Symposium zur Energie-Systemtechnik

Fortschritte zur Netzintegration erneuerbarer Energien

Die vielfältigen Herausforderungen, Energieversorgung dezentral und vernetzt umzusetzen, standen im Mittelpunkt des 16. Kasseler Symposiums Energie-Systemtechnik, zu dem vom 6. - 7. Oktober 2011 über 230 Experten aus Europa zusammengekamen. Die Netzintegration von Windenergie sowie die Frage, wie Stromnetze auf hohe Einspeisung durch Photovoltaik reagieren, waren für die Wissenschaftler von besonderer Bedeutung.

Zum 16. Kasseler Symposium Energie-Systemtechnik konnte Tagungsleiter Dr. Philipp Strauß vom Fraunhofer IWES über 230 Fachleute zum Informationsaustausch begrüßen.
Foto: © Fraunhofer IWES
Energiesystemtechnik ist ein zentraler Begriff für das Gelingen der Energiewende bis 2050. Die Einspeisung von regenerativen Energien in das Stromnetz sowie die Entwicklung von intelligenten Steuertechniken für Energiesysteme sind Ziel der Bundesregierung, um die Schonung natürlicher Ressourcen voranzutreiben. Das 16. Kasseler Symposium Energie-Systemtechnik widmete sich der Frage, wie hohe Anteile erneuerbarer Energie in unser Stromnetz integriert werden können. Vom 6. - 7. Oktober 2011 kamen in Kassel Fachleute zusammen, um Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Netzintegration vorzustellen. Die Forscher des Fraunhofer IWES setzen in vielen Modellregionen ihre Konzepte um. Beispiele wie die E-Energy-Projekte RegModHarz und die Modellstadt Mannheim floßen in die Vorträge der Wissenschaftler ein.

Der Wissenschaftliche Tagungsleiter, Dr. Philipp Strauß, fasst das Spektrum des Symposiums wie folgt zusammen: "Es werden sowohl Fragen zur Spannungshaltung im Verteilnetz bei starker Einspeisung durch Photovoltaikanlagen als auch Fragen zur Netzintegration von Windkraft diskutiert. Zunehmend wichtig werden auch dezentrale Netzdienstleistungen und damit Beiträge sehr vieler kleiner Anlagen zur Regelung bzw. zur Stabilisierung des Versorgungssystems. Auch die Anschlussrichtlinien müssen Schrittweise den wachsenden Anforderungen angepasst werden. Sie haben zwar teilweise nur lokale Bedeutung, bezüglich des Frequenzverhaltens dezentraler Generatoren besteht jedoch dringender Harmonisierungsbedarf auf Europäischer Ebene. Neben der intelligenten Einspeisung und Nutzung von regenerativen Energien (Stichwort "Smart Grids") spielt die Netzstabilität eine besondere Rolle."

Netzanschlusskapazität für Photovoltaikanlagen steigern
Durch die stetig wachsenden Erzeugungskapazitäten von Generatoren mit fluktuierenden Einspeiseprofilen ergeben sich neue Anforderungen an die Stromverteilnetze. Auf der Niederspannungsebene entstehen hierdurch - besonders durch den rapiden Zubau von Photovoltaikanlagen - Herausforderungen bzgl. der Einhaltung des zulässigen Spannungsbandes. Als Alternative zu einem konventionellen Netzausbau bieten sich Lösungsansätze an, durch eine entsprechende Betriebsführung der Erzeugereinheiten sowie durch zusätzliche leistungselektronische Netzbetriebsmittel die Spannung aktiv zu regeln.

Das Fraunhofer IWES untersucht in Kooperation mit der SMA Solar Technology AG aus Niestetal, wie sich hohe Stromeinspeisungen durch Photovoltaik im Stromnetz verhalten. Das Projekt Photovoltaische Energiemanagement-Station (PVEMS) erforscht, gefördert durch Mittel des Bundesumweltministeriums, dezentrale PV-Anlagen insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Netzintegration. "Dabei spielt unter anderem die Blindleistung eine wichtige Rolle: Sie entsteht, wenn sich die normalerweise phasengleich verlaufenden Kurven von Strom und Spannung verschieben. Speist man die Blindleistung zusätzlich mittels Solarwechselrichter in das Stromnetz ein, kann die Spannungshöhe am Netzanschlusspunkt beeinflusst werden. Somit kann die Spannung gehalten werden und das Netz kann zusätzliche PV-Anlagen aufnehmen. Die Kapazitäten des Stromnetzes können so weiter gesteigert werden", erklärt Prof. Bernd Engel, der bei der Weltmarktführerin für Solarwechselrichter, SMA Solar Technology AG, zuständig für die Netzintegration ist.

Leistungselektronik für die Netzregelung im Verteilnetz
Die Bedeutung von Längsreglern spielt in den Beiträgen des Kompetenzzentrums für Dezentrale Elektrische Energieversorgungstechnik (KDEE) der Universität Kassel eine wichtige Rolle. Diese bieten eine zusätzliche Option, durch eine aktive Spannungsregelung die Aufnahmekapazität von dezentralen Generatoren in Niederspannungsnetzen zu erhöhen. Prof. Dr. Peter Zacharias, Leiter des KDEE, zeigt in seinem Vortrag zum Symposium an untersuchten exemplarischen Szenarien das Potenzial von Längsreglern für die Erhöhung der Aufnahmekapazität von Niederspannungsnetzen für erneuerbare Erzeugungseinheiten auf. "Diese sind in bestehende Ortsnetzstationen integrierbar und ermöglichen unter Vermeidung eines Netzausbaus eine deutliche Erhöhung der Aufnahmekapazität für dezentrale Erzeugungseinheiten.", so sein Fazit. Die Ergebnisse stammen aus dem vom BMU geförderten Forschungsprojekt zur Entwicklung einer aktiven intelligenten Netzstation.

Photovoltaiktestfeld vor dem Laborgebäude im neuen Testzentrum Intelligente Netze und Elektromobilität SysTec des Fraunhofer IWES in Fuldatal-Rothwesten nahe Kassel.
Foto: © Fraunhofer IWES | Andreas Fischer
Neues Testzentrum für Netzintegration
Den Tagungsteilnehmern wird zudem die Möglichkeit gegeben, Test- und Prüfmöglichkeiten für die Netzintegration im neu eröffneten IWES-SysTec zu besichtigen. Das IWES-SysTec bietet mit einem ca. 80.000 m² große Freigelände genügend Platz für den Test dezentraler Erzeugungseinheiten mit sehr guten Bedingungen für Solar- und Windenergie. Weiterhin gibt es auf dem Freigelände konfigurierbare Verteilnetzabschnitte (Niederspannung und Mittelspannung).

»Mit dem neuen Testzentrum für intelligente Netze und Elektromobilität IWES-SysTec konnten wir eine einzigartige Forschungsumgebung konfigurieren und aufbauen, mit der wir zukünftig neue Betriebsmittel und Betriebsverfahren für intelligente Nieder- und Mittelspannungsnetze testen und qualifizieren können. Die Verlässlichkeit neuer Systemkomponenten für eine Stromversorgung mit erneuerbaren Energien ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den anstehenden Umbau der Netze«, zeigen sich Dr. Philipp Strauß, Bereichsleiter Anlagentechnik und Netzintegration am Fraunhofer IWES in Kassel, und Dr. Thomas Degner, Gruppenleiter Elektrische Verteilnetze am IWES, überzeugt. Der Aufbau des Testzentrums wurde aus Mitteln des Konjukturpaketes II, des Landes Hessen, des BMU, des BMWi und des BMBF im Gesamtumfang von rund 9,5 Mio Euro gefördert.
Das IWES-SysTec enthält u.a. einen Prüfplatz für Nieder- und Mittelspannungs-Stromrichter, elektrische Maschinen oder Netzbetriebsmittel. Elektrische Eigenschaften und insbesondere Systemdienstleistungen von dezentralen Erzeugern im Leistungsbereich bis zu 6 MVA können dort entwickelt und getestet werden. Ein mobiler Prüf-Container, mit dem das Netzfehlerverhalten (Fault-Ride-Through) von Erzeugungsanlagen vermessen werden kann ist in das Labor integriert.

Internationale Standardisierung und Industrieeinbindung
Das Kasseler Symposium Energie-Systemtechnik bietet zudem Gelegenheit Anstrengungen in der Normung von Komponenten im Bereich der Systemtechnik voranzutreiben. Das Exzellenznetzwerk "Distributed Energy Resources Laboratories" (DERlab) entwickelt für Windenergie und Energiesystemtechnik zusammen mit seinen Projektpartnern gemeinsame Anforderungen und Qualitätskriterien für den Anschluss und den Betrieb von dezentralen Stromerzeugern. Der Verein arbeitet an einem neuen Industriearbeitskreis zur Netzintegration. "Aufgrund des rasanten Wachstums der Integration dezentraler Stromerzeuger in die Netze und den intensiven Fachgesprächen beim 16. Kasseler Symposium Energiesystemtechnik, will das Fraunhofer IWES einen Industriearbeitskreis zur Netzintegration schaffen. Dies würde Forschungsergebnisse schneller in Produkte einfließen lassen und umgekehrt Erfahrungen aus der Industrie in die Agenda der Forscher integrieren.", so Dr. Philipp Strauß zu einer neuen Initiative der Kasseler Energiesystemtechnikexperten.

Quelle:
Technik | Energie, 11.10.2011

     
        
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