Brauchen Unternehmen Werte?

Codes of Conduct: Zwischen Trivialmoral und Gesetzestreue

Ohne Werte geht es nicht mehr in der Wirtschaft. Mittlerweile hat so gut wie jedes größere Unternehmen eigene "Corporate Values" formuliert, die stolz auf dem Internetportal präsentiert werden. Glaubt man den Leitbildern, oder neudeutsch "Codes of Conduct", der Konzerne, handeln diese päpstlicher als der Papst. Wie sieht die Realität aus?

Ein besonders krasses Negativbeispiel ist der amerikanische Konzern Newmont Mining. Auf der kürzlich in Davos veranstalteten "Public Eye Awards"-Verleihung, bei denen die NGOs "Erklärung von Bern" und Greenpeace die übelsten Verstöße gegen eine ethische und nachhaltige Unternehmensführung brandmarkten, wurde der Minenkonzern wegen seiner Aktivitäten in Ost-Ghana mit gleich zwei Schmähpreisen ausgezeichnet. Im Internet verweist Newmont Mining nichtsdestotrotz auf Werte wie "Verantwortung für die Umwelt", "soziale Verantwortung" und "integeres und respektvolles Handeln". Dem Unternehmen, dem die "Zerstörung einzigartiger Lebensräume", "brutale Zwangsumsiedlungen" sowie "vergiftete Böden und Flüsse" vorgeworfen werden, dienen die angeführten Werte ganz offensichtlich nur als PR-Deckmäntelchen.

Es soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, dass öffentlich gemachte Unternehmensverantwortung grundsätzlich nur Alibifunktion hat. Trotzdem - wenn man gar nicht mehr sicher sein kann, ob die publizierten Werte überhaupt irgendetwas mit der realen Firmenpolitik zu tun haben, besitzen sie keinerlei Orientierungs- oder Informationswert. Auf was kommt es dann an?

Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf gab in München vergangene Woche in seinem Vortrag zum Thema Ethikboom die nüchterne Antwort: "Gesetzestreue wäre schon genug". In der im Rahmen der Reihe "Wirtschaft ohne Werte? Zur Debatte über Werte und Ethik in der Wirtschaft" von der Umwelt-Akademie organisierten Veranstaltung kritisierte der Theologe von der Ludwig-Maximilians-Universität München die Austauschbarkeit ("bei 18 DAX-Unternehmen steht der 'Mensch im Mittelpunkt'") und "Trivialmoral", die die "mission statements" kennzeichne. Graf warnte: "Wo sehr viel Tugend herrschen soll, da sind die Allmachtsphantasien der Moralstolzen nicht fern".

Und wirklich, ein Bekenntnis zu den Menschenrechten im Leitbild ist ja grundsätzlich nicht falsch, nur wird damit der Eindruck erweckt, Unternehmen hätten eine Wahl, sich zu Grundrechten zu bekennen oder nicht. Das ist - glücklicherweise - nicht der Fall. Der Rechtsstaat gibt die Regeln vor, und das ist auch gut so.

Der Zwang zur Moralisierung des gesamten Unternehmens führe auch zu einer wachsenden Doppelmoral, kritisierte Graf weiter. Die Frage ist, ob die Firmenverantwortlichen durch die Formulierung eines "Codes of Conduct" wirklich danach streben, ethisch verantwortlicher zu wirtschaften, oder ob es sich um bloße Lippenbekenntnisse handelt, die abgegeben werden, weil es heutzutage nicht mehr ohne geht - und die dann dementsprechend weder von den Mitarbeitern noch von der Öffentlichkeit wirklich ernst genommen werden können.

Das Selbstverständnis der Konzerne in allen Ehren, wirklich aufschlussreich ist jedoch, wie die Unternehmenspolitik in der Praxis aussieht. Korruption, Steuerhinterziehung und Mitarbeiterbespitzelung sind handfeste Straftatbestände, bei denen sich eine Wertediskussion erübrigt. Ob Wahlkampf oder Unternehmens-PR, dem Wähler beziehungsweise Kunden wird selten zugetraut, dass er Ehrlichkeit honoriert. Vielleicht sollte man es einmal auf einen Versuch ankommen lassen.


Sarah Häuser, forum-Redaktion

Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 04.02.2009

     
        
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