Der T(h)urmblick
Darfs noch etwas mehr sein? Der T(h)urmblick über (nicht nur) weihnachtlichen Konsumirrsinn
Der Sommerurlaub liegt schon wieder ein paar Monate hinter uns. Doch jedes Jahr aufs Neue fühlen wir uns vor den Kopf gestoßen, wenn uns ab Mitte September wieder die Schokoladenweihnachtsmänner aus den Supermarktregalen angrinsen - Konsumirrsinn par excellence. Der Abschied vom Sommer könnte nicht schlimmer inszeniert werden.
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Ralph Thurm ist Gründer und Managing Director von A|HEAD|ahead. Für forum schreibt er regelmäßig die Kolumne "Der T(h)urmblick".
© fotolia |
Wie jedes Jahr nimmt man sich neben der leichten Literatur auch ein wenig Fachliteratur mit. Bei unserem Türkei-Urlaub dieses Jahr bei mir Tristram Stuart's Buch 'Waste - Uncovering the global food scandal' und Daniel Goleman's 'Ecological Intelligence - Knowing the hidden impacts of what we buy'. Ich hatte nicht gedacht, dass sich das Spannungsfeld zwischen diesen Büchern im Urlaub selbst so deutlich manifestieren würde. Natürlich hatten wir uns eine Hotelanlage mit ISO 14001 Zertifikat ausgesucht, auch das Strandmanagement war 'Blue Flag Program' zertifiziert; die große Solaranlage hinter dem Haus war eindrucksvoll und das Essen ausschließlich aus lokaler und biologischer Produktion.
Mehr als ein Viertel aller Lebensmittel landen im Müll
Durch Stuart's Buch wurde ich bereits am Anfang des Urlaubs sensibel: akribisch untersucht Stuart die Lebensmittel-Wertkette und rechnet vor, dass in der Produktion und beim Endverbraucher mehr als 25 Prozent aller produzierten Lebensmittel schlichtweg im Müll landen! Nicht nur fehlendes Bewusstsein beim Konsumenten, sondern insbesondere die Psychologie einer 'reibungslosen Zusammenarbeit' in den Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen, führen meist zur Überproduktion beim Zulieferer. Daniel Goleman zeigt in seinem Buch u.a. die bestehenden und noch notwendigen Innovation hin zu einer "radikalen Transparenz" für den Konsumenten auf. Durch relevante Information am Point of Sale oder durch Webseiten und Communitybildung erzieltes Konsumentenbewusstsein könnten zu wirklicher Konsumlenkung und hin zu nachhaltigem Konsum führen.
Im Urlaub selbst waren wir neben Deutschen, Niederländern und Türken hauptsächlich Osteuropäer. Während jeder Mahlzeit beobachteten wir, wie - alles war ja inklusive - die Tische bis zum Biegen mit Essen vollgeladen wurden, um nach der Mahlzeit festzustellen, dass der traurige Rekord von Stuart's Buch eindeutig gebrochen werden würde: regelmäßig landete die Hälfte des Essens, begleitet von einem dem Wahnsinn nahen Gesichtsausdruck des Bedienpersonals, schlichtweg im Abfall - Hygieneregeln ließen nichts anderes zu. Im Gespräch mit der Hotelleitung wurde schnell klar, dass jeglicher Versuch hier Änderung zu erreichen, von den Gästen bei Unmengen Alkohol mit gnadenloser Ignoranz gestraft wurde.
In diesem Spagat zwischen zukünftigen Möglichkeiten Gole'scher radikaler Transparenz und der zur Schau gestellten gnadenlosen Wirklichkeit Stuart'schen Konsums durch ständiges Überangebot blieben mir dann auch noch die vielen wilden Müllkippen auf dem Weg zum Flughafen im Gedächtnis. Wenn wir also wirklich denken, wir hätten in Europa in der Bewusstseinbildung schon viel geschafft in den letzten Jahren, so flüstert uns der Weihnachtsmann im Supermarktregal leise zu: "Schau mich an, ihr seid doch noch immer ganz am Anfang zu begreifen, was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet, im Westen wie im Osten!"
Mehr als ein Viertel aller Lebensmittel landen im Müll
Durch Stuart's Buch wurde ich bereits am Anfang des Urlaubs sensibel: akribisch untersucht Stuart die Lebensmittel-Wertkette und rechnet vor, dass in der Produktion und beim Endverbraucher mehr als 25 Prozent aller produzierten Lebensmittel schlichtweg im Müll landen! Nicht nur fehlendes Bewusstsein beim Konsumenten, sondern insbesondere die Psychologie einer 'reibungslosen Zusammenarbeit' in den Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen, führen meist zur Überproduktion beim Zulieferer. Daniel Goleman zeigt in seinem Buch u.a. die bestehenden und noch notwendigen Innovation hin zu einer "radikalen Transparenz" für den Konsumenten auf. Durch relevante Information am Point of Sale oder durch Webseiten und Communitybildung erzieltes Konsumentenbewusstsein könnten zu wirklicher Konsumlenkung und hin zu nachhaltigem Konsum führen.
Im Urlaub selbst waren wir neben Deutschen, Niederländern und Türken hauptsächlich Osteuropäer. Während jeder Mahlzeit beobachteten wir, wie - alles war ja inklusive - die Tische bis zum Biegen mit Essen vollgeladen wurden, um nach der Mahlzeit festzustellen, dass der traurige Rekord von Stuart's Buch eindeutig gebrochen werden würde: regelmäßig landete die Hälfte des Essens, begleitet von einem dem Wahnsinn nahen Gesichtsausdruck des Bedienpersonals, schlichtweg im Abfall - Hygieneregeln ließen nichts anderes zu. Im Gespräch mit der Hotelleitung wurde schnell klar, dass jeglicher Versuch hier Änderung zu erreichen, von den Gästen bei Unmengen Alkohol mit gnadenloser Ignoranz gestraft wurde.
In diesem Spagat zwischen zukünftigen Möglichkeiten Gole'scher radikaler Transparenz und der zur Schau gestellten gnadenlosen Wirklichkeit Stuart'schen Konsums durch ständiges Überangebot blieben mir dann auch noch die vielen wilden Müllkippen auf dem Weg zum Flughafen im Gedächtnis. Wenn wir also wirklich denken, wir hätten in Europa in der Bewusstseinbildung schon viel geschafft in den letzten Jahren, so flüstert uns der Weihnachtsmann im Supermarktregal leise zu: "Schau mich an, ihr seid doch noch immer ganz am Anfang zu begreifen, was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet, im Westen wie im Osten!"
Von Ralph Thurm
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Ralph Thurm ist Gründer und Managing Director von A|HEAD|ahead. Für forum schreibt er regelmäßig die Kolumne "Der T(h)urmblick".
Quelle:
Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 18.12.2009
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2010 - Business im 21. Jahrhundert erschienen.
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