Wege zum Wesentlichen
Systemische Aufstellungsarbeit in der Wirtschaft
Während des Kongresses der Akademie Heiligenfeld im sonnigen Bad Kissingen zum Thema "Die Kunst des Wirtschaftens" (www.kongress.heiligenfeld.de), vom 10. bis 13. Juni 2010, hatte der forum Redakteur Alistair Langer die Gelegenheit mit Dr. Friedrich Assländer über seine langjährige Erfahrung mit systemischen Aufstellungen in der Wirtschaft zu sprechen.
Alistair Langer: Sie beschäftigen sich seit langem mit Aufstellungsarbeit, ein Instrument, das ursprünglich aus Familienaufstellungen sowie einem therapeutischen Hintergrund stammt. Welche Aspekte dieser Arbeit sind in der Wirtschaft erfolgreich?
Dr. Friedrich Assländer: Es stimmt, das Instrument Systemaufstellungen stammt aus den Familienaufstellungen, hat aber inzwischen eine ganz eigene Dynamik genommen und ist die praktische Umsetzung der theoretischen Ansprüche an Ganzheitlichkeit und Mehrperspektivität bei der Arbeit mit Menschen, seien es einzelne Personen oder Teams. In Aufstellungen werden Beziehungen abgebildet. Die Elemente, die dann durch Personen vertreten werden, können diese Beziehungen zum einen optisch darstellen - "wie stehen wir zueinander" wäre eine Redewendung, die das genau trifft - und zum anderen können die Stellvertreter auch ihre Befindlichkeit mitteilen. Das Spannende daran ist, dass ich ja nicht nur die Beziehung zwischen Personen abbilden kann, sondern auch zu Märkten, zu Produkten, zu Standorten. Mit Aufstellungen müssen wir das kognitive Denken verlassen und kommen in einen Prozess, der mit tieferen Aspekten der Persönlichkeit in Verbindung steht. Ich lege den Personen, die meine Ausbildungen absolvieren auch immer nahe, regelmäßig zu meditieren. Diese innere Haltung des sich Zurückziehens, des Bei-sich-seins, des Zulassens und auch die Achtsamkeit, die mit Meditation verbunden ist, das alles sind Grundbedingungen, um in der Aufstellungsarbeit erfolgreich zu sein.
Als Außenstehender scheint mir das noch eine kleine Nische mit einer avantgardistischen Methode zu sein. Wie stelle ich mir die Auftragsherstellung vor?
In der Regel läuft das über Mund zu Mund Propaganda. Leute, die selbst an Aufstellungen teilgenommen haben kommen wieder, nehmen Bekannte mit oder schicken Bekannte.
Wie lange dauert so ein Prozess der Aufstellung? Wie viele Leute können daran teilnehmen?
Die Bandbreite reicht von einem Setting mit 20-25 Leuten, innerhalb derer die Leute ihre Themen aufstellen, bis hin zu Einzelarbeit. Ich möchte Ihnen hierzu eine ganz klassische Situation schildern, die ich auch in meinem Buch "Spirituell Führen" beschrieben habe:
Zwei Brüder sind gleichberechtigte Geschäftsführer, zu 50% Inhaber der Firma und haben miteinander unerklärliche Schwierigkeiten. Sie wollen friedlich zusammenarbeiten aber irgendetwas gibt es, was sie belastet und sie nicht erkennen können. Sie hatten bereits viel ausprobiert u.a. kamen sie mit Theorien "Was ist in der Kindheit passiert?". Doch das war alles nicht relevant. Relevant waren ihre inneren Bilder: "Ich bin der ältere Bruder", "Ich bin der jüngere Bruder". Mit dieser Hierarchie, diesen inneren Bildern sind sie in die Firma gegangen. Allerdings waren in der Firma die Machtverhältnisse genau umgekehrt, was sie nicht realisiert hatten. Der jüngere Bruder war der Gründer und 10 Jahre länger in der Firma. Somit hatten sie in der Firma "Familie gespielt" ohne es zu merken und damit diese unerklärlichen Schwierigkeiten gehabt. Und in der Aufstellung stellt man das nun einfach um, man stellt die "richtige" Ordnung her: auf Platz eins der ältere Bruder, auf Platz zwei der jüngere Bruder und alles war klar. Und dieser Prozess hat keine fünf Minuten gedauert. Wobei dann natürlich noch die Nacharbeit dazu kommt. Das muss reflektiert werden, aber das Eigentliche ist in ein paar Minuten passiert.
Neben der Aufstellungsarbeit engagieren Sie sich seit vielen Jahren mit dem Spiritual Venture Network für einen Bewusstseinswandel auch und gerade in der Wirtschaft. Was sind hier Ihre Erfahrungen der letzten Jahre und welche Perspektiven sehen Sie hier in der Zukunft?
