Das Fleisch ist willig, aber der Markt ist schwach.
Biodiversitätsengagement in der Lebensmittelwirtschaft
Von Sylvia Pfaff
Das Jahr 2010 wurde zum "Jahr der Biodiversität" erklärt. Grund genug, einmal in der Lebensmittelwirtschaft in Deutschland zu recherchieren und aktuelle Praxisbeispiele zusammenzutragen. In Bezug zum Handbuch für Biodiversitätsmanagement von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Leuphana Universität Lüneburg wurden Handlungsfelder der Lebensmittelwirtschaft abgefragt. Kein befragtes Unternehmen hat alle Handlungsfelder aktiv besetzt. Der Fokus liegt auf dem Einkauf nachhaltiger Rohstoffe und auf nachhaltiger Produktion. Hier sind Fortschritte zu verzeichnen, aber sie werden durch die Realität des Marktes eingeholt.
Biodiversität bedeutet übersetzt "Vielfalt des Lebens"; der Begriff kann auf verschiedenen Ebenen angewendet werden. Mit diesem Begriff wird in einem allgemeinen Zusammenhang der gesamte Artenreichtum auf der Erde bezeichnet. Alljährlich werden gigantische Flächen von Lebensraum vernichtet. Der größte Teil der Zerstörung findet in Schwellenländern statt. Durch Ausbeutung der Rohstoffe dieser Länder und durch den Kauf daraus hergestellter Produkte sind die Industrieländer direkt oder indirekt an dieser Zerstörung beteiligt.
Ein Unternehmen muss sich aus verschiedenen Gründen nachhaltig positionieren. Auch wenn das Thema Biodiversität alle Bereiche eines Unternehmens berührt, wurde bei der Recherche deutlich, dass sich die Lebensmittelwirtschaft zur Zeit noch auf das Handlungsfeld "Produkt" - z.B. durch Einsatz nachhaltiger Rohstoffe oder nachhaltiger Verpackung - konzentriert.
Interessenskonflikte Verpackung
So meldete Unilever zur Interpack 2011, dass es "zukünftig nur noch Papier- und Kartonverpackungen aus nachhaltig angebauten Holzbeständen einsetzen wird. In den nächsten fünf Jahren werden 75 Prozent aller Verpackungen aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern oder rezykliertem Material stammen und bis 2020 soll die Umstellung vollständig abgeschlossen sein. Unilever ist das weltweit erste Konsumgüterunternehmen, das ein diesbezügliches Bekenntnis mit einem verbindlichen Zeitrahmen verknüpft." Für ihr Engagement wurde Unilever in Deutschland Ende letzten Jahres mit dem "Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2010" geehrt.
Solche Ansätze sind durchaus lobenswert, können aber auch neue Risiken mit sich bringen. So meldete das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) 2010: "Untersuchungen aus der Schweiz zeigen, dass Recyclingkartons hohe Mineralölanteile enthalten können. Ursprung der Mineralöle sind Druckfarben, wie sie üblicherweise im Zeitungsdruck verwendet werden. Werden Lebensmittel wie zum Beispiel Reis in derartigen Kartons verpackt, können Mineralöle aus dem Karton in größeren Mengen in das Lebensmittel übergehen. Wegen des hohen Anteils an Mineralölfraktionen mit kürzerkettigen und aromatischen Kohlenwasserstoffen sind derartige Kontaminationen von Lebensmitteln unerwünscht. Kürzerkettige Kohlenwasserstoffe werden vom Körper leicht aufgenommen, so dass bei häufigerem Verzehr derart belasteter Lebensmittel die toxikologischen Grenzwerte überschritten werden können."
Grenzen der Beschaffung
Der Lebensmittelunternehmer hat daher viele Kriterien zu beachten und kann nicht immer gleich als Buhmann hingestellt werden, wie der WWF es noch vor gut einem Jahr in Bezug auf die Verwendung von nachhaltigem Palmöl getan hat. Auch wenn die genutzten Anteile am nachhaltigen Palmöl in den letzten Jahren stark gestiegen sind und auf eine höhere Nachfrage in der Lebensmittelwirtschaft schließen lassen (siehe Grafik), so macht die Nachfrage nach nachhaltigem Palmöl knapp zehn Prozent der Weltjahresproduktion von 51,2 Millionen Tonnen Palmöl aus. Hiervon gehen immerhin drei Viertel in die Nahrungsmittelindustrie.
Das Dilemma beim nachhaltigen Palmöl liegt aber nicht nur in der Nachfrage seitens der Wirtschaft. Es liegt auch in der verbesserungswürdigen Logistik. An zu vielen Stellen werden in den Produktionsländern noch konventionelle und nachhaltige Palmfrüchte vermischt. Es gibt keine separaten Ölmühlen, keine separaten Schiffe oder andere Lieferwege für nachhaltiges Palmöl. Diese Logistik wird gerade erst aufgebaut, um der Lebensmittelwirtschaft den Zugang zu erleichtern. Sie ist kostspielig, aber nicht unmöglich. Problematisch ist daher auch die Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette, die beweist, ob nachhaltig wirklich nachhaltig ist. Nestlé hat sich 2009 verpflichtet, bis spätestens 2015 nur noch nachhaltig angebautes Palmöl zu verwenden. Bis Ende 2011 wolle man bereits 50 Prozent erreicht haben. "Wir werden keine Versprechen machen, die wir nicht halten können", sagt Achim Drewes, Public Affairs Manager bei Nestlé Deutschland. "Unsere Lieferkette wird lückenlos mit einem externen Partner, The Forrest Trust, auf Risikofaktoren im Anbau und notwendige Maßnahmen geprüft. Lieferanten, die unsere Anforderungen noch nicht erfüllen, erhalten Unterstützung bei der Anpassung oder werden ersetzt. Dies erfordert Zeit." Die Komplexität beim Palmöl erfordert eben ein genaues Hinsehen.
Der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO) treibt dieses Thema mit den Kräften von Produzenten, Händlern und Abnehmern voran. Möglicherweise muss auch der Verbraucher seinen Teil dazu beitragen, aber bis es soweit ist, sollte die Logistik aufgestellt sein. In der Zwischenzeit funktioniert der Handel von nachhaltigem Palmöl über ein Zertifikatssystem (www.greenpalm.org), das einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem funktionierenden Markt für nachhaltiges Palmöl darstellt.
Konsum kann helfen
Der Verbraucher ist ein wichtiges Rädchen im Getriebe der Nachhaltigkeit. So können besondere Tierrassen aufgrund der Vermarktung ihres Fleisches erhalten werden. Das Limburger Rind z.B. wird auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin 2011 einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Im Zuge des bewussten Verbrauchs von Fleisch werden somit nachhaltige Alternativen geboten. Karl von Koerber und Jürgen Kretschmer zählten im kritischen Agrarbericht 2009 auf, wie die Klimabelastung durch die Ernährungsformen beeinflusst wird:
Das Thema Biodiversität ist als solches zwar noch nicht in der Lebensmittelwirtschaft angekommen, aber Initiativen zur Nachhaltigkeit nehmen aus verschiedenen Beweggründen zu. Die Beispiele zeigen auch, dass die Forderung nach Nachhaltigkeit aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden muss.