"Nachahmer und Mitmacher willkommen!"
Ein Interview mit Michael Karch, Geschäftsführer der MetallRente.
Heribert Karch |
In Deutschland verankerte 2001 die MetallRente als erstes Versorgungswerk den Ansatz des "Socially Responsible Investing" (SRI) in den Gründungsdokumenten. Trotz der Finanzmarkt-Krise im Jahr 2008 hat die MetallRente das zweitbeste Ergebnis seit Bestehen erzielt. Michael Karch, Geschäftsführer der MetallRente, erklärt im Gespräch mit forum, welche Chancen und Möglichkeiten es für das nachhaltige Investment in der betrieblichen Altersversorgung gibt.
Herr Karch, Sie treten für eine Stärkung sozial und ökologisch verantwortlicher Investmentpolitik in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) ein - warum?
HK: Die voranschreitende Globalisierung und der damit einhergehende Wandel in allen gesellschaftlichen Bereichen fordern neue Antworten, wenn es um Verantwortung im Investment geht. Bisher war dieses Thema noch häufig auf einzelne Dimensionen von Umwelt, Ethik und sozialer Verantwortung reduziert. In den letzten Jahren und nicht zuletzt durch die Erfahrungen aus der aktuellen Finanzmarktkrise gewinnt nun ein bisher oftmals weniger beachteter Aspekt sozialer Verantwortung auch in Deutschland an Bedeutung: Die Reduzierung des Investitionsrisikos durch sozial verantwortliches Investieren.
Werden nachhaltige Investments zukünftig eine größere Rolle spielen?
HK: Ich bin mir sicher, dass Anlage-Konzepte, die SRI-Prinzipien folgen, enorm an Bedeutung gewinnen werden. Ich denke, eine wichtige Lehre aus der gegenwärtigen Krise wird auch sein, dass auf lange Sicht angelegte und nachhaltig gestaltete Investments die besseren sind. Je mehr die Nachhaltigkeit von der bisherigen Beimischungspolitik zum Kerninvestment wird, desto schwieriger wird es außerdem für intransparente Kapitalmarktprodukte weiterzumachen wie bisher. Auch Private Equity und Hedge Funds taten sich mit SRI bislang schwer. Wer bei SRI mithalten will, muss zunächst einmal offenlegen, was er tut, sonst kann man die Kriterien nicht prüfen. Anders gesagt: Der Trend zu SRI unterstützt faktisch den Trend zu einem zukünftig stärker regulierten Kapitalmarkt und hat gleichzeitig das Potenzial zu einer marktförmigen, gleichsam systemischen Art Selbstkontrolle.
Sie haben geäußert, dass sich MetallRente in einer Pionierrolle sieht.
HK: Wir waren einfach die ersten, die als Versorgungswerk schon 2001 in den Gründungsdokumenten den Ansatz des "Socially Responsible Investing" (SRI) verankert haben. Nach wie vor ist dies für eine sozialpartnerschaftliche Einrichtung einmalig. Denn bei uns müssen ja immer beide Gesellschafter - der Arbeitgeberverband Gesamtmetall und die Industriegewerkschaft IG Metall - die Entscheidungen mittragen. Auch heute noch gilt: Nachahmer und Mitmacher willkommen!
Welche Chancen sehen Sie für die bAV durch nachhaltige Investments?
HK: Insgesamt sehr große. Zunächst einmal hat jede Form der Altersversorgung ja nur ein quasi treuhänderisches Mandat zur Verwaltung und Absicherung der Daseinsvorsorge, gleich ob vom Arbeitgeber gewährte Betriebsrente oder private Sparaktivität. Bei institutionellen Altersvorsorgeeinrichtungen wie MetallRente gilt dies noch mehr. Denn hier kommt auch eine Erwartung der Verbandsmitglieder an umsichtige Handhabung, einfache Verwaltung, gute Risikosteuerung und gute Verzinsung im oberen Marktsegment hinzu. Und in der Entgeltumwandlung durch betriebliche Altersversorgung handelt es sich häufig um das Kapital der Mitarbeiter. Wir sind damit faktisch unseren Anspruchsberechtigten besonders verpflichtet. Die Entwicklung treibt uns also letztlich dahin und das ist gut so.
Warum ist all das dann nicht schon viel weiter verbreitet in Deutschland?