Zusammen mit Pater Anselm Grün biete ich seit vielen Jahren Führungsseminare an. Wir haben eine Gruppe von Verantwortlichen, v.a. aus mittelständischen Betrieben, die eine ganz klare Werteorientierung und auch spirituelle Orientierung hat und der es um gelebte Nachhaltigkeit geht. Ich sehe aber umgekehrt auch eine zunehmende Polarisierung, beispielsweise, wenn wir uns die Finanzmärkte ansehen die den Bezug zur Wirklichkeit verloren haben. Das Spiritual Venture Network ist hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber wenn es viele solcher Tropfen gibt, dann geschieht auch wirklich etwas. Es gibt ein starkes Bedürfnis bei Menschen, sich für eine bessere Zukunft zu engagieren, weg von einer reinen Gewinnorientierung und der rein rationalen Durchdringung der Wirklichkeit. Es muss noch andere Antworten geben und diese kommen aus der spirituellen Dimension.
Sehen Sie hier eine Entwicklung? Kann man heute leichter über das Thema reden also noch vor 10 bis 15 Jahren?
Eindeutig ja. Vor zehn Jahren hätte man in einem Führungsseminar nicht von Gott sprechen können. Von Werten schon, weil es schick war darüber zu sprechen, aber eher als akademischer Diskurs denn als wirkliche Umsetzung. Vor zehn Jahren hätte man auch noch nicht mit Instrumenten wie Aufstellungen arbeiten können. Das ist auch heute noch nicht einfach, aber nachdem Konzerne wie beispielsweise Siemens, BMW oder Nokia schon mit diesem Instrument arbeiten wird es zunehmend salonfähiger.
Gelebte Nachhaltigkeit und gefühlte Einheit mit der Welt scheinen mir zwei Seiten ein und derselben Medaille zu sein, will heißen ein weltzentrisches Handeln erfordert ein weltzentrisches Bewusstsein. Was sagen Sie dazu?
Der Kern ist immer das Bewusstsein. Unser Tun folgt unserem Bewusstsein. Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir das Bewusstsein verändern. Ich denke es geht darum zu entdecken, dass wir ein Teil einer größeren Wirklichkeit sind. Es gibt kein Leben, keine Existenz unabhängig, getrennt vom Leben Anderer. Die klare Aussage aller spirituellen Wege und Traditionen, dass alles mit allem verbunden ist, das muss immer mehr ins Bewusstsein der Allgemeinheit rücken. Das Leiden des Anderen ist letztendlich auch mein Leiden und wird irgendwann wieder zu mir zurückkommen. Und wenn ich das Leiden des Anderen lindere, dann lindere ich letztendlich auch mein eigenes Leiden.
Was halten Sie vom integralen Modell - u.a. nach Ken Wilber. Halten Sie das für eine Kopfgeburt oder denken Sie, dass sich daraus sinnvolle Anwendungen ableiten lassen?
Zweifelsohne. Denn wir brauchen ja unseren rationalen Verstand. Das zeichnet uns als Menschen ja aus. Das was wir erfahren braucht ja einen Rahmen, in dem wir es deuten können und dazu brauchen wir immer ein Erklärungsmodell. Einer mystischen Erfahrung eines Jesus von Nazareth folgt eine Theologie. Der Verstand versucht das zu verstehen. Er verliert aber in dem Maße seine Relevanz, wie er zu der mystischen Erfahrung immer weniger Bezug hat. Von daher sind solche integralen Modelle wunderbar, aber die Leute, die nur das integrale Modell kennen, aber nicht die dazu gehörige Erfahrung haben, die werden in Schwierigkeiten geraten.
In meiner Erfahrung gibt es immer mehr Leute, die Erfahrungen machen, die man allgemein mystisch nennt, die also einen eigenen, unmittelbaren Zugang haben zu einer Dimension hinter unserer Ratio, also das, was man eine religiöse Erfahrung nennt und die dann eine Erklärung für diese Erfahrung suchen und sich dann z.B. in einem integralen Modell wie Spiral Dynamics wieder finden. Heute sind das auch viel jüngere Leute als zu meiner Zeit. Früher - so zumindest meine Erfahrung - fingen viele nach der Midlife Crisis mit dem Meditieren an. Heute haben wir 18Jährige die schon meditieren.
Herr Dr. Assländer, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch.
