Elektroschrott
Wertvolle Rohstoffe für Europa
Der Abfallstrom an Altgeräten wächst. Daher sind dringend weitere effiziente Maßnahmen geboten, um die wertvollen Rohstoffe aus Altgeräten zu sichern, Ressourcen zu schonen und eine umweltverträgliche Entsorgung zu gewährleisten.
Am 3. Februar 2011 hat das Europäische Parlament (EP) in erster Lesung der Novellierung der europäischen Altgeräterichtlinie von 2003 (WEEE-Richtlinie) für ein neues Sammelziel von 85 Prozent des angefallenen E-Schrotts ab 2016 zugestimmt. Der Entwurf der Kommission sah bisher eine Erfassungsquote von 65 Prozent als neue Zielsetzung vor. Mit weiteren Änderungen am Kommissionsentwurf von 2008 will das Parlament unter anderem erreichen, dass die Mitgliedsstaaten die Sammelziele und die Verwertung kontrollieren, sowie den illegalen Export von Elektroschrott aus der EU verhindern. "Wir haben Erkenntnisse aus Ländern mit großen Häfen gesammelt. Dort wurden 420 Container mit hochwertigem Elektronikschrott geprüft, und davon waren 360 illegal", so der ehemalige Vorsitzende des Umweltausschusses, Karl-Heinz Florenz. Nun muss sich der Ministerrat zu dem EP-Beschluss äußern. Wann eine endgültige Verabschiedung der Änderungsrichtlinie zu erwarten ist, steht noch nicht fest.
Was die Theorie verspricht...
Die WEEE-Richtlinie wurde 2005 durch das Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG) in Deutschland umgesetzt. Das Gesetz regelt die Produktverantwortung der Hersteller und bezweckt vorrangig die Vermeidung von Abfällen. Darüber hinaus regelt es die Wiederverwendung, die stoffliche Verwertung und andere Verwertungsformen, um die zu beseitigende Abfallmenge zu reduzieren, sowie den Eintrag von Schadstoffen aus Elektro- und Elektronikgeräten in Abfälle zu verringern. Das bis dahin in Deutschland geltende Entsorgungssystem wurde komplett geändert. Während die Kommunen nur für die Sammlung und Erfassung für Altgeräte aus privaten Haushalten zuständig waren, lag die Zuständigkeit für die Abholung der Altgeräte bei den kommunalen Sammelstellen sowie für deren Wiederverwendung, Behandlung, Verwertung und Beseitigung bei den Herstellern. Die Kommunen müssen den Bürgern die entgeltlose Abgabe an Sammelstellen ermöglichen und die Kosten der Erfassung tragen; die Hersteller wiederum tragen die Kostenlast für die Bereitstellung der Behälter an den kommunalen Sammelstellen, die Abholung und die Entsorgung der Altgeräte. Sämtliche Hersteller von Altgeräten müssen sich bei der Stiftung für Elektroaltgeräte (EAR) registrieren lassen und für die Entsorgung ihrer Altgeräte aus privaten Haushalten eine insolvenzsichere Garantie nachweisen. Die EAR berechnet die Abholpflichten der Hersteller und löst nach "Behälter voll"-Meldungen der Kommunen dementsprechend Abholanordnungen an die Hersteller aus. Bislang wird durch das Gesetz eine durchschnittliche Quote von vier Kilogramm getrennt gesammelter Altgeräte aus privaten Haushaltungen pro Einwohner und Jahr vorgegeben. Diese Quote wird schon seit 2005 durch die Bundesrepublik weit übertroffen.
...kann die Praxis nicht halten!
Die Praxis zeigt erhebliche Fehlentwicklungen. Die in dem Gesetz herausgehobene Wiederverwendung findet kaum statt. Die Geräte weisen durch den Einwurf in Container, Transporte und Umladungen einen hohen Beschädigungsgrad auf. Kommunen, Logistiker und Entsorger arbeiten mit einem immensen Kostendruck bis zu einer bestimmten Schnittstelle, an der die Verantwortlichkeit anderer beginnt, ohne die Folgen ihres Handelns für die Qualität der Geräte zu berücksichtigen. Mit jedem weiteren Handling der Altgeräte verschlechtert sich die Qualität der Geräte. Insbesondere bei Bildschirmgeräten wurden dramatische Zerstörungsgrade verzeichnet.
Außerdem ist offensichtlich, dass viele Altgeräte nicht in dem Rücknahmesystem landen. Nach dem Bericht der Bundesregierung an die Europäische Kommission im Juli 2008 für das Jahr 2006 wurden in Deutschland ca. 1.836.913 Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte auf den Markt gebracht, Altgeräte wurden ca. 753.900 Tonnen eingesammelt. Die Diskrepanz zwischen in den Verkehr gebrachten und eingesammelten Geräten erklärt sich aus dem Erfassungssystem (Bringsystem führt dazu, dass Kleingeräte im Restmüll landen), dem zunehmenden Markt für Elektrogeräte und vor allem auch durch hohe Mengen illegaler Exporte.
