Spendenkrieg in der Vorweihnachtszeit
Effizientes Sozialmarketing hilft Wohltätigkeitsorganisationen durch den Überlebenskampf
Der Zeitpunkt könnte nicht unglücklicher sein: Kurz vor der Spendenhochsaison steht das Deutsche Kinderförderwerk (DKFW) am Pranger. Vorgeworfen wird dem Verein, dass in den vergangenen Jahren lediglich ein Bruchteil - zwischen 4,5 und 13,2 Prozent - der eingenommenen Gelder tatsächlich bei kranken Kindern ankam. Laut dem Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) gelten Verwaltungskosten nur bis zu einer Höhe von 10 bis 20 Prozent des Gesamtetats als "angemessen". Den Großteil dieses schmalen Budgets stecken die Wohltätigkeitsorganisationen in Aktionen, um Förderer zu gewinnen und damit ihre Existenz sichern. Die Möglichkeiten der Mitgliederwerbung indes sind vielseitig - und umstritten. Dr. Jens-Uwe Böttcher, Dozent für Fundraising an der Universität Bremen, und Elke Wagner, Trainerin für Fundraiser, erklären, wie Organisationen auf effiziente Weise neue Mitglieder gewinnen und so ihr Überleben auch ohne Kampf sichern können.
Das DKFW hat inzwischen in Rheinland-Pfalz Sammlungsverbot, aber der Schaden für den gesamten Bereich der gemeinnützigen Organisationen ist bereits angerichtet. Zwielichtige Vereine seien für seriöse Hilfswerke und Spender ein echtes Problem, sagte ein Sprecher des DZI kürzlich dem Westdeutschen Rundfunk (WDR). Das Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Missbrauch von Geldern mithilfe des DZI-Spendensiegels vorzubeugen. Dieses Siegel erhalten nur Organisationen, die ihre Mittel nachprüfbar und sparsam verwenden. Wie viel ihrer Einnahmen ein Hilfswerk in Fundraising investiert, hängt ab von der Zielgruppe, die es erreichen will. Die Spenderpyramide, eines der wichtigsten Modelle im Fundraising, veranschaulicht dies: So rechtfertigen etwa Groß- und Dauerspender weitaus höhere finanzielle Mittel als Erstspender. Ausschlaggebend sei jedoch stets, in professionelles Sozialmarketing zu investieren und nicht etwa unerfahrene Ehrenamtliche für die Arbeit zu engagieren- darin sind sich die Fundraisingexperten einig. Daher komme es besonders jetzt in der Vorweihnachtszeit, wenn die Menschen gerne ihre Geldbeutel für einen guten Zweck öffnen, darauf an, auf effiziente Weise um Mitglieder zu werben.
Der Klassiker, das Mailing, galt lange Zeit als das erfolgreichste Marketinginstrument für Wohltätigkeitsorganisationen: "Auf einfache und prägnante Weise können sie hier ihre Botschaften vermitteln, ihr Anliegen mit bewegenden Bildern stützen und gleich einen Mitgliedsantrag oder einen Überweisungsschein dazulegen", erklärt die selbstständige Fundraisingtrainerin Elke Wagner. Doch ist die Responsquote nur schwierig zu überblicken. "Vor allem ist das Mailing immer mit hohen Kosten verbunden, die man als Investition aber schlecht kalkulieren kann - man weiß nie, was zurückkommt", so Wagner. 1000 zu 1 ist die geschätzte durchschnittliche Erfolgsquote. Auch Dr. Jens Uwe Böttcher betrachtet die Rundbriefe zumindest unter den schriftlichen Fundraisinginstrumenten immer noch als "Arbeitspferd", hat aber gleichzeitig festgestellt, dass sie allmählich weniger genutzt werden. "Die Akquise per Post ist vor allem eine Methode für kleine und mittlere Summen", so der Dozent für Fundraising und Leiter des Forums Philanthropie an der Universität Bremen. Zur langfristigen Bindung und Neumitgliedergewinnung hingegen sei das Mailing eher ungeeignet, da der persönliche Bezug fehle, meint Wagner.
Anrufe und E-Mails sind nur bei bestehenden Kontakten erlaubt
Eine hohe Hürde, die gerade bei Telefonwerbung oft nur schwer zu überwinden ist, ist der Datenschutz. Dadurch, dass "cold calls" generell unzulässig sind, bleiben in der Regel nur schon bestehende Kontakte auf der Anrufliste stehen - also Menschen, die sowieso schon mit der Organisation vertraut sind: bestehende Förderer, bekannte Interessenten und Sponsoren. "Auch bei diesen 'warm calls' geht es dann vor allem um kleinere Sponsoringbeträge und Arbeitseinsätze", erklärt Böttcher. Ähnlich verhält es sich mit E-Mails, also der modernen Form des Mailings. Sie sind zwar eine weitaus kostengünstigere Methode als die Massenansprache per Brief, dennoch sind auch sie wie die "cold calls" verboten.
