Besteuern ...
... sollten wir Ressourcen statt Arbeit!
Der B.A.U.M.-Umweltpreisträger Wissenschaft 2010 ist überzeugt, dass man die Ressourcenproduktivität weltweit um den Faktor fünf steigern kann. Funktionieren soll das über eine Ökosteuerreform.
Schieflage der Nachhaltigkeit
Der Begriff, auf den sich heute ein großer Teil der Unternehmensverantwortung bezieht, ist die Nachhaltigkeit. Das Wort steht für Ausgewogenheit der wirtschaftlichen mit den sozialen und ökologischen Aspekten. Diese Ausgewogenheit muss sich jedoch in einer Welt behaupten, in welcher das Wirtschaftliche alles andere dominiert. Fällt der Börsenwert eines Unternehmens, wird es alsbald zum Kandidaten für die Übernahme durch einen Konkurrenten oder eine Investorenfirma. Das bedeutet fast immer, dass die ökologischen und sozialen Aspekte erst einmal zum Schweigen gebracht werden.
In dieser Schieflage müsste eigentlich die öffentliche Hand korrigierend eingreifen und diese Aspekte durch rechtliche Rahmenbedingungen hochhalten. Doch welcher Nationalstaat tut das, wenn dies bedeutet, dass dadurch systematisch die Gewinnsituation und damit der Börsenwert der Unternehmen im Lande abfällt? Man kann versuchen, sich international oder zumindest EU-weit zu koordinieren, aber die Verhandlungen über Klimaschutz oder die Kern-Arbeitsnormen zeigen, dass diese Koordination verdammt schwierig und langsam ist.
In dieser Lage ist es für die Umwelt und die sozialen Belange, für die ausgewogene Nachhaltigkeit, am besten, wenn man sich zunächst auf Bereiche konzentriert, wo das Wirtschaftliche nicht leidet, wenn man ökologisch und sozial vorangeht.
Profitabler Klimaschutz?
Die letzten Jahre des teuren Öls und die Sorge vor weiteren Preissteigerungen haben viele Firmen der Welt - unter ihnen Siemens, GE, Toshiba, Walmart und Otto -auf den Gedanken gebracht, dass man mit Energieeffizienz besser verdienen kann, als mit der alten Bequemlichkeit. Auch staatliche Behörden in aller Welt haben vermehrt auf Energieeffizienz gesetzt. Dabei gibt es zwei verschiedene Arten des Profits durch Effizienz: Das eine sind die Käufer von Energie, die weniger berappen müssen, wenn sie ihren Energieverbrauch effizienter gestalten. Das ist vor allem die Lage der Behörden oder des Handels, also z.B. Otto oder Walmart. Die andere Art von Profit entsteht bei den Anbietern von energieeffizienten Geräten. Hier sind Siemens, GE und Toshiba zu Hause.
Im neuen Buch, "Faktor Fünf" (siehe Kasten) gehen die Autoren davon aus, dass die Effizienzfortschritte unserer Tage erst ein ganz bescheidener Anfang einer großen Revolution sind. Eine im Wesentlichen alle Wirtschaftsbranchen und alle Konsumbereiche erfassende Effizienzrevolution könnte innerhalb von einer oder zwei Generationen zu einer Verfünffachung der Energieproduktivität oder allgemeiner der Ressourcenproduktivität führen. Das ist eine technologische Vision.
Sie kann erst zur wirtschaftlichen Wirklichkeit werden, wenn sie richtig rentabel ist. Dies wird aber erst dann der Fall sein, wenn Energie- und Ressourcenpreise systematisch nach oben gehen. Das braucht der Wirtschaft überhaupt nicht zu schaden. Man muss nur verhindern, dass (wie während der Ölkrisen der 1970er Jahre und ab 2007) unsinnige Mengen Geldes in die ölexportierenden Länder abfließen, dass vorhandene Industrien auswandern und dass ärmere Volksschichten Schaden nehmen. Die Vermeidung solcher Schäden ist die Idee der in "Faktor Fünf" beschriebenen stetigen Ökosteuerreform. Die Zielsetzung ist es, den Klimaschutz zum wirtschaftlichen Renner zu machen und die Länder, die mitmachen, technologisch an die Weltspitze zu katapultieren.