Mehr als 155.000 Tonnen Elektroschrott werden nach einer vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen Studie jedes Jahr aus Deutschland weitgehend illegal ins außereuropäische Ausland geschafft, darunter allein rund 50.000 Tonnen PC- und Fernseh-Bildschirme, die neben Metallen auch flammhemmende Bromverbindungen wie gefährliche polybromierte Diphenylether (PentaBDE) enthalten können. Tatsächlich ist von einer höheren Zahl auszugehen. Aus den Zahlen in der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission geht hervor, dass gegenwärtig bereits 65 Prozent der in den Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte getrennt gesammelt werden, davon aber mehr als die Hälfte entweder nicht normgerecht behandelt oder illegal ausgeführt werden. Ursächlich für die illegalen Exporte ist die fehlende rechtsverbindliche Abgrenzung von Altgeräten und Gebrauchtgeräten, so dass viele faktische Altgeräte als Gebrauchtgeräte zur Wiederverwendung deklariert werden, um das Abfallverbringungsrecht zu umgehen. Auch sind die Kontrollen durch Behörden nicht strikt genug. Neben den Gefahrstoffen, die so unkontrolliert die EU verlassen, gehen auch wichtige Rohstoffe verloren. "Kostbare Rohstoffe vernünftig zu recyceln, ist bei steigenden Weltmarktpreisen - gerade für viele Metalle - auch ein ökonomisches Gebot der Vernunft", so UBA-Präsident Jochen Flasbarth.
Die Probleme wurden durch die Europäische Kommission erkannt und sollen durch die Änderungsrichtlinie gelöst werden. Dabei hat das Europäische Parlament seine Forderungen für eine notwendige Rohstoffsicherung für Europa stärker formuliert. Der Umgang mit Altgeräten muss derart optimiert werden, dass die Erhaltung der Rohstoffe im Vordergrund steht. Um die Wiederverwendung zu fördern, muss die Beschädigung der Geräte vermindert werden. Im Interesse einer möglichst weitgehenden Wiederverwendung von ganzen Geräten sollen nach dem Änderungsvorschlag des EP die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Sammelsysteme vor jeder weiteren Verbringung die Trennung wiederverwendbarer Geräte von getrennt gesammelten Altgeräten direkt an den Rücknahmestellen ermöglichen. Der Verlust wichtiger Sekundärrohstoffe durch illegale Exporte muss durch stärkere Kontrollen und Sanktionen unterbunden werden, um Rohstoffe für Europa zu sichern und Anreize zur Investition in inländische Verwertungs- und Recyclingtechnologien aufrecht zu erhalten und zu verstärken.
Berge, deren Wert erst noch erkannt werden muss: Noch werden viele Altgeräte als Gebrauchtgeräte zur Wiederverwendung deklariert, um das Abfallverbringungsrecht zu umgehen. |
Am 3. Februar 2011 hat das Europäische Parlament (EP) in erster Lesung der Novellierung der europäischen Altgeräterichtlinie von 2003 (WEEE-Richtlinie) für ein neues Sammelziel von 85 Prozent des angefallenen E-Schrotts ab 2016 zugestimmt. Der Entwurf der Kommission sah bisher eine Erfassungsquote von 65 Prozent als neue Zielsetzung vor. Mit weiteren Änderungen am Kommissionsentwurf von 2008 will das Parlament unter anderem erreichen, dass die Mitgliedsstaaten die Sammelziele und die Verwertung kontrollieren, sowie den illegalen Export von Elektroschrott aus der EU verhindern. "Wir haben Erkenntnisse aus Ländern mit großen Häfen gesammelt. Dort wurden 420 Container mit hochwertigem Elektronikschrott geprüft, und davon waren 360 illegal", so der ehemalige Vorsitzende des Umweltausschusses, Karl-Heinz Florenz. Nun muss sich der Ministerrat zu dem EP-Beschluss äußern. Wann eine endgültige Verabschiedung der Änderungsrichtlinie zu erwarten ist, steht noch nicht fest.
Was die Theorie verspricht...
Die WEEE-Richtlinie wurde 2005 durch das Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG) in Deutschland umgesetzt. Das Gesetz regelt die Produktverantwortung der Hersteller und bezweckt vorrangig die Vermeidung von Abfällen. Darüber hinaus regelt es die Wiederverwendung, die stoffliche Verwertung und andere Verwertungsformen, um die zu beseitigende Abfallmenge zu reduzieren, sowie den Eintrag von Schadstoffen aus Elektro- und Elektronikgeräten in Abfälle zu verringern. Das bis dahin in Deutschland geltende Entsorgungssystem wurde komplett geändert. Während die Kommunen nur für die Sammlung und Erfassung für Altgeräte aus privaten Haushalten zuständig waren, lag die Zuständigkeit für die Abholung der Altgeräte bei den kommunalen Sammelstellen sowie für deren Wiederverwendung, Behandlung, Verwertung und Beseitigung bei den Herstellern. Die Kommunen müssen den Bürgern die entgeltlose Abgabe an Sammelstellen ermöglichen und die Kosten der Erfassung tragen; die Hersteller wiederum tragen die Kostenlast für die Bereitstellung der Behälter an den kommunalen Sammelstellen, die Abholung und die Entsorgung der Altgeräte. Sämtliche Hersteller von Altgeräten müssen sich bei der Stiftung für Elektroaltgeräte (EAR) registrieren lassen und für die Entsorgung ihrer Altgeräte aus privaten Haushalten eine insolvenzsichere Garantie nachweisen. Die EAR berechnet die Abholpflichten der Hersteller und löst nach "Behälter voll"-Meldungen der Kommunen dementsprechend Abholanordnungen an die Hersteller aus. Bislang wird durch das Gesetz eine durchschnittliche Quote von vier Kilogramm getrennt gesammelter Altgeräte aus privaten Haushaltungen pro Einwohner und Jahr vorgegeben. Diese Quote wird schon seit 2005 durch die Bundesrepublik weit übertroffen.
