Wie hoch ist der Ressourcenverbrauch unserer Produkte?

Unser ökologischer Rucksack ist zu schwer!

Die weltweite Nachfrage nach natürlichen Ressourcen und der damit einhergehende Druck auf die Umwelt steigen kontinuierlich. Dafür verantwortlich sind die wachsende Weltbevölkerung, die hohen Konsumraten in den entwickelten Ländern sowie die rasante Industrialisierung wie auch landwirtschaftliche Entwicklung in Ländern wie China, Indien und Brasilien. Rohstoffe werden knapp, aber auch sogenannte erneuerbare Ressourcen und die ökologischen Leistungen, die sie bereitstellen, sind hochgradig bedroht. Es ist unumgänglich und höchste Zeit, die Ressourcennutzung nachhaltig umzugestalten.

© Konrad Mostert
In vielen Bereichen erreicht die Ausbeutung erneuerbarer wie auch nicht-erneuerbarer Ressourcen bereits das maximale Förderniveau. Um dieser ernsten Lage zu begegnen, ist es notwendig, Konzepte zu entwickeln, die den Ressourcenverbrauch und seine ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen messen können. Was nicht gemessen wird, wird oft ignoriert.

Es gibt bereits Zahlen, die diese Entwicklungen eindrucksvoll belegen. Weltweit werden jährlich über 50 Milliarden Tonnen Rohstoffe gefördert, geerntet und benutzt. Dazu kommen noch einmal etwa 40 Milliarden Tonnen, die beim Abbau von Ressourcen weltweit umgesetzt werden, aber nicht in Produktionsprozesse eingehen. Insgesamt sind es also über 90 Milliarden Tonnen Material, die der Mensch jedes Jahr bewegt.

Wie kommt man zu diesen Zahlen? Seit einigen Jahren erheben wir am Sustainable Europe Research Institute (SERI), wie viel Material weltweit der Natur entnommen wird, um sämtliche Produkte herzustellen, die weltweit konsumiert werden. Zu diesem Material zählen Ressourcen wie etwa Erze, Öl, Getreide und Holz. Oft wird dabei noch viel mehr Material - beispielsweise Gestein oder Erde, aber auch Pflanzen und Tiere - "in Anspruch genommen" als letztlich im Produktionsprozess verwendet wird. Diese ungenutzten Ressourcen sind Abfall, beeinträchtigen aber die Ökosysteme im gleichen Maße. Diese Zahlen sind im Internet unter www.materialflows.net umfassend dokumentiert.

"Ökologischer Rucksack" als Sinnbild

Abb. 1: Wenn wir bei einem Einkauf beispielsweise sieben Kilogramm an Produkten im Wert von 20 Euro nach Hause tragen, wiegt der ökologische Rucksack, der den gesamten Umweltverbrauch misst, weitaus mehr - oft das fünf- bis zehnfache. Unser nachhaltig fairer Anteil pro Person und Tag würde jedoch nur 15 Kilogramm nicht-erneuerbare Rohstoffe betragen - für Einkauf, Wohnen, Mobilität und alles andere.
Grafik: R. Peintner
Mit einigem mathematischem Aufwand lassen sich unter bestimmten Annahmen diese Verbrauchszahlen umrechnen, um vergleichen zu können, welches Produkt und welche Dienstleistung wie viele Ressourcen bei der Herstellung, dem Gebrauch und der Entsorgung beansprucht. Diesen Vergleichsmaßstab bezeichnen wir als den ökologischen Rucksack, der auf ein Land, einen Menschen, aber auch ein einzelnes Produkt oder eine Dienstleistung bezogen werden kann.

Viele gegenwärtige Umweltprobleme, allen voran der Klimawandel, aber auch der Verlust der Artenvielfalt, die Ausbreitung der Wüsten, die zunehmende Erosion von fruchtbarem Boden und die steigenden Abfallmengen, entstehen durch die intensive Nutzung einer zu großen Menge an natürlichen Ressourcen in Produktion und Konsum.

Dabei ist die Ressourcennutzung an sich eine Grundvoraussetzung menschlichen Lebens und jeder wirtschaftlichen Aktivität. Die Bereitstellung von physischen Gütern und Dienstleistungen ist immer mit der Beanspruchung natürlicher Ressourcen - erneuerbare und nicht-erneuerbare Rohstoffe, Energie, Wasser sowie Fläche - verbunden.