"Neue Mitglieder, die dauerhaft der Organisation treu sind, gewinnt man am effektivsten, wenn man eine persönliche Beziehung zu den Menschen aufbauen kann - also in der face-to-face-Kommunikation", hat die Sozialmarketingexpertin Wagner die Erfahrung gemacht. Der Nachteil der direkten Ansprache auf der Straße ist jedoch der damit behaftete negative Ruf der Sammler. "Für die Organisation ist es daher elementar, dass sie sich auf den ersten Blick durch einen professionellen Auftritt von diesen Drückerkolonnen unterscheidet", rät Wagner. In ihren Schulungen trainiert sie mit Fundraisern daher vor allem, wie sie auf seriöse und vertrauenserweckende Weise die Menschen für ihr Anliegen gewinnen können. "In der Regel hat man nur wenige Augenblicke zur Verfügung, um die Leute auf seine Seite zu ziehen", erklärt sie. Ausschlaggebend für einen guten Fundraiser sei es daher, die Balance zu finden zwischen einem freundlichen und hartnäckigen Auftreten. Seine Aufgabe besteht darin, die Menschen für das jeweilige Projekt oder Anliegen zu sensibilisieren, gleichzeitig aber keine Angst zu verbreiten.
Persönliche Ansprache ist die effektivste Methode - doch man sollte in professionelle Fundraiser investieren
"Ehrlichkeit ist die Grundvoraussetzung, um das Vertrauen der Leute zu gewinnen", so Wagner. Dazu gehöre auch, die Menschen darüber aufzuklären, dass professionelles Fundraising ein bezahlter Dienstleistungsberuf ist, der eine jahrelange Ausbildung voraussetzt, statt ihnen in scheinbarer Dienstkleidung gegenüberzutreten. Zwar kostet es die Verantwortlichen der Organisation Einiges an Mühe, den richtigen Partner zu finden, denn immer noch ist die Mehrzahl der Fundraisingagenturen als unseriös einzustufen. Doch am Ende zahlt sich die Anstrengung erfahrungsgemäß aus. "Auf der sicheren Seite ist man nur, wenn man schon im Vorfeld ausführliche Gespräche mit dem Anbieter führt und die Mitarbeiter an den Ständen regelmäßig kontrolliert", sagt Wagner.
Fazit
Von Elke Wagner und Dr. Jens Uwe Böttcher
In Schulungen lernen Fundraiser, wie sie möglichst professionell auftreten und auf seriöse und vertrauenserweckende Weise die Menschen für ihr Anliegen gewinnen. |
Der Klassiker, das Mailing, galt lange Zeit als das erfolgreichste Marketinginstrument für Wohltätigkeitsorganisationen: "Auf einfache und prägnante Weise können sie hier ihre Botschaften vermitteln, ihr Anliegen mit bewegenden Bildern stützen und gleich einen Mitgliedsantrag oder einen Überweisungsschein dazulegen", erklärt die selbstständige Fundraisingtrainerin Elke Wagner. Doch ist die Responsquote nur schwierig zu überblicken. "Vor allem ist das Mailing immer mit hohen Kosten verbunden, die man als Investition aber schlecht kalkulieren kann - man weiß nie, was zurückkommt", so Wagner. 1000 zu 1 ist die geschätzte durchschnittliche Erfolgsquote. Auch Dr. Jens Uwe Böttcher betrachtet die Rundbriefe zumindest unter den schriftlichen Fundraisinginstrumenten immer noch als "Arbeitspferd", hat aber gleichzeitig festgestellt, dass sie allmählich weniger genutzt werden. "Die Akquise per Post ist vor allem eine Methode für kleine und mittlere Summen", so der Dozent für Fundraising und Leiter des Forums Philanthropie an der Universität Bremen. Zur langfristigen Bindung und Neumitgliedergewinnung hingegen sei das Mailing eher ungeeignet, da der persönliche Bezug fehle, meint Wagner.
Anrufe und E-Mails sind nur bei bestehenden Kontakten erlaubt
Eine hohe Hürde, die gerade bei Telefonwerbung oft nur schwer zu überwinden ist, ist der Datenschutz. Dadurch, dass "cold calls" generell unzulässig sind, bleiben in der Regel nur schon bestehende Kontakte auf der Anrufliste stehen - also Menschen, die sowieso schon mit der Organisation vertraut sind: bestehende Förderer, bekannte Interessenten und Sponsoren. "Auch bei diesen 'warm calls' geht es dann vor allem um kleinere Sponsoringbeträge und Arbeitseinsätze", erklärt Böttcher. Ähnlich verhält es sich mit E-Mails, also der modernen Form des Mailings. Sie sind zwar eine weitaus kostengünstigere Methode als die Massenansprache per Brief, dennoch sind auch sie wie die "cold calls" verboten.