HK: Es gibt besondere, so nur in Deutschland bestehende Rahmenbedingungen. Die dominante Form des Vorsorgesparens in Deutschland ist versicherungsförmig. Damit sind bestimmte versicherungsaufsichtsrechtliche Maßgaben für das Investment vorgegeben. Gleichzeitig ist festzustellen, dass bis dato die Kapitalanlage in den versicherungsförmigen Instrumenten durch eine gewisse Undurchsichtigkeit gegenüber der Nachfrageseite am Markt gekennzeichnet ist. Die Kundschaft hat aber auch bisher in Deutschland nicht viel nach verantwortlichen Investments gefragt. Ein bisschen polemisch gesagt - Mülltrennung ist in Deutschland im ethischen Ranking bedeutsamer als verantwortungvolle Investionen. Ich sehe hier aber auch, sowohl auf der Nachfrageseite, als auch bei vielen Finanzdienstleistungsunternehmen ein Umdenken. Nicht zuletzt tragen die Erfahrungen, die wir zurzeit mit dem Finanzmarkt-Crash machen, dazu bei, hier neue Denkansätze auf den Weg zu bringen. Zum zweiten: Die dominante Form von Betriebsrenten durch den Arbeitgeber ist noch immer die Direktzusage, also die Pensionsrückstellung in der Bilanz. Hier wird es interessant, in welcher Form angelegt wird, wenn im Zuge des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes diese Zusagen durch immer mehr Unternehmen außerhalb der Bilanzen gemanagt werden. Drittens: Überall, wo Social Responsible Investments stark verankert sind, haben die Regierungen das auch gewollt und einen gesetzlichen Rahmen geschaffen. Dieser ist in Deutschland noch zu schwach.
Sie bezeichnen den MetallRente Pensionsfonds als Leuchtturm in der deutschen Vorsorgelandschaft, wie ist das zu verstehen?
HK: Der MetallRente Pensionsfonds ist nach wie ein schönes Beispiel für das Potenzial von SRI Investments in Deutschland. Das sozial verantwortliche Kapitalanlagekonzept hat ihn zu einem einzigartigen Pensionsfonds seiner Art werden lassen: Der MetallRente Pensionsfonds ist der einzige unter den aktuell 27 Pensionsfonds am Markt mit ausschließlicher Aktienauswahl nach SRI-Kriterien, und das bereits seit Auflage im Frühjahr 2002. Und da wir nur in traditionelle Anlageformen investieren, ist SRI auch nicht Beimischung, sondern Kerninvestment. Das kenne ich sonst nirgendwo.
In unserer Strategie haben wir auch einen gewissen Wandel durchlaufen. Bis 2006 wandte der Fonds für die Aktienanlage bestimmte Auschlusskriterien an. Die Kernkriterien basierten auf der Weltarbeitsorganisation ILO. Das war etwas aufwändig. Denn man muss jedes Jahr eine komplexe Beschlusslage herbeiführen. Zum zweiten ist der Pensionsfonds ja infolge der bei uns in der Altersversorgung überwiegend auf Versicherungen gerichteten Nachfrage ein Instrument, das eher von Minderheiten gewählt wird. Wir haben dort jetzt etwas mehr als 8.000 Versicherte und ein Vermögen von rund 40 Mio. Euro. Im Jahr 2007 haben wir also die SRI-Strategie durch den Wechsel von der Negativ-Selektion nach einer Ranglistenauswahl verändert. Aktieninvestments des MetallRente Pensionsfonds erfolgen nunmehr gemäß einer typischen SRI-Referenzmarke, dem Dow Jones STOXX Sustainability Index (DJSI STOXX). Der Index fungiert dabei nach dem Prinzip einer "doppelten Referenzmarke": einerseits als Performance-Vergleichsmaß, andererseits als überwiegendes Anlageuniversum. Ansätze die sich an einer Ranglistenauswahl orientieren halte ich übrigens auch konzeptionell für besser. So können langfristig im Investment auch Anreize für naturverträgliches Handeln zum Beispiel auch in Branchen entstehen, die als eher strukturell schmutzig angesehen werden.
Können Versorgungswerke denn Krisen besser bewältigen?
HK: Ich meine ja. Zunächst - in Deutschland werden die Beiträge ja eher konservativ angelegt. Risikoreiche Anlagen spielen eine geringere Rolle, Staatsanleihen und festverzinsliche Wertpapiere eine große. Insofern können wir ja bei allen Problemen, die derzeit auch in konservativen Anlagen bestehen, in der deutschen Szene wirklich beruhigter sein, als in etwa angelsächsischen Pensionsfonds. Nun ist MetallRente eine gemeinsame Einrichtung von zwei renommierten Institutionen: dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall und der Gewerkschaft IG Metall, die unsere Arbeit begleiten. MetallRente verteilt zudem Risiken auf mehrere Partner und hat mit diesen eine Nachbesserungsklausel vereinbart, sollte mal ein Versicherer schwächeln und signifikant unter den Durchschnitt der anderen geraten. So haben wir für Krisen noch ein paar zusätzliche Korsettstangen parat. Allgemein und nicht nur für MetallRente würde ich sagen: Institutionen sind hier strukturell besser aufgestellt. Nicht zuletzt aufgrund solcher institutionellen Eigenschaften genießen Versorgungswerke wachsendes Vertrauen im Markt.