Dr. Friedrich Assländer ist seit 1984 selbstständiger Managementtrainer, Coach und Berater, Gründer und langjähriger Vorstand des Vereins Spirituelle Wege e,V., Gründungsmitglied und Vorstand des Spiritual Venture Network e.V. und verfügt über eine mehr als 20jährige Zenpraxis bei Willigis Jäger, Rolf Drosten, Thich Nath Hanh u.a..
www.asslaender.de
www.spiritual-venture.net
www.haus-benedikt.net
Alistair Langer: Sie beschäftigen sich seit langem mit Aufstellungsarbeit, ein Instrument, das ursprünglich aus Familienaufstellungen sowie einem therapeutischen Hintergrund stammt. Welche Aspekte dieser Arbeit sind in der Wirtschaft erfolgreich?
Dr. Friedrich Assländer: Es stimmt, das Instrument Systemaufstellungen stammt aus den Familienaufstellungen, hat aber inzwischen eine ganz eigene Dynamik genommen und ist die praktische Umsetzung der theoretischen Ansprüche an Ganzheitlichkeit und Mehrperspektivität bei der Arbeit mit Menschen, seien es einzelne Personen oder Teams. In Aufstellungen werden Beziehungen abgebildet. Die Elemente, die dann durch Personen vertreten werden, können diese Beziehungen zum einen optisch darstellen - "wie stehen wir zueinander" wäre eine Redewendung, die das genau trifft - und zum anderen können die Stellvertreter auch ihre Befindlichkeit mitteilen. Das Spannende daran ist, dass ich ja nicht nur die Beziehung zwischen Personen abbilden kann, sondern auch zu Märkten, zu Produkten, zu Standorten. Mit Aufstellungen müssen wir das kognitive Denken verlassen und kommen in einen Prozess, der mit tieferen Aspekten der Persönlichkeit in Verbindung steht. Ich lege den Personen, die meine Ausbildungen absolvieren auch immer nahe, regelmäßig zu meditieren. Diese innere Haltung des sich Zurückziehens, des Bei-sich-seins, des Zulassens und auch die Achtsamkeit, die mit Meditation verbunden ist, das alles sind Grundbedingungen, um in der Aufstellungsarbeit erfolgreich zu sein.
Als Außenstehender scheint mir das noch eine kleine Nische mit einer avantgardistischen Methode zu sein. Wie stelle ich mir die Auftragsherstellung vor?
In der Regel läuft das über Mund zu Mund Propaganda. Leute, die selbst an Aufstellungen teilgenommen haben kommen wieder, nehmen Bekannte mit oder schicken Bekannte.
Wie lange dauert so ein Prozess der Aufstellung? Wie viele Leute können daran teilnehmen?
Die Bandbreite reicht von einem Setting mit 20-25 Leuten, innerhalb derer die Leute ihre Themen aufstellen, bis hin zu Einzelarbeit. Ich möchte Ihnen hierzu eine ganz klassische Situation schildern, die ich auch in meinem Buch "Spirituell Führen" beschrieben habe:
Zwei Brüder sind gleichberechtigte Geschäftsführer, zu 50% Inhaber der Firma und haben miteinander unerklärliche Schwierigkeiten. Sie wollen friedlich zusammenarbeiten aber irgendetwas gibt es, was sie belastet und sie nicht erkennen können. Sie hatten bereits viel ausprobiert u.a. kamen sie mit Theorien "Was ist in der Kindheit passiert?". Doch das war alles nicht relevant. Relevant waren ihre inneren Bilder: "Ich bin der ältere Bruder", "Ich bin der jüngere Bruder". Mit dieser Hierarchie, diesen inneren Bildern sind sie in die Firma gegangen. Allerdings waren in der Firma die Machtverhältnisse genau umgekehrt, was sie nicht realisiert hatten. Der jüngere Bruder war der Gründer und 10 Jahre länger in der Firma. Somit hatten sie in der Firma "Familie gespielt" ohne es zu merken und damit diese unerklärlichen Schwierigkeiten gehabt. Und in der Aufstellung stellt man das nun einfach um, man stellt die "richtige" Ordnung her: auf Platz eins der ältere Bruder, auf Platz zwei der jüngere Bruder und alles war klar. Und dieser Prozess hat keine fünf Minuten gedauert. Wobei dann natürlich noch die Nacharbeit dazu kommt. Das muss reflektiert werden, aber das Eigentliche ist in ein paar Minuten passiert.
Neben der Aufstellungsarbeit engagieren Sie sich seit vielen Jahren mit dem Spiritual Venture Network für einen Bewusstseinswandel auch und gerade in der Wirtschaft. Was sind hier Ihre Erfahrungen der letzten Jahre und welche Perspektiven sehen Sie hier in der Zukunft?
Zusammen mit Pater Anselm Grün biete ich seit vielen Jahren Führungsseminare an. Wir haben eine Gruppe von Verantwortlichen, v.a. aus mittelständischen Betrieben, die eine ganz klare Werteorientierung und auch spirituelle Orientierung hat und der es um gelebte Nachhaltigkeit geht. Ich sehe aber umgekehrt auch eine zunehmende Polarisierung, beispielsweise, wenn wir uns die Finanzmärkte ansehen die den Bezug zur Wirklichkeit verloren haben. Das Spiritual Venture Network ist hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber wenn es viele solcher Tropfen gibt, dann geschieht auch wirklich etwas. Es gibt ein starkes Bedürfnis bei Menschen, sich für eine bessere Zukunft zu engagieren, weg von einer reinen Gewinnorientierung und der rein rationalen Durchdringung der Wirklichkeit. Es muss noch andere Antworten geben und diese kommen aus der spirituellen Dimension.
Sehen Sie hier eine Entwicklung? Kann man heute leichter über das Thema reden also noch vor 10 bis 15 Jahren?
Eindeutig ja. Vor zehn Jahren hätte man in einem Führungsseminar nicht von Gott sprechen können. Von Werten schon, weil es schick war darüber zu sprechen, aber eher als akademischer Diskurs denn als wirkliche Umsetzung. Vor zehn Jahren hätte man auch noch nicht mit Instrumenten wie Aufstellungen arbeiten können. Das ist auch heute noch nicht einfach, aber nachdem Konzerne wie beispielsweise Siemens, BMW oder Nokia schon mit diesem Instrument arbeiten wird es zunehmend salonfähiger.
Gelebte Nachhaltigkeit und gefühlte Einheit mit der Welt scheinen mir zwei Seiten ein und derselben Medaille zu sein, will heißen ein weltzentrisches Handeln erfordert ein weltzentrisches Bewusstsein. Was sagen Sie dazu?
Der Kern ist immer das Bewusstsein. Unser Tun folgt unserem Bewusstsein. Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir das Bewusstsein verändern. Ich denke es geht darum zu entdecken, dass wir ein Teil einer größeren Wirklichkeit sind. Es gibt kein Leben, keine Existenz unabhängig, getrennt vom Leben Anderer. Die klare Aussage aller spirituellen Wege und Traditionen, dass alles mit allem verbunden ist, das muss immer mehr ins Bewusstsein der Allgemeinheit rücken. Das Leiden des Anderen ist letztendlich auch mein Leiden und wird irgendwann wieder zu mir zurückkommen. Und wenn ich das Leiden des Anderen lindere, dann lindere ich letztendlich auch mein eigenes Leiden.
Was halten Sie vom integralen Modell - u.a. nach Ken Wilber. Halten Sie das für eine Kopfgeburt oder denken Sie, dass sich daraus sinnvolle Anwendungen ableiten lassen?
Zweifelsohne. Denn wir brauchen ja unseren rationalen Verstand. Das zeichnet uns als Menschen ja aus. Das was wir erfahren braucht ja einen Rahmen, in dem wir es deuten können und dazu brauchen wir immer ein Erklärungsmodell. Einer mystischen Erfahrung eines Jesus von Nazareth folgt eine Theologie. Der Verstand versucht das zu verstehen. Er verliert aber in dem Maße seine Relevanz, wie er zu der mystischen Erfahrung immer weniger Bezug hat. Von daher sind solche integralen Modelle wunderbar, aber die Leute, die nur das integrale Modell kennen, aber nicht die dazu gehörige Erfahrung haben, die werden in Schwierigkeiten geraten.
In meiner Erfahrung gibt es immer mehr Leute, die Erfahrungen machen, die man allgemein mystisch nennt, die also einen eigenen, unmittelbaren Zugang haben zu einer Dimension hinter unserer Ratio, also das, was man eine religiöse Erfahrung nennt und die dann eine Erklärung für diese Erfahrung suchen und sich dann z.B. in einem integralen Modell wie Spiral Dynamics wieder finden. Heute sind das auch viel jüngere Leute als zu meiner Zeit. Früher - so zumindest meine Erfahrung - fingen viele nach der Midlife Crisis mit dem Meditieren an. Heute haben wir 18Jährige die schon meditieren.
Herr Dr. Assländer, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch.
Dr. Friedrich Assländer ist seit 1984 selbstständiger Managementtrainer, Coach und Berater, Gründer und langjähriger Vorstand des Vereins Spirituelle Wege e,V., Gründungsmitglied und Vorstand des Spiritual Venture Network e.V. und verfügt über eine mehr als 20jährige Zenpraxis bei Willigis Jäger, Rolf Drosten, Thich Nath Hanh u.a..
www.asslaender.de
www.spiritual-venture.net
www.haus-benedikt.net
Quelle:
Wirtschaft | Führung & Personal, 21.06.2010
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