"Neue Mitglieder, die dauerhaft der Organisation treu sind, gewinnt man am effektivsten, wenn man eine persönliche Beziehung zu den Menschen aufbauen kann - also in der face-to-face-Kommunikation", hat die Sozialmarketingexpertin Wagner die Erfahrung gemacht. Der Nachteil der direkten Ansprache auf der Straße ist jedoch der damit behaftete negative Ruf der Sammler. "Für die Organisation ist es daher elementar, dass sie sich auf den ersten Blick durch einen professionellen Auftritt von diesen Drückerkolonnen unterscheidet", rät Wagner. In ihren Schulungen trainiert sie mit Fundraisern daher vor allem, wie sie auf seriöse und vertrauenserweckende Weise die Menschen für ihr Anliegen gewinnen können. "In der Regel hat man nur wenige Augenblicke zur Verfügung, um die Leute auf seine Seite zu ziehen", erklärt sie. Ausschlaggebend für einen guten Fundraiser sei es daher, die Balance zu finden zwischen einem freundlichen und hartnäckigen Auftreten. Seine Aufgabe besteht darin, die Menschen für das jeweilige Projekt oder Anliegen zu sensibilisieren, gleichzeitig aber keine Angst zu verbreiten.
Persönliche Ansprache ist die effektivste Methode - doch man sollte in professionelle Fundraiser investieren
"Ehrlichkeit ist die Grundvoraussetzung, um das Vertrauen der Leute zu gewinnen", so Wagner. Dazu gehöre auch, die Menschen darüber aufzuklären, dass professionelles Fundraising ein bezahlter Dienstleistungsberuf ist, der eine jahrelange Ausbildung voraussetzt, statt ihnen in scheinbarer Dienstkleidung gegenüberzutreten. Zwar kostet es die Verantwortlichen der Organisation Einiges an Mühe, den richtigen Partner zu finden, denn immer noch ist die Mehrzahl der Fundraisingagenturen als unseriös einzustufen. Doch am Ende zahlt sich die Anstrengung erfahrungsgemäß aus. "Auf der sicheren Seite ist man nur, wenn man schon im Vorfeld ausführliche Gespräche mit dem Anbieter führt und die Mitarbeiter an den Ständen regelmäßig kontrolliert", sagt Wagner.
Fazit
Um schnell an Spender und kleine Geldbeträge zu kommen, sind die eher unpersönlichen Methoden wie Briefe, Anrufe und E-Mails immer noch ausreichende Mittel. Ist die Organisation aber auf der Suche nach dauerhaften Fördermitgliedern, ist das persönliche Gespräch mit einer vertrauenserweckenden Person oft unerlässlich. Hier lohnt es sich, in professionelle, geschulte und über die Sache gut informierte Fundraiser zu investieren. Unerfahrene Ehrenamtliche an den Stand zu stellen, zahlt sich auf lange Frist hingegen selten aus. "Natürlich werben viele Organisationen damit, dass 100 Prozent der Spendengelder dem guten Zweck zufließen, aber in den seltensten Fällen stimmt das auch", sagt dazu der Dozent Böttcher. Voraussetzung für die Verantwortlichen der Organisation ist, dass sie ihre Angst überwinden, die Investition in solche Experten auch offen vor den potentiellen Spendern und Fördermitgliedern darzulegen - denn nur so können sie deren Vertrauen gewinnen.
Von Elke Wagner und Dr. Jens Uwe Böttcher
Hintergrund Die studierte Sozialökonomin Elke Wagner ist seit 1994 im Bereich Fundraising selbstständig tätig. Den Schwerpunkt ihrer Arbeit legt sie unter anderem auf externe Fundraisingberatung, etwa für die Caritas in München für das Heilpädagogische Zentrum in Rosenheim. Auch die Suche nach Sponsoren für Vereine gehört zu ihrem Tätigkeitsbereich. Die Aktionen sind dabei jeweils auf die Ansprüche und Ziele des Projekts und des Kunden abgestimmt, das Personal wird stets entsprechend geschult. Wagner ist Mitgründerin der KiNiKi gAG Hilfe für Straßenkinder sowie Gründungsmitglied des Lions Club Esslingen-Postmichel. Sie hat eine Patenschaft in Mexiko und ist Fördermitglied mehrerer gemeinnütziger Vereine. Dr. Jens Uwe Böttcher, Gründungsleiter im ForumPhilanthropie an der Universität in Bremen, ist seit vielen Jahren als Berater im Non-Profit-Bereich mit dem Schwerpunkt Mittelbeschaffung tätig. Er ist in Kanada aufgewachsen, hat in Bonn und Vancouver Rechtswissenschaften studiert und ist Absolvent der Fund Raising School an der Indiana University in Indianapolis. Böttcher hatte mehrere Lehraufträge, etwa an der Universität Siegen und den Fachhochschulen in Mannheim, Fulda und Darmstadt. |
Quelle:
Gesellschaft | Social Business, 08.12.2010
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