Der Unternehmer als Künstler
Von der Balance zwischen Denken und Fühlen
Dr. Ulrich Freiesleben im Interview mit forum Redakteur Alistair Langer über seine Denkfigur und seinen Vortrag mit dem Titel "Der Unternehmer als Künstler".
Alistair Langer: Warum muss der Unternehmer heute mehr denn je künstlerische Qualitäten mitbringen?
Dr. Ulrich Freiesleben: Es geht hier nicht um bildende Künstler sondern um den Begriff des Künstlers als Gegenentwurf zum Unternehmer. Es geht mir darum, die Dualität zwischen Ich-Bewusstsein, Egozentriertheit und auf der anderen Seite und die Entdeckung von Spiritualität auf der anderen Seite zu beschreiben.. Ich bin in der Tat der Meinung, dass der bessere Unternehmer derjenige ist, der der ganzheitlichere Mensch ist, der für sich entdeckt hat, dass es noch anderen Quellen gibt, aus denen er schöpfen kann, jenseits seines rationalen Bewusstseins.
Wie sind Sie selbst zu dieser Denkfigur gekommen?
Wenn ich in meine Biografie schaue, dann bin ich schlicht und einfach mit der Fokussierung auf meine eigene Egostruktur gescheitert. Heute würde man das wohl aus Burn Out bezeichnen. Ich habe gemerkt: so geht es nicht weiter. Aber ich hatte keine Erklärung dafür, warum ich überhaupt in diese Krise geraten war. Zu dem Zeitpunkt, in dem ich in die Krise gerutscht bin, war ich beruflich sehr erfolgreich, familiär war alles intakt, eigentlich war alles super. Genauso wie ich es mir immer gewünscht hatte.
Das Symptom war also der Burn Out, aber was lag dahinter?
Ich denke es lag daran, dass ich die Balance verloren hatte und versuchte auf eine verkopfte Art und Weise mein Leben zu leben und die künstlerischen Anteile völlig außer Acht gelassen hatte.
Wie versuchen Sie das heute konkret im Beruf als Diamantenhändler umzusetzen?
In dem Maße wie man einen Zugang zu anderen Schichten seines eigenen Wesens entwickelt, die hinter der Egostruktur und dem rationalen Bewusstsein liegen, entwickelt man eine Verbundenheit zu allem Lebendigen. Ich gehe dann also mit meinen Mitarbeitern und Kunden anders um. Und diese Verbundenheit schließt dann auch automatisch viele Dinge aus, beispielsweise, dass man mit Waren handelt, von denen man auch nur ahnt, dass sie aus dubiosen Quellen stammen könnten. Oder dass man sich dafür interessiert, unter welchen Arbeitsbedingungen die Diamanten geschliffen werden.
Das heißt aber nicht, dass man jetzt die ganze Ego-Struktur über Bord wirft, sondern dass sie nicht alleine und alle Maßstäbe setzend im Leben ist. Durch die Entwicklung neuer Anteile im Bewusstsein hinter der Ego-Struktur wird man auch der bessere Unternehmer, der nachhaltigere Unternehmer. In der Folge dieses inneren Weges, den man geht, hat man mehr Energie, man wird in seinen Entscheidungen klarer. Man hat eine größere Bandbreite an Handlungsoptionen zur Verfügung.
Wenn wir noch mal in Ihre Biografie eintauchen. Es kam der Burn Out, obwohl Sie nach äußeren Maßstäben erfolgreich waren. Wann kam der Wendepunkt in dieser Lebenskrise?
Das Schlimmste war, dass ich ja gar nicht wusste, wie mir geschah. Und dann versuchte ich natürlich in das alte Leben zurück zu gehen, bis ich begriff, dass es ganz andere Dinge waren, um die ich mich kümmern musste. Der Wendepunkt für mich war sicherlich, dass ich, um überhaupt wieder ruhiger zu werden und Boden unter den Füßen zu bekommen, anfing zu meditieren. Aber ich habe Jahre gebraucht, um die Krise zu verarbeiten. Das Schwierigste war, die Widerstände abzulegen und nicht wieder zurück in die alten Gleise geraten zu wolen. Es geht nicht um eine Reparatur im Außen, sondern den Weg nach Innen, um dort aus sich selbst heraus neue Kraft und neue Energien zu schöpfen.