Stetige Ökosteuerreform
Die Grundidee ist, die Energiepreise jedes Jahr im ungefähren Gleichschritt mit der Steigerung der Energieproduktivität anzuheben. Damit würde man gewissermaßen die 150-jährige Erfolgsgeschichte der Steigerung der Arbeitsproduktivität kopieren, welche ja im ungefähren Gleichschritt mit den Bruttolohnkosten zugenommen hat. So ähnlich soll es nun mit den heute knappen und viel zu unproduktiven Faktoren Energie und Ressourcen gehen. Die Produktivität soll laufend zunehmen, die Klima- und Umweltkrisen sollen schrumpfen, und der zusätzlich erwirtschaftete Wohlstand soll fair verteilt werden.
Das ist die Grundidee. Die politische Konkretisierung kann Unterschiede machen. Da der technische Fortschritt bei modernen Branchen früher ankommt als bei alten, darf man aus Fairnessgründen die langsameren Branchen zeitlich etwas schonen. Analoges gilt für ärmere Schichten im Volk. Man kann auch Strom, Treibstoffe und Heizenergie oder auch ganze Branchen wie z.B. die Chemieindustrie gesondert behandeln, um unerwünschte strukturelle Verschiebungen zu vermeiden oder zu verlangsamen. Aber keinesfalls soll man den Fehler machen, nicht nachhaltige Strukturen auf Dauer zu subventionieren. Der Modernisierungsdruck soll überall spürbar sein.
Internationale Koordination wäre wünschenswert, ist aber nicht nötig. Der Pfad ist so sanft, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen. Japan hat in den 1970er Jahren einen bemerkenswerten Alleingang mit hohen Energiepreisen gemacht und ist damit glänzend gefahren. Zwar emigrierten die Aluminiumschmelzen, aber dafür wurde das Hochgeschwindigkeitszugnetz Shinkansen entwickelt (übrigens mit viel Aluminium gebaut) und die Digitalkamera, die "fünfte Computergeneration" und viele andere hochtechnologische Neuheiten. Die japanische Industrie florierte besser als alle konkurrierenden Wirtschaften, die versuchten, um ihrer Industrie willen die Energiepreise niedrig zu halten. Dass Japan gleichzeitig auch die Kernenergie forcierte, hat die hohen Energiepreise keineswegs gesenkt und ist für unser Argument unerheblich.
Wem diese Strategie einleuchtet, der könnte zu einem neuen Verständnis von CSR kommen - einem, bei dem die Wirtschaft (oder Teile) mit dem Staat kooperiert, um die Verteuerung der knappen Ressourcen so zu gestalten, dass der wirtschaftliche Nutzen die Kosten deutlich überwiegt. Die Wirtschaft kann dem Staat abringen, im gleichen Zug auch Vorschriften abzubauen, die überflüssig werden, sobald das Preissignal Wirkung tut, und die Steuerlast insgesamt zu senken, sobald sich die Wirtschaft aus Eigeninteresse für bestimmte öffentliche Aufgaben, etwa Forschung für die ökologische Modernisierung, engagiert.
Ernst Ulrich von Weizsäcker |
Der Begriff, auf den sich heute ein großer Teil der Unternehmensverantwortung bezieht, ist die Nachhaltigkeit. Das Wort steht für Ausgewogenheit der wirtschaftlichen mit den sozialen und ökologischen Aspekten. Diese Ausgewogenheit muss sich jedoch in einer Welt behaupten, in welcher das Wirtschaftliche alles andere dominiert. Fällt der Börsenwert eines Unternehmens, wird es alsbald zum Kandidaten für die Übernahme durch einen Konkurrenten oder eine Investorenfirma. Das bedeutet fast immer, dass die ökologischen und sozialen Aspekte erst einmal zum Schweigen gebracht werden.