...kann die Praxis nicht halten!
Die Praxis zeigt erhebliche Fehlentwicklungen. Die in dem Gesetz herausgehobene Wiederverwendung findet kaum statt. Die Geräte weisen durch den Einwurf in Container, Transporte und Umladungen einen hohen Beschädigungsgrad auf. Kommunen, Logistiker und Entsorger arbeiten mit einem immensen Kostendruck bis zu einer bestimmten Schnittstelle, an der die Verantwortlichkeit anderer beginnt, ohne die Folgen ihres Handelns für die Qualität der Geräte zu berücksichtigen. Mit jedem weiteren Handling der Altgeräte verschlechtert sich die Qualität der Geräte. Insbesondere bei Bildschirmgeräten wurden dramatische Zerstörungsgrade verzeichnet.
Außerdem ist offensichtlich, dass viele Altgeräte nicht in dem Rücknahmesystem landen. Nach dem Bericht der Bundesregierung an die Europäische Kommission im Juli 2008 für das Jahr 2006 wurden in Deutschland ca. 1.836.913 Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte auf den Markt gebracht, Altgeräte wurden ca. 753.900 Tonnen eingesammelt. Die Diskrepanz zwischen in den Verkehr gebrachten und eingesammelten Geräten erklärt sich aus dem Erfassungssystem (Bringsystem führt dazu, dass Kleingeräte im Restmüll landen), dem zunehmenden Markt für Elektrogeräte und vor allem auch durch hohe Mengen illegaler Exporte.
Mehr als 155.000 Tonnen Elektroschrott werden nach einer vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen Studie jedes Jahr aus Deutschland weitgehend illegal ins außereuropäische Ausland geschafft, darunter allein rund 50.000 Tonnen PC- und Fernseh-Bildschirme, die neben Metallen auch flammhemmende Bromverbindungen wie gefährliche polybromierte Diphenylether (PentaBDE) enthalten können. Tatsächlich ist von einer höheren Zahl auszugehen. Aus den Zahlen in der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission geht hervor, dass gegenwärtig bereits 65 Prozent der in den Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte getrennt gesammelt werden, davon aber mehr als die Hälfte entweder nicht normgerecht behandelt oder illegal ausgeführt werden. Ursächlich für die illegalen Exporte ist die fehlende rechtsverbindliche Abgrenzung von Altgeräten und Gebrauchtgeräten, so dass viele faktische Altgeräte als Gebrauchtgeräte zur Wiederverwendung deklariert werden, um das Abfallverbringungsrecht zu umgehen. Auch sind die Kontrollen durch Behörden nicht strikt genug. Neben den Gefahrstoffen, die so unkontrolliert die EU verlassen, gehen auch wichtige Rohstoffe verloren. "Kostbare Rohstoffe vernünftig zu recyceln, ist bei steigenden Weltmarktpreisen - gerade für viele Metalle - auch ein ökonomisches Gebot der Vernunft", so UBA-Präsident Jochen Flasbarth.
Die Probleme wurden durch die Europäische Kommission erkannt und sollen durch die Änderungsrichtlinie gelöst werden. Dabei hat das Europäische Parlament seine Forderungen für eine notwendige Rohstoffsicherung für Europa stärker formuliert. Der Umgang mit Altgeräten muss derart optimiert werden, dass die Erhaltung der Rohstoffe im Vordergrund steht. Um die Wiederverwendung zu fördern, muss die Beschädigung der Geräte vermindert werden. Im Interesse einer möglichst weitgehenden Wiederverwendung von ganzen Geräten sollen nach dem Änderungsvorschlag des EP die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Sammelsysteme vor jeder weiteren Verbringung die Trennung wiederverwendbarer Geräte von getrennt gesammelten Altgeräten direkt an den Rücknahmestellen ermöglichen. Der Verlust wichtiger Sekundärrohstoffe durch illegale Exporte muss durch stärkere Kontrollen und Sanktionen unterbunden werden, um Rohstoffe für Europa zu sichern und Anreize zur Investition in inländische Verwertungs- und Recyclingtechnologien aufrecht zu erhalten und zu verstärken.
Von Dr. Rebecca Prelle, Berliner Stadtreinigung
Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 9/2/2011
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