Jetzt wünscht man ja Niemandem einen Burn Out. Was raten Sie Menschen, um gar nicht erst in eine solche Krise zu geraten?
Das geht bei Leuten, die schon Fragezeichen im Kopf haben, aber den Crash noch nicht erlebt haben. Die haben in der Regel keine Handlungs- und Lebensalternativen zu dem, was sie bislang gemacht haben. Denn das ist ja das, was in ihrer Umwelt geschätzt wird. Und da sehe ich genau meinen Betrag: mit Leuten in der Wirtschaft ins Gespräch zu kommen, die schon die Fragezeichen im Kopf haben, aber möglicherweise präventiv noch etwas tun können. Und dieser Weg ist kein Weg der Überzeugung. Da halte ich es mit Plato: man kann die Menschen nichts lehren, sondern sie nur erinnern. Jeder hat ja Erfahrungen gemacht, wo er der selbstvergessene Künstler war, für den plötzlich Zeit keine Rolle mehr gespielt hat, der keine Angst mehr hatte, der sich wieder fühlte wie als Kind beim Spielen. Im Grunde genommen müssen wir diese Erinnerungen nur wecken und dann Verstärker setzen.
Würden Sie sagen, dass es tatsächlich möglich ist, die Leute vor Ihrem eigenen Crash zu bewahren? Oder müssen die Leute metaphorisch gesprochen schon an der Klippe stehen?
Es muss meist ein gewisses Anfangsleiden vorhanden sein: "war das schon alles in meinem Leben?, wie soll es weitergehen? Was mache ich hier überhaupt?" Ganz ohne diesen Leidensdruck wenden sich die wenigsten Menschen nach Innen.
Herr Dr. Freiesleben, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch.
Alistair Langer: Warum muss der Unternehmer heute mehr denn je künstlerische Qualitäten mitbringen?
Dr. Ulrich Freiesleben: Es geht hier nicht um bildende Künstler sondern um den Begriff des Künstlers als Gegenentwurf zum Unternehmer. Es geht mir darum, die Dualität zwischen Ich-Bewusstsein, Egozentriertheit und auf der anderen Seite und die Entdeckung von Spiritualität auf der anderen Seite zu beschreiben.. Ich bin in der Tat der Meinung, dass der bessere Unternehmer derjenige ist, der der ganzheitlichere Mensch ist, der für sich entdeckt hat, dass es noch anderen Quellen gibt, aus denen er schöpfen kann, jenseits seines rationalen Bewusstseins.
Wie sind Sie selbst zu dieser Denkfigur gekommen?
Wenn ich in meine Biografie schaue, dann bin ich schlicht und einfach mit der Fokussierung auf meine eigene Egostruktur gescheitert. Heute würde man das wohl aus Burn Out bezeichnen. Ich habe gemerkt: so geht es nicht weiter. Aber ich hatte keine Erklärung dafür, warum ich überhaupt in diese Krise geraten war. Zu dem Zeitpunkt, in dem ich in die Krise gerutscht bin, war ich beruflich sehr erfolgreich, familiär war alles intakt, eigentlich war alles super. Genauso wie ich es mir immer gewünscht hatte.
Das Symptom war also der Burn Out, aber was lag dahinter?
Ich denke es lag daran, dass ich die Balance verloren hatte und versuchte auf eine verkopfte Art und Weise mein Leben zu leben und die künstlerischen Anteile völlig außer Acht gelassen hatte.
Wie versuchen Sie das heute konkret im Beruf als Diamantenhändler umzusetzen?