In dieser Schieflage müsste eigentlich die öffentliche Hand korrigierend eingreifen und diese Aspekte durch rechtliche Rahmenbedingungen hochhalten. Doch welcher Nationalstaat tut das, wenn dies bedeutet, dass dadurch systematisch die Gewinnsituation und damit der Börsenwert der Unternehmen im Lande abfällt? Man kann versuchen, sich international oder zumindest EU-weit zu koordinieren, aber die Verhandlungen über Klimaschutz oder die Kern-Arbeitsnormen zeigen, dass diese Koordination verdammt schwierig und langsam ist.
In dieser Lage ist es für die Umwelt und die sozialen Belange, für die ausgewogene Nachhaltigkeit, am besten, wenn man sich zunächst auf Bereiche konzentriert, wo das Wirtschaftliche nicht leidet, wenn man ökologisch und sozial vorangeht.
Profitabler Klimaschutz?
Die letzten Jahre des teuren Öls und die Sorge vor weiteren Preissteigerungen haben viele Firmen der Welt - unter ihnen Siemens, GE, Toshiba, Walmart und Otto -auf den Gedanken gebracht, dass man mit Energieeffizienz besser verdienen kann, als mit der alten Bequemlichkeit. Auch staatliche Behörden in aller Welt haben vermehrt auf Energieeffizienz gesetzt. Dabei gibt es zwei verschiedene Arten des Profits durch Effizienz: Das eine sind die Käufer von Energie, die weniger berappen müssen, wenn sie ihren Energieverbrauch effizienter gestalten. Das ist vor allem die Lage der Behörden oder des Handels, also z.B. Otto oder Walmart. Die andere Art von Profit entsteht bei den Anbietern von energieeffizienten Geräten. Hier sind Siemens, GE und Toshiba zu Hause.
Im neuen Buch, "Faktor Fünf" (siehe Kasten) gehen die Autoren davon aus, dass die Effizienzfortschritte unserer Tage erst ein ganz bescheidener Anfang einer großen Revolution sind. Eine im Wesentlichen alle Wirtschaftsbranchen und alle Konsumbereiche erfassende Effizienzrevolution könnte innerhalb von einer oder zwei Generationen zu einer Verfünffachung der Energieproduktivität oder allgemeiner der Ressourcenproduktivität führen. Das ist eine technologische Vision.
Sie kann erst zur wirtschaftlichen Wirklichkeit werden, wenn sie richtig rentabel ist. Dies wird aber erst dann der Fall sein, wenn Energie- und Ressourcenpreise systematisch nach oben gehen. Das braucht der Wirtschaft überhaupt nicht zu schaden. Man muss nur verhindern, dass (wie während der Ölkrisen der 1970er Jahre und ab 2007) unsinnige Mengen Geldes in die ölexportierenden Länder abfließen, dass vorhandene Industrien auswandern und dass ärmere Volksschichten Schaden nehmen. Die Vermeidung solcher Schäden ist die Idee der in "Faktor Fünf" beschriebenen stetigen Ökosteuerreform. Die Zielsetzung ist es, den Klimaschutz zum wirtschaftlichen Renner zu machen und die Länder, die mitmachen, technologisch an die Weltspitze zu katapultieren.
Stetige Ökosteuerreform
Die Grundidee ist, die Energiepreise jedes Jahr im ungefähren Gleichschritt mit der Steigerung der Energieproduktivität anzuheben. Damit würde man gewissermaßen die 150-jährige Erfolgsgeschichte der Steigerung der Arbeitsproduktivität kopieren, welche ja im ungefähren Gleichschritt mit den Bruttolohnkosten zugenommen hat. So ähnlich soll es nun mit den heute knappen und viel zu unproduktiven Faktoren Energie und Ressourcen gehen. Die Produktivität soll laufend zunehmen, die Klima- und Umweltkrisen sollen schrumpfen, und der zusätzlich erwirtschaftete Wohlstand soll fair verteilt werden.
