Ein Sommer der Extreme

Sabine Braun zieht Bilanz aus dem Monat August

Der Sommer 2010 war von Extremen geprägt - nicht nur, was das zwischen Hitze und strömendem Regen schwankende Wetter angeht. In Stuttgart wurden biedere Schwaben zu ausdauernden Demonstranten: Seit Beginn der Proteste bekommen die Gegner des neuen Hauptbahnhofs Zulauf aus allen Kreisen der Bevölkerung. Ebenso zugespitzt hat sich die Diskussion um die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke - bei Gegnern und bei Befürwortern.

Sabine Braun
Woran liegt es, dass Haltungen immer unversöhnlicher aufeinanderprallen? Das Meinungsforschungsinstitut Emnid zumindest will einen tiefgreifenden Wertewandel ausgemacht haben, der die Ablehnung von Projekten wie Stuttgart
21 aus der Mitte der Gesellschaft heraus erklären könnte. So ergab eine im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführte Umfrage, die Emnid Mitte August veröffentlichte, dass die Wirtschaftskrise die Deutschen nachdenklicher und wachstumskritischer gemacht habe. Nur noch jeder Dritte glaube an die "Selbstheilungskräfte des Marktes". Unter den jungen Menschen sei der Anteil der Skeptiker sogar noch größer als bei den älteren, die bereits in den siebziger Jahren die Debatten über die Grenzen des Wachstums geführt haben. Laut der Umfrage beeinflussen heute mehr denn je immaterielle Werte wie soziale Gerechtigkeit und die Umwelt die Haltung der Deutschen zum Wirtschaftssystem. So gaben 88 Prozent der Befragten an, das derzeitige Wirtschaftssystem berücksichtige weder den Schutz der Umwelt, noch den sorgsamen Umgang mit den Ressourcen oder den sozialen Ausgleich in der Gesellschaft.

Lässt sich damit auch der heftige Widerstand gegen Stuttgart 21 begründen?
Oder steckt dahinter doch etwas anderes? Ist es nicht allein die Sorge um die Zukunft, sondern auch das Gefühl der Ohnmacht, die Bürger auf den Plan ruft? Als Google sein Projekt Street View ankündigte, stieß es auf heftige Proteste, die der Medien- und Kommunikationstheoretiker Norbert Bolz als "zutiefst bürgerlich" bezeichnete, gefährde das Vorhaben doch die Privatsphäre des Individuums und damit die bürgerliche Freiheit. Wird bürgerliche Freiheit womöglich wieder neu definiert durch den Widerstand gegen die wahrgenommene Allmacht von Staat und/oder Wirtschaft?

Zumindest ist der gesellschaftliche Konsens schon so weit erodiert, dass sich große Projekte - egal aus welchem Grund und egal mit welcher Vorgeschichte - kaum mehr umsetzen lassen. Dabei ist oft nicht mehr zu trennen zwischen symbolischem Widerstand, Protest in eigener Sache und der wohlbegründeten Ablehnung von Projekten, die das Prinzip der Zukunftsvorsorge verletzen. Auf jeden Fall hat der Sommer 2010 einige Fragen nach der gemeinsamen Weiterentwicklung unserer Gesellschaft aufgeworfen. Wobei über allem immer noch die existenzielle Frage steht, wie eine wachsende Weltbevölkerung künftig satt werden soll, wenn klimatische Veränderungen immer wieder zu Ernteausfällen führen, das Getreide knapp wird und die Preise dafür weltweit steigen.

Quelle:
Gesellschaft | Politik, 01.09.2010

     
        
Cover des aktuellen Hefts

Pioniere der Hoffnung

forum 01/2025 ist erschienen

  • Trotz der aktuellen Wahl- und Politikdesaster, die wenig Hoffnung machen, setzt das Entscheider-Magazin forum Nachhaltig Wirtschaften ein klares Zeichen und zeigt umso deutlicher, dass positiver Wandel möglich ist – auf ökologischer, ökonomischer, sozialer und politischer Ebene.
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
04
DEZ
2024
Ein leuchtendes Zeichen für Demokratie und Gemeinschaft
Tollwood Winterfestival unter dem Motto "Wir braucht Dich!", 26.11.-23.12.2024
80336 München
10
DEZ
2024
KI-PowerWorkshop
Die besten KI-Tools für Selbständige & KMU's
online
17
JAN
2025
Systemische Aufstellungen von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien
Constellations machen Dynamiken sichtbar - Ticketrabatt für forum-Leser*innen!
online
Alle Veranstaltungen...
Lassen Sie sich begeistern von einem Buch, das Hoffnung macht

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Politik

Verleihung des Friedensnobelpreises in Kriegszeiten
Christoph Quarch würde den Preis in diesem Jahr am liebsten posthum an Immanuel Kant verleihen
B.A.U.M. Insights

Jetzt auf forum:

Die Chemieindustrie: Innovation und Präzision in einer Schlüsselbranche

TARGOBANK Stiftung unterstützt sieben Biodiversitäts-Projekte mit über 142.000 Euro

Wie schnell werden Kunststoffe in der Umwelt abgebaut?

13. Bundespreis Ecodesign ehrt zehn herausragende Ideen für die Zukunft

Wie sieht Sport im Jahr 2100 aus?

Nachhaltig Weihnachten feiern

Kein UN-Abkommen gegen Plastikmüll

Jugendliche entwickeln Ideen für eine gerechtere Welt

  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • Global Nature Fund (GNF)
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • Kärnten Standortmarketing
  • circulee GmbH
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • ECOFLOW EUROPE S.R.O.
  • Engagement Global gGmbH
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH