Unternehmen und Anleger

Die neuen Ents?

J. R. R. Tolkien hat in seinem Epos "Herr der Ringe" die "Ents" geschaffen, deren Aufgabe es war, die Pflanzen, insbesondere die Bäume, zu schützen. Einen solchen Schutz hätten die Wälder auch in der Realität bitter nötig: Um durchschnittlich 15.000 Hektar schrumpft die globale Waldfläche täglich. Doch Unternehmen aller Branchen sowie Anleger können das Jahr der Wälder zum Anlass nehmen, ihre Verantwortung im Handeln sichtbar zu machen: durch nachhaltiges Papiermanagement, zertifizierte Holzprodukte und die richtigen Anlagen.

"Bäume pflanzen Bäume abhauen"
Foto: © FVA
Nach Angaben der UN Food and Agriculture Organization (FAO) wurden im vergangenen Jahrzehnt etwa 13 Millionen Hektar Wald pro Jahr zerstört. Durch Wiederaufforstungsaktivitäten und natürliches Waldwachstum lag der Netto-Verlust des Waldes nach Schätzung der FAO zwischen 2000 und 2010 bei etwa 5,2 Millionen Hektar pro Jahr. Besonders wenn biodiversitätsreiche und schützenswerte Gebiete von Entwaldung betroffen sind, kann der Verlust dieser Lebensräume durch Wiederaufforstung jedoch nicht ausgeglichen werden. Mit dem 'Jahr der Wälder' 2011 wollen die Vereinten Nationen (UN) verstärkt auf diese nach wie vor besorgniserregende Entwicklung aufmerksam machen.

Ursachen der Entwaldung
Eine der wichtigsten Ursachen der Entwaldung ist die Umwandlung tropischer Wälder in landwirtschaftliche Flächen. Ein Beispiel hierfür ist die Gewinnung von Landfl ächen für die Erzeugung von Soja als Futtermittel zur Fleischerzeugung in Südamerika. Auch der verstärkte Anbau von Energiepflanzen ist hier relevant. Durch die steigende Weltbevölkerung wächst der Entwaldungsdruck zur Gewinnung neuer landwirtschaftlicher Flächen.
Großen Einfluss hat darüber hinaus der illegale Holzeinschlag und Handel. Das Europäische Parlament schätzt den Anteil des illegalen Holzeinschlags an der globalen Holzproduktion auf 20 bis 40 Prozent. Er umfasst sämtliche Vorgänge beim Fällen, Transport, Einkauf und Verkauf von Holz, bei denen gegen nationale oder internationale Gesetze verstoßen wird.

Dazu zählen beispielsweise das Fällen von Holz ohne Waldnutzungsrechte, Nutzungsrechte, die durch Korruption erschlichen wurden und das Abholzen geschützter Arten. Illegaler Einschlag von Holz stellt besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern ein großes Problem dar (vgl. Tabelle 1). Dritte zentrale Ursache des Rückgangs der Wälder sind die Auswirkungen des Klimawandels. Dazu zählen beispielsweise Veränderungen in den Niederschlagsmengen, Trockenheiten und zunehmende Waldbrände, die Verschiebung von Vegetationszonen, die Verbreitung von Schädlingen und die erwartete regionale Zunahme von extremen Wetterereignissen wie Stürmen und Starkregen. Gleichzeitig hat der Wald als so genannte Senke für CO2 eine wichtige Bedeutung bei den internationalen Klimaschutzverhandlungen. Waldreiche Nationen sollen durch die Bekämpfung der Entwaldung und die damit verbundene Bindung von CO2 ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Immerhin stammen nach Berechnungen des WWF 20 bis 25 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus der Vernichtung der Wälder.

Initiativen gegen die Zerstörung der Wälder durch Holznutzung
Neben dem illegalen Holzeinschlag führt auch legale, aber nicht nachhaltig umgesetzte Bewirtschaftung von Wäldern zur Schädigung oder schlimmstenfalls Zerstörung des Ökosystems Wald. Vor diesem Hintergrund sind in den vergangenen Jahren die Bemühungen intensiviert worden, den Schutz der Wälder zu erhöhen und eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder zu fördern. Große Bedeutung haben dabei zum einen Systeme zur Nachhaltigkeitszertifi zierung von Wäldern. Zum anderen sind hier Systeme zur Nachverfolgbarkeit ("Traceability") zu nennen, mit deren Hilfe die Herkunft von Holz über die gesamte Wertschöpfungskette zurückverfolgt werden kann.

Jegliches hat seine Zeit, verantwortliche Holznutzung lässt dem Wald Raum und Zeit zum Nachwachsen.
Foto: © FVA
Zertifizierungen gelten als Möglichkeit, um - aus Verkäufersicht - nachzuweisen oder - aus Käufersicht - sicher gehen zu können, dass Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt und nicht mit illegalem Holzeinschlag oder möglichen negativen Auswirkungen legaler Abholzung in Verbindung steht. Dieser Nachweis steht und fällt jedoch mit den Kriterien und Anforderungen des Labels sowie mit der Qualität der Kontrollen zu deren Einhaltung. Momentan existieren zwei große internationale Forstzertifizierungssysteme: FSC (Forest Stewardship Council) und PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes). Der FSC-Zertifizierung attestiert oekom research besondere Glaubwürdigkeit. Mitte 2010 waren ca. neun Prozent der globalen Waldfläche nach FSC oder PEFC zertifiziert.

Verantwortung der Unternehmen ...
Die nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern, die Nutzung von Holz aus zertifizierten Wäldern und die Überwachung der Quellen des Holzes sind auch die zentralen Stellschrauben, an denen Unternehmen aus den relevanten Branchen arbeiten. Dazu einige Beispiele aus den Branchenbewertungen von oekom research:

Holz & Papier
Es wird prognostiziert, dass der derzeitige weltweite Papierverbrauch von ca. 400 Millionen Tonnen bis 2020 auf rund 500 Millionen Tonnen jährlich anwachsen wird. Nachhaltiger Anbau und Bezug von Holz sind daher Kernthemen in der Papier- und Forstbranche. Die Unternehmen der Branche sollen sich in Nachhaltigkeitsrichtlinien u. a. dazu verpflichten, kein Holz (und keine Holzprodukte) aus illegalen oder unbekannten Quellen zu verwenden, es nicht aus Wäldern mit hohem Schutzwert zu beziehen und Plantagen nicht auf Flächen anzubauen, für deren Anpflanzung Wald gerodet wurde. Positiv werden Maßnahmen bewertet, die negative Auswirkungen der Bewirtschaftung von Wäldern oder Plantagen minimieren, beispielsweise die Zertifizierung von Wäldern/Plantagen und das Aufstellen von Bewirtschaftungsplänen unter Berücksichtigung von Biodiversitätskriterien, Wasser- und Bodenschutz sowie Pestizideinsatz. Gute Bewertungen erhalten Unternehmen zudem, wenn sie Systeme implementiert haben, die sicherstellen, dass Holz nicht aus kontroversen Quellen zugekauft wird. Dazu gehören Traceability-Systeme und Schulungen von Mitarbeitern im Einkauf sowie von Zulieferern. Positiv bewertet werden schließlich Strategien von Unternehmen, die Verwendung von recyceltem Holz und Zellstoff zu erhöhen. Gute Bewertungen in diesen Bereichen erreichen derzeit die beiden schwedischen Papierproduzenten Holmen und SCA sowie Stora Enso aus Finnland.

Bau
Schätzungen gehen davon aus, dass die Bauindustrie für 30 Prozent des weltweiten Rohstoffbedarfs und 70 Prozent des Bedarfs an Holz verantwortlich ist. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaffung entsprechender Materialien hat daher in dieser Branche hohe Bedeutung. Bei der Verwendung von Holz erwartet oekom research, dass die Unternehmen Holz aus Urwäldern konsequent ausschließen. Bestnoten im oekom Corporate Rating erhalten Unternehmen, die sich in unternehmenseigenen Leitlinien sowohl zum Verzicht auf den Bezug von Holz aus Urwäldern und aus illegalem Holzeinschlag verpflichten, als auch zur Verwendung von Holz aus (zertifi ziert) nachhaltiger Forstwirtschaft. In die Bewertung fließt zusätzlich der Anteil des verwendeten Holzes ein, das aus Wäldern mit FSC-Zertifizierung oder einer anderen Zertifi zierung stammt. Am besten schneiden hier derzeit die beiden britischen Bauunternehmen Taylor Wimpey und Balfour Beatty ab.

Medien
Obwohl elektronische Zeitungen und Nachrichten-Apps weiter auf dem Vormarsch sind, haben Printerzeugnisse in der Medienbranche weiter hohe Bedeutung. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) erscheinen allein in Europa täglich 2.493 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von gut 87 Millionen Exemplaren. Auch wenn beispielsweise in Deutschland heute Zeitungsdruckpapier zu rund 70 Prozent aus Altpapier hergestellt wird, ist der weltweite Bedarf an Holz für die Papierherstellung im Medienbereich nach wie vor gewaltig.

Foto: © FVA
Vor diesem Hintergrund bewertet oekom research in der Medienbranche zum einen, ob die Unternehmen Leitlinien zur Papierbeschaffung verabschiedet haben, in denen klare Vorgaben für die Herkunft und umweltbezogene Qualität des verwendeten Papier definiert werden. Zum anderen wird analysiert, wie die Umsetzung der Leitlinien durch die Zulieferer unterstützt und kontrolliert wird. Dazu zählen z.B. Audits bei den Zulieferern, Schulungen sowie die Einführung von Systemen zur Rückverfolgbarkeit. Schließlich wird bewertet, wie hoch der Anteil von Recyclingpapier und zertifiziertem Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft am insgesamt verwendeten Papier ist. Die besten Noten bei diesen Kriterien erreichen aktuell das britische Medienunternehmen Pearson und der deutsche Axel Springer Verlag.

... und der Kapitalanleger
Investitionen in Wald haben eine lange Tradition, schon seit Jahrhunderten investieren beispielsweise Adel und Kirche in Wälder. In jüngerer Zeit haben auch andere institutionelle und private Investoren diese Anlageklasse für sich entdeckt. Gleichzeitig ist das Angebot entsprechender Anlageprodukte deutlich gestiegen. Die FAO gibt beispielsweise an, dass sich die Investitionen institutioneller Anleger in Nutzwälder und Plantagen von weniger als 1 Milliarde US-Dollar 1985 auf mehr als 30 Milliarden US-Dollar im Jahr 2007 vervielfacht haben. Dabei lassen sich folgende Anlagemöglichkeiten unterscheiden:

1. Direkte Waldanlagen
Über offene oder geschlossene Wald-Fonds haben Anleger die Möglichkeit, von Wertentwicklungen bei Holz und auch Preisen von Waldflächen zu profi tieren. Auch eigener Waldbesitz ist eine Möglichkeit der direkten Anlage. Waldinvestments haben nach Aussage von Experten eine geringe Korrelation zu anderen Asset-Klassen. Sie sind, im Gegensatz zu anderen Asset-Klassen, relativ unbeeindruckt von der Konjunktur, denn unabhängig von Börsenbewegungen und der allgemeinen Wirtschaftslage wachsen die Bäume weiter. Der Holzpreis kann in dieser Zeit natürlich sinken, jedoch kann mit dem Einschlagen des Holzes oder dessen Weiterverkauf gewartet werden, bis sich der Preis erholt hat.

2. Indirekte Waldanlagen
Indirekte Anlagen sind möglich über Aktien von Forstunternehmen, börsennotierte Waldgesellschaften, die häufig als REIT angelegt sind, entsprechende Zertifikate und Fonds. Der nordamerikanische NCREIF Timberland Index gilt weltweit als wichtige Benchmark. Er misst die Performance von US-Waldinvestments. Bei indirekten Anlagen ist die Korrelation zu anderen Anlagen nach Aussage von Experten deutlich höher als bei direkten Anlagen. Anleger sollten die gleichen strengen Nachhaltigkeitsmaßstäbe an die Wälder anlegen, in die sie investieren, wie die Vorreiter in den oben genannten Branchen. So können auch sie - fast wie Tolkiens Ents - zum Schutz der Wälder beitragen.

 
Von Rolf D. Häßler und Ellen Mayer

Im Profil

Rolf D. Häßler ist Leiter der Unternehmenskommunikation, Ellen Mayer ist Senior Analystin bei der oekom research AG in München.

Die oekom research AG analysiert als Nachhaltigkeits-Ratingagentur mehr als 3.000 Unternehmen weltweit und über 50 Länder hinsichtlich ihrer ökologischen und sozialen Performance.

Weitere Informationen zum Thema bietet das oekom Position Paper Forst & Holz, das unter info@oekom-research.com bestellt werden kann.


Quelle:
Umwelt | Umweltschutz, 12.10.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2011 - Stadt der Zukunft erschienen.
     
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