Erstaunlicher Abwärtstrend: Entwicklung der Rohstoffpreise 1800-2004. Im Gegensatz zur Arbeitskraft wurden Ressourcen seit der Industrialisierung immer billiger. Nun ist es an der Zeit, Rohstoffe entsprechend ihrer realen Verfügbarkeit und Endlichkeit zu bepreisen. |
Das ist die Grundidee. Die politische Konkretisierung kann Unterschiede machen. Da der technische Fortschritt bei modernen Branchen früher ankommt als bei alten, darf man aus Fairnessgründen die langsameren Branchen zeitlich etwas schonen. Analoges gilt für ärmere Schichten im Volk. Man kann auch Strom, Treibstoffe und Heizenergie oder auch ganze Branchen wie z.B. die Chemieindustrie gesondert behandeln, um unerwünschte strukturelle Verschiebungen zu vermeiden oder zu verlangsamen. Aber keinesfalls soll man den Fehler machen, nicht nachhaltige Strukturen auf Dauer zu subventionieren. Der Modernisierungsdruck soll überall spürbar sein.
Internationale Koordination wäre wünschenswert, ist aber nicht nötig. Der Pfad ist so sanft, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen. Japan hat in den 1970er Jahren einen bemerkenswerten Alleingang mit hohen Energiepreisen gemacht und ist damit glänzend gefahren. Zwar emigrierten die Aluminiumschmelzen, aber dafür wurde das Hochgeschwindigkeitszugnetz Shinkansen entwickelt (übrigens mit viel Aluminium gebaut) und die Digitalkamera, die "fünfte Computergeneration" und viele andere hochtechnologische Neuheiten. Die japanische Industrie florierte besser als alle konkurrierenden Wirtschaften, die versuchten, um ihrer Industrie willen die Energiepreise niedrig zu halten. Dass Japan gleichzeitig auch die Kernenergie forcierte, hat die hohen Energiepreise keineswegs gesenkt und ist für unser Argument unerheblich.
Wem diese Strategie einleuchtet, der könnte zu einem neuen Verständnis von CSR kommen - einem, bei dem die Wirtschaft (oder Teile) mit dem Staat kooperiert, um die Verteuerung der knappen Ressourcen so zu gestalten, dass der wirtschaftliche Nutzen die Kosten deutlich überwiegt. Die Wirtschaft kann dem Staat abringen, im gleichen Zug auch Vorschriften abzubauen, die überflüssig werden, sobald das Preissignal Wirkung tut, und die Steuerlast insgesamt zu senken, sobald sich die Wirtschaft aus Eigeninteresse für bestimmte öffentliche Aufgaben, etwa Forschung für die ökologische Modernisierung, engagiert.
Von Ernst Ulrich von Weizsäcker
Faktor Fünf Das Buch besteht aus zwei Teilen. Der erste ist der technologische und wurde von einem australischen Team unter Leitung von Charlie Hargroves entworfen. Beschrieben werden die riesigen Effizienzpotenziale, auch in den als ökologisch schwierig geltenden Branchen: Industrie, Verkehr, Landwirtschaft sowie die vergleichsweise einfache Branche der Gebäudebewirtschaftung. Der zweite Teil von Ernst von Weizsäcker, diskutiert die politische Umsetzung. Die Kapitel behandeln je ein Thema: die ökonomischen Instrumente, den Rebound- oder Bumerangeffekt, die sanfte Ökosteuer, die Balance zwischen Markt und Staat und schließlich die Genügsamkeit. Das Buch erschien 2009 auf englisch und (aktualisiert) 2010 auf deutsch und chinesisch. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Karlson "Charlie" Hargroves u.a.: Faktor Fünf. München; Droemer 2010. |
Lesen Sie mehr zu diesem Thema im Magazin "forum Nachhaltig Wirtschaften" 2/2011 mit dem Schwerpunkt Ressourcen und dem Special Ernährung & Landwirtschaft. Das Magazin umfasst 148 Seiten und ist zum Preis von 7,50 ? zzgl. 3,00 ? Porto & Versand (innerhalb Deutschlands) direkt hier zu bestellen. Oder unterstützen Sie uns durch ein forum-Abonnement |
Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 11.04.2011
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