In dem Maße wie man einen Zugang zu anderen Schichten seines eigenen Wesens entwickelt, die hinter der Egostruktur und dem rationalen Bewusstsein liegen, entwickelt man eine Verbundenheit zu allem Lebendigen. Ich gehe dann also mit meinen Mitarbeitern und Kunden anders um. Und diese Verbundenheit schließt dann auch automatisch viele Dinge aus, beispielsweise, dass man mit Waren handelt, von denen man auch nur ahnt, dass sie aus dubiosen Quellen stammen könnten. Oder dass man sich dafür interessiert, unter welchen Arbeitsbedingungen die Diamanten geschliffen werden.
Das heißt aber nicht, dass man jetzt die ganze Ego-Struktur über Bord wirft, sondern dass sie nicht alleine und alle Maßstäbe setzend im Leben ist. Durch die Entwicklung neuer Anteile im Bewusstsein hinter der Ego-Struktur wird man auch der bessere Unternehmer, der nachhaltigere Unternehmer. In der Folge dieses inneren Weges, den man geht, hat man mehr Energie, man wird in seinen Entscheidungen klarer. Man hat eine größere Bandbreite an Handlungsoptionen zur Verfügung.
Wenn wir noch mal in Ihre Biografie eintauchen. Es kam der Burn Out, obwohl Sie nach äußeren Maßstäben erfolgreich waren. Wann kam der Wendepunkt in dieser Lebenskrise?
Das Schlimmste war, dass ich ja gar nicht wusste, wie mir geschah. Und dann versuchte ich natürlich in das alte Leben zurück zu gehen, bis ich begriff, dass es ganz andere Dinge waren, um die ich mich kümmern musste. Der Wendepunkt für mich war sicherlich, dass ich, um überhaupt wieder ruhiger zu werden und Boden unter den Füßen zu bekommen, anfing zu meditieren. Aber ich habe Jahre gebraucht, um die Krise zu verarbeiten. Das Schwierigste war, die Widerstände abzulegen und nicht wieder zurück in die alten Gleise geraten zu wolen. Es geht nicht um eine Reparatur im Außen, sondern den Weg nach Innen, um dort aus sich selbst heraus neue Kraft und neue Energien zu schöpfen.
Jetzt wünscht man ja Niemandem einen Burn Out. Was raten Sie Menschen, um gar nicht erst in eine solche Krise zu geraten?
Das geht bei Leuten, die schon Fragezeichen im Kopf haben, aber den Crash noch nicht erlebt haben. Die haben in der Regel keine Handlungs- und Lebensalternativen zu dem, was sie bislang gemacht haben. Denn das ist ja das, was in ihrer Umwelt geschätzt wird. Und da sehe ich genau meinen Betrag: mit Leuten in der Wirtschaft ins Gespräch zu kommen, die schon die Fragezeichen im Kopf haben, aber möglicherweise präventiv noch etwas tun können. Und dieser Weg ist kein Weg der Überzeugung. Da halte ich es mit Plato: man kann die Menschen nichts lehren, sondern sie nur erinnern. Jeder hat ja Erfahrungen gemacht, wo er der selbstvergessene Künstler war, für den plötzlich Zeit keine Rolle mehr gespielt hat, der keine Angst mehr hatte, der sich wieder fühlte wie als Kind beim Spielen. Im Grunde genommen müssen wir diese Erinnerungen nur wecken und dann Verstärker setzen.
Würden Sie sagen, dass es tatsächlich möglich ist, die Leute vor Ihrem eigenen Crash zu bewahren? Oder müssen die Leute metaphorisch gesprochen schon an der Klippe stehen?
Es muss meist ein gewisses Anfangsleiden vorhanden sein: "war das schon alles in meinem Leben?, wie soll es weitergehen? Was mache ich hier überhaupt?" Ganz ohne diesen Leidensdruck wenden sich die wenigsten Menschen nach Innen.
Herr Dr. Freiesleben, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch.
Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 08.07.2010
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