Ohne moralische Werte verliert eine Gesellschaft den inneren Zusammenhalt
Christoph Quarch analysiert die Streichung von Diversität und Geschlechtergerechtigkeit bei SAP
So weit sind wir also schon: Das Softwareunternehmen SAP verabschiedet sich von Diversität und Geschlechtergerechtigkeit. Medien berichten, das Unternehmen habe beschlossen, nicht länger einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent in der Belegschaft erreichen zu wollen. Auch bei der Vorstandsvergütung soll Geschlechtervielfalt als Bewertungsmaßstab gestrichen werden. Und das Büro für Diversität und Inklusion wird seine Eigenständigkeit verlieren. Begründet werden die Maßnahmen mit der starken Präsenz von SAP in den USA. Knickt hier ein großes Unternehmen - in vorauseilendem Gehorsam - vor den neuen Machthabern der Vereinigten Staaten ein? Laufen wir Gefahr, unsere Werte zu verraten? Darüber reden wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.
Herr Quarch, Opportunismus oder wirtschaftliche Rationalität - was treibt SAP?

Aber die Angst ist doch begründet. Ein Unternehmen wie SAP ist ein großer Arbeitgeber. Wenn die Aufträge aus den USA wegbrechen, droht ein enormer wirtschaftlicher Schaden.
Natürlich ist die Angst berechtigt - aber die Frage ist doch, wie man damit umgeht: ob man vorauseilend einknickt oder versucht, den Widerstand zu organisieren. Was ich ethisch - und ökonomisch - fragwürdig finde, ist der Umstand, dass im Falle von SAP davon nichts zu sehen ist; ausgerechnet von SAP, die einmal ihren Mitarbeitern Achtsamkeitstrainings verordnet und sich als wertorientierter Arbeitgeber präsentiert haben. Man ist doch nicht allein auf der Welt. Man ist ein europäisches Unternehmen und könnte den Schulterschluss mit anderen europäischen Unternehmen und der europäischen Politik suchen, um den MAGA-Faschisten deutlich zu machen: „Wir lassen uns von euch nicht unsere Werte zerstören. Und schon mal gar nicht, wenn es um Geschlechtergleichheit geht. Da halten wir es eher mit unserer Verfassung als mit eurer toxischen Männlichkeit."
Vielleicht denken die Verantwortlichen bei SAP so aber gerade NICHT. Könnte es sein, dass Geschlechtergerechtigkeit eigentlich nie ein Herzensanliegen der Unternehmen war und sie sich deshalb auch nicht schwer damit tun, entsprechende Programme zu opfern?
Da könnte etwas dran sein - was die Sache allerdings nicht besser, sondern eher noch schlimmer machen würde. Denn das würde bedeuten, dass wir es als Gesellschaft nicht geschafft haben, unsere Verfassungswerte ernst zu nehmen. Oder noch bedenklicher: Es würde bedeuten, dass wir - gerade in der Wirtschaft - wenn es hart auf hart kommt, überhaupt keine moralischen Werte mehr gelten lassen und lediglich ökonomische Werte zulassen. Bedenklich ist das vor allem deshalb, weil eine Gesellschaft ohne moralische Werte den inneren Zusammenhalt verliert. Jeder denkt dann nur noch an sich selbst - und ist folglich auch unfähig, sich mit anderen zu solidarisieren, um gemeinsam für die eigenen Werte einzutreten; siehe SAP.
Die MAGA-Bewegung in den USA reklamiert für sich doch aber, die Sachwalterin traditioneller christlicher Werte zu sein, etwa der traditionellen Familie.
Das Verhängnisvolle an Werten ist, dass man sie instrumentalisieren und als Werkzeuge von Macht und Gewalt missbrauchen kann. Ausgerechnet der Kronjurist des 3. Reiches, Carl Schmitt, hat in diesem Zusammenhang von der "Tyrannei der Werte" gesprochen. Genau damit arbeitet die neue Rechte. Sie wirft ihren als "Woke" diffamierten Gegnern vor, mit ihren Werten andere zu tyrannisieren - nur um eine echte Tyrannei auf Basis der vermeintlichen eigenen Werte zu errichten. Tatsächlich werden die Rechten aber nicht von Werten bewegt, sondern von blanker Machtgier. Und deshalb kann und muss man ihnen mit echten Werten begegnen - Werten, die aus der Achtung vor dem Menschsein und der Leben erwachsen. Werte wie Geschlechtergerechtigkeit, die Menschen verbinden und Kulturen erblühen lassen. Sie zu verraten heißt am Ende immer, an dem Ast sägen, auf dem man sitzt.

Der Philosoph, Speaker und Bestseller-Autor Christoph Quarch begleitet Unternehmen, unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und veranstaltet philosophische Reisen. In seinen Vorträgen und Büchern greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophie zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen. Gemeinsam mit seiner Frau Christine Teufel gründete er die Neue Platonische Akademie für eine geistige Erneuerung der Gesellschaft.
Aktuelle Bücher von ihm sind „Wacher Geist und fester Schritt. The Donkey School for Leadership" (2024), „Schönheit rettet die Welt” (2024) und "Der Club der alten Weisen" (2023).
Mehr zu ihm unter christophquarch.de und akademie-3.org
Gesellschaft | Politik, 13.05.2025

Der Wert der Böden
forum 03/2025 ist erschienen
- Zukunftsfähig essen
- Klimatransitionsplan
- Wasser in der Krise
- Omnibus
Kaufen...
Abonnieren...
25
JUN
2025
JUN
2025
Sustainability Summit 2025: Die Bühne für nachhaltige Wirtschaft
Wo ESG auf Technologie trifft und aus Verantwortung Innovation wird
20457 Hamburg
Wo ESG auf Technologie trifft und aus Verantwortung Innovation wird
20457 Hamburg
09
JUL
2025
JUL
2025
26
AUG
2025
AUG
2025
Lehrgang Sustainable Finance
Grundlagenwissen ESG-konforme Unternehmensfinanzierung
Online-Lehrgang in 3 Modulen
Grundlagenwissen ESG-konforme Unternehmensfinanzierung
Online-Lehrgang in 3 Modulen
Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol
Politik

Mit Blick auf auf das Börsenchaos überlegt Christoph Quarch, was ein gutes Leben ausmacht
Jetzt auf forum:
Nachhaltige Verpackungen - mehr Schein als Sein?
Grüne Moleküle statt fossiler Tropfen
Nachhaltig unterwegs: Geschäftsreisen mit der BahnCard Business 25 Klima
Grüne IT im Alltag? Polymundo macht’s vor – mit circulee
Workbook-Neuerscheinung: "My First Year as a Sustainability Manager"