Wandel zur lebendigen Landwirtschaft

Die Living Change Konferenz in Bonn glänzte mit begeisternden Sprechern

Im Rahmen des Treffens der Alternativen Nobelpreisträger in Bonn fand am 16. September 2010 die Konferenz "Living Change - Visionen und Inspirationen für eine bessere Welt" statt. Neun Preisträger des Right Livlihood Awards diskutierten mit den Teilnehmern das Potenzial der ökologischen Landwirtschaft, die große Bedeutung von Biodiversität und die Gefahren von Gen- und Nanotechnologien.

Von Tina Teucher

Für eine zukunftsfähige Landwirtschaft: Bärbel Höhn (stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen), Organisator Bernward Geier (COLABORA), André Leu (IFOAM), Hans Herren (Biovision) und Percy Schmeiser bei der "Living Change" Konferenz.
Foto: © Tina Teucher

In seinem Impulsvortrag stellte sich Helmy Abouleish, Sohn des Preisträgers Ibrahim Abouleish und Geschäftsführer des SEKEM-Projekts in Ägypten, den Vorurteilen gegen ökologische Landwirtschaft. Als Hauptargument bringen Skeptiker vor allem den Aspekt "zu teuer". Dieser Vorwurf beruht allerdings auf einem Irrtum, denn die konventionelle Landwirtschaft wird durch verschiedene versteckte Subventionen gefördert und Posten wie Wasserverbrauch, Verschmutzung, Biodiversitätsverlust und Bodenerosion werden nicht mit eingerechnet. Es sei daher an der Zeit, Umwelt- und Gesundheitskosten zu internalisieren.

Auch dass mit biologischer Landwirtschaft nicht genügend für alle produziert werden kann, bestätigte sich in seinen Untersuchungen nicht. Diese Frage sei eher eine ethische, eine Verteilungsfrage, und dauerhaft könnte die Produktivität nur durch nachhaltiges Wirtschaften gehalten oder erhöht werden. Schließlich wird auch oft argumentiert, dass der Biolandbau "nicht wirklich nachhaltig" bzw. ineffizient arbeite. De facto aber gibt es von Seiten der Gegner keine bessere Lösung und bisherige Schwachstellen können nur durch starke Investitionen in Bildung und Entwicklung behoben werden. "Wir müssen an jeder Stelle die geistigen Quellen lebendig halten - Kunst, Kultur und Religion", ist so auch die Grundphilosophie von SEKEM.

Bewegende Plädoyers von Percy Schmeiser und Vandana Shiva
Lebendiger Austausch mit dem David, der Goliath besiegte: Percy Schmeiser im Gespräch mit einer Teilnehmerin der Living Change Konferenz. In einem weltweit für Landwirte wegweisenden Gerichtsprozess haben Percy und seine Frau Louise Schadensersatz von Monsanto für ihr unfreiwillig von gentechnisch modifizierten Pflanzen besetztes Feld erhalten.
Foto: © Tina Teucher

Für einen Tag standen die Laureaten der Begegnung und dem Austausch mit der Öffentlichkeit zur Verfügung. Percy Schmeiser und seine Frau Louise, die wie David und "Davidine" gegen den Gentechnik-Giganten Monsanto kämpften, teilten ihre Erfahrungen mit dem Publikum: "Ich möchte eine wichtige Botschaft ins Bewusstsein der Deutschen bringen: Wenn Sie jemals gentechnisch veränderte Organismen einführen, verlieren Sie die Möglichkeit zur biologischen Landwirtschaft - Gentechnik und Biolandbau können nicht koexistieren!" Die Schmeisers hatten am eigenen Leib erfahren müssen, wie skrupellos Monsanto mit seinen Patenten auf Pflanzen Landwirte einschüchtert und abkassiert. Durch die starke Einflussnahme des Konzerns und die Verbreitung seines modifizierten Saatguts gibt es heute in Kanada keine Mais- und Rapspflanzen ohne Spuren gentechnischer Veränderungen mehr.

Tödliche Patente auf Leben
"Wir neigen dazu, Probleme einfach wegzuschieben", sagte Hans Herren in seinem Vortrag. "Doch wenn wir das System als Ganzes verstehen, sehen wir, dass durch lineares Denken Probleme einfach wieder auf uns zurückfallen."
Karikatur: © Levin
Auch Laureatin Vandana Shiva thematisierte die beängstigende Macht der sechs "Biomasters" BASF, Bayer, Monsanto, Syngenta, Dow und DuPont-Pioneer. Es sei ein Mythos, dass industrieller Anbau mit Pestiziden und Gentechnik mehr Nahrung produzieren können. In Wahrheit habe die Menschheit nie eine so hohe Rate ernährungsbedingter Krankheiten Rate gehabt wie heute. 200.000 indische Bauern, denen Ertragssteigerungen und Wohlstand versprochen wurde, sahen sich mit so hohen Schulden konfrontiert, dass sie Suizid begingen. Die Witwen müssen sich jetzt allein, mit immer neuem teuren Saatgut und verseuchten Böden durchschlagen. Doch es gibt auch Hoffnung: Vandana Shiva hat das Netzwerk Navdanya gegründet, in dem Bauern mit ökologischem Landbau Saatgut sammeln, das durch jahrtausendelange Züchtung und Tradition ohne künstliche Chemie und Genmanipulation gegen Fluten, Dürren oder Schädlinge resistent ist.

Wissen der Bauern nutzen
World Food Prize Laureat Hans Herren berichtete über den Weltagrarbericht als Basis für einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft. "Wir Wissenschaftler sind abhängig vom Wissen der Bauern, um die Zukunft aller Menschen zu sichern", machte er klar und forderte systemisches statt lineares Denken ein. Logische Schritte wären demnach z.B., Tiere zurück zum Feld und zur Futterquelle zu bringen, sowie der Landwirtschaft als sehr risikoreiches Business eine starke Versicherungswirtschaft beizustellen. Außerdem müsse Nahrung teurer werden, den wahren Wert wiedergeben, damit nicht ausgerechnet Bauern und extremer Armut und Hunger leiden. Als besonders wichtig betonte Herren, dass die ökologische Landwirtschaft attraktiv für die Jugend und für Frauen gemacht wird - denn sie sind die Träger der Zukunft.


Kunst und Kultur für den ganzheitlichen Bewusstseinswandel
Der Klang des Bewusstseinswandels: Glasmusiker Sascha Reckert untermalte die Botschaft der Living Change Konferenz mit glasklaren Tönen.

Die von IFOAM (International Federation of Organic Agriculture Movements) und COLABORA organisierte Konferenz brachte wichtige Impulse für einen zukunftsfähigen Umgang mit Böden, Saatgut, Wasser und den Menschen zusammen. Künstlerisch wurde die Veranstlatung im Gustav-Stresemann-Institut Bonn von drei Künstlern bereichert: Dao Droste bildete im Rahmen ihrer Terrakotta-Installation "Open-Mindedness" Gesichter der Alternativen Nobelpreisträger nach; Christina Stoschus-Schumann bebilderte mit ihren leuchtenden Aquarelle für Mutter Erde starke Zitate der Laureaten und das Glasmusikensemble Sinfonia di vetro lockerte die Vorträge und Workshops mit klangstarken Darbietungen wie der "Wahnsinnsarie" auf.

Quelle:
Umwelt | Biodiversität, 20.09.2010

     
        
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