Gilt das auch beim Pensionsfonds?
HK: Ja. Der MetallRente Pensionsfonds folgt allerdings naturgemäß stärker dem Auf und Ab der Märkte und setzt dabei auf die höhere Rendite bei längeren Ansparzeiträumen. Deshalb haben wir eine Ziel für Aktien von sage und schreibe 80%. Aber schon vor dem aktuellen Aktiencrash hatten wir die Aktienquote auf ein Minimum von 11 bis 11,5% heruntergefahren. Wir haben nur klassische Anlagen. Hedgefonds, Kreditderivate und andere intransparente Produkte beziehen wir grundsätzlich nicht ein. Völlig abkoppeln kann man sich von den internationalen Entwicklungen aber natürlich nicht. Und so lagen im MetallRente Pensionsfonds die Schwankungen für unter 55Jährige Schwankungen zwischen +17,5 im Jahr 2005 und -16,1 im letzten Jahr. Das mag auf den ersten Blick irritieren. Aber selbst bei Einbeziehung des aktuellen Extremszenarios macht der Pensionsfonds im 5-Jahres-durchschnitt eine Jahresrendite von immerhin 3,1%, die sich mit der Normalisierung der Märkte wieder erhöhen wird.
Wie kann die Entwicklung weiter voran getrieben werden?
HK: Aus meiner Sicht muss eine transparente Diskussion zum Verhältnis von Performance und Risiko nachhaltigen Investierens über längere Zeiträume vorangetrieben werden. Um eine Wertentwicklung über der Vergleichsmaßstäbe zu sichern, ist natürlich auch im Rahmen von SRI eine breite Streuung der Anlagen notwendig. Durch Etablierung zahlreicher SRI-Indizes erhält der häufig ängstlich vorgenommene Vergleich von Wertabschätzungen mit den Prinzipien klassischer Indizes rationale Grundlagen. Sie dienen auch einem direkten Vergleich zwischen traditioneller Fundamentalanalyse und einer, die auch soziale, ethische und ökologische Überlegungen bei der Analyse von Investments in Betracht zieht. Risiken, Volatilität der Anlagen müssen verglichen werden, all das. SRI muss sich dem Vergleich stellen und ihn auch gewinnen. Wenn das nicht der Fall sein sollte, haben wir noch ganz andere Diskussionen und neue Probleme vor uns, die letztlich auch ordnungspolitischer Natur sind. Denn wenn Investments in Umweltverschmutzung und unsoziale Bedingungen erkennbar mehr Profits bringen, stünde die Staatengemeinschaft vor neuen Aufgaben in den Finanzmärkten. Wir werden doch nicht sagen können - OK so ist es halt, was kümmert uns die Herkunft der Rendite. Das wird so nicht mehr gehen. Zum zweiten braucht es noch viel mehr echte SRI-Produkte in allen Assetklassen, in denen SRI realistisch möglich ist. Damit wird auch der Käufermarkt deutlicher sehen, wo es faktisch nicht möglich ist. Und die Spreu trennt sich vom Weizen. Denn es fügt sich doch in der aktuellen Krise und der Debatte um ihre Lösung sehr passend: Transparenz ist der Schlüssel für SRI.
Das Interview führte Christopher Schipprack
Im Profil Heribert Karch, Geschäftsführer der MetallRente GbR Fakten zu MetallRente MetallRente wurde 2001 gemeinsam durch den Arbeitgeberverband Gesamtmetall sowie die Gewerkschaft IG Metall gegründet. Es bietet im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge Produkte für die Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds an. Neben Arbeitgebern der Metall- und Elektroindustrie und weiteren Zielbranchen steht das Versorgungswerk auch anderen Branchen und Unternehmen offen. Derzeit sind 15.000 Unternehmen Kunden des Versorgungswerks. Versichert sind 300.000 Beschäftigte mit einem Beitragsbestand von rund 1,4 Mrd. Euro. Kontakt: MetallRente GmbH Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Bettina Theek Tel: 030/20 65 85-81 Dorotheenstraße 37 10117 Berlin Fax: 030/20 65 85-55 E-Mail: presse@metallrente.de |
Quelle:
Lifestyle | Geld & Investment, 06.03.2009
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