern immer auch ein Verwandter – ein ferner Verwandter, zugegeben, aber genau wie Mika sind auch wir Menschen Kinder von Mutter Natur, Maschen im großen Netz des Lebens. Das heißt: Wenn wir so einen Mika sehen, erkennen wir in ihm etwas Bekanntes: eine Möglichkeit des Lebens, die auch wir in uns tragen, auch wenn wir sie nicht zur Entfaltung bringen. Bei einem Eisbären ist das so etwas wie Majestät. Eisbären sind königliche Tiere, die eine Aura der Kraft und Eleganz verbreiten. So ein kleiner Eisbär ist wie ein Prinz oder eine Prinzessin. Der Kult um Mika hat so gesehen auch etwas mit der Faszination zu tun, die für manche von den Royals ausgeht.
Sie haben es schon erwähnt: Ausgewachsene Eisbären sind gefährlich. Anders als große Raubkatzen gehen hungrige männliche Eisbären sogar gezielt auf Menschenjagd. Müsste einem da nicht eher angst und bange werden?
In freier Wildbahn auf jeden Fall. Da sollte man die Beine unter den Arm nehmen, wenn einem ein Eisbärenbaby begegnet. Aber im Zoo ist das anders. Da kann sich der Besucher in dem sicheren Gefühl wiegen, dass weder Mika noch seine Mutter ihm irgendetwas anhaben können. Immanuel Kant sprach in einem ähnlichen Zusammenhang von der Erfahrung des Erhabenen. Sie wird uns dann zuteil, wenn wir Naturgewalten wie große Wasserfälle, hohe Berge oder Gewitter aus sicherer Position anschauen. Das gibt uns das gute Gefühl, dass diese gewaltige Natur uns doch nichts anhaben kann und dass wir ihr überlegen sind. Mag sein, dass davon etwas bei dem Mika-Rummel mitspielt: dass es uns befriedigt, ein so königliches Tier zum Gegenstand unseres ästhetischen Konsums zu machen. Wir machen dann unsere Fotos, teilen sie auf Insta und sagen "Ach, wie süß." Und das war's.
Wenn ich Sie richtig verstehe, klingt da eine gewisse Kritik mit. Was wäre Ihrer Ansicht nach die bessere Weise, sich zu Mika zu verhalten?
Ich denke, wenn man sich wirklich auf dieses Tier einlässt, dann wird man in ihm ein Sinnbild der Natur erkennen: ihre unendliche Schönheit und spielerische Unschuld ebenso wie die ihr innewohnende Brutalität und Grausamkeit. Beides zusammengenommen macht das Wunder der lebendigen Welt aus. Aber das ist nicht alles. Mika erzählt uns auch davon, dass diese Natur bedroht ist. Die Spezies, der er angehört, ist wie wenig andere unmittelbar vom Klimawandel bedroht. Ihr Lebensraum schwindet rasant – so wie auch unser Lebensraum knapper werden wird. Mika entlarvt so gesehen das ästhetische Wohlgefühl der Zoobesucher als Lüge. Wir haben die Natur mitnichten im Griff. Sie bleibt uns immer überlegen und wild, auch wenn es nicht so scheint. Genau wie Mika. Demut wäre die richtige Haltung ihm gegenüber.

Der Philosoph, Speaker und Bestseller-Autor Christoph Quarch begleitet Unternehmen, unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und veranstaltet philosophische Reisen. In seinen Vorträgen und Büchern greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophie zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen. Gemeinsam mit seiner Frau Christine Teufel gründete er die Neue Platonische Akademie für eine geistige Erneuerung der Gesellschaft.
Aktuelle Bücher von ihm sind „Wacher Geist und fester Schritt. The Donkey School for Leadership" (2024), „Schönheit rettet die Welt” (2024) und "Der Club der alten Weisen" (2023).
Mehr zu ihm unter christophquarch.de und akademie-3.org
Umwelt | Naturschutz, 12.03.2025

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