Es ist das Ausmaß des Nutzens der natürlichen Ressourcen, das sich seit der industriellen Revolution vervielfacht hat und heute massive Probleme verursacht. Pro Erdenbürger macht die oben genannte Größenordnung 14 Tonnen pro Jahr oder 39 Kilogramm pro Tag aus - ein enormer "ökologischer Rucksack". Ökologisch verträglich wäre etwa die Hälfte: Sechs Tonnen, sagt und begründet etwa Stefan Bringezu in seinem aktuellen Buch*. Das wären 16 Kilogramm pro Tag. Im industrialisierten Teil der Erde liegen die Verbräuche um ein Vielfaches über diesem Wert (siehe Abb. 1). Kurz gesagt: Unser ökologischer Rucksack ist zu schwer!

Kennzahlen für Ressourceneffizienz

Abb. 2: Hauptumweltkategorien und Indikatorenset der Wirtschaftsinitiative ECR Austria
Der Weg einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung erfordert daher einen effizienten Umgang mit natürlichen Ressourcen und eine Reduktion der Treibhausgasemissionen. Um die Ressourceneffizienz und die Klimabilanz des Unternehmens und der Produkte verbessern zu können, müssen Unternehmen und Konsumenten ebenso wie politische Entscheidungsträger den Status Quo des Ressourcenverbrauchs und die Potenziale zu dessen Verringerung kennen.

Dafür braucht es umfassende Kriterien für die Nachhaltigkeitsbewertung von Produkten, die über die Erfassung der Treibhausgasemissionen ("Carbon Footprint") hinausgehen. Solche Indikatoren entwickelte das Wuppertal Institut bereits Anfang der 1990er Jahre. Knapp zwei Jahrzehnte später scheinen sie nun "Marktreife" zu erlangen.

Im September 2009 fand in Davos zum ersten Mal ein "World Resources Forum" statt, bei dem hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik die Ergebnisse bisheriger Projekte, vor allem aber mögliche nächste Schritte zur weltweiten Verringerung des Ressourcenverbrauches diskutierten. Dabei stellten Unternehmen wie der Finanzdienstleister UniCredit und die Handelskette SPAR sowie die Wirtschaftsinitiative ECR-Austria umfassende Kriterien zur Nachhaltigkeitsbewertung vor.

ECR hat bereits 2007 damit begonnen, ein Indikatorenset zur "Messung und Bewertung der Nachhaltigkeitsqualität von Produkten" zu entwickeln, das alle Hauptumweltkategorien umfasst und 2010 einem Praxistest unterzogen werden soll (siehe Abb. 2). Ein wichtiges Kriterium war dabei, dass dieses Indikatorenset auf allen Ebenen wirtschaftlicher Aktivitäten angewandt werden kann: für Produkte, Unternehmen, Wirtschaftszweige, Städte und Regionen sowie Länder. Das Indikatorenset deckt neben erneuerbaren und nicht-erneuerbaren Materialien, Wasser und Landfläche auch die Kategorie der Treibhausgasemissionen ab.

Alle Indikatoren enthalten den sogenannten ökologischen Rucksack. Die Ressourcennutzung wie auch die Treibhausgasemissionen werden also über die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet, um so auch mögliche Verlagerungen von ökologischen Belastungen in andere Länder zu erfassen.

Wenn es gelingt, das Denken in solchen Kategorien und Größenordnungen in Wirtschaft und Politik international zu vertiefen und zu verbreitern, wäre ein wesentlicher Schritt in Richtung Nachhaltigkeit getan.
 
 
Von Eva Burger, Stefan Giljum und Friedrich Hinterberge

Weitere Informationen unter
www.seri.at



Alltägliche Ressourcennutzung in Zahlen

- Ein Liter Mineralwasser kommt inklusive Verpackung und Transport auf einen "Carbon Footprint" von rund 100 Gramm, einen Materialverbrauch (biotisch und abiotisch) von etwa 200 Gramm und einen Wasserverbrauch von sieben bis acht Liter.

- Ein Kilogramm Tiefkühlspinat verursacht 266 Gramm an Treibhausgasen, einen Materialrucksack von knapp einem Kilogramm zusätzlich zum Spinat selbst und verbraucht 50 Liter Wasser.

- Für die Beleuchtung einer durchschnittlichen Wohnung mit zehn konventionellen Glühbirnen pro Person werden bereits zwei Kilogramm abiotische Ressourcen pro Tag verbraucht. Das sind schon 13 Prozent dessen, was eine Person "nachhaltig" verbrauchen "dürfte" - nur für die Beleuchtung. Energiesparlampen verbrauchen, auch wenn man Produktion, Transport und Verpackung berücksichtigt, nur ein Fünftel dieses Wertes.

Quelle: Eva Burger, Friedrich Hinterberger, Stefan Giljum and Christopher Manstein (2009): When carbon is not enough: Comprehensive Ecological Rucksack Indicators for Products, Paper presented at the R'09 conference, Davos.




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Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 03.02.2010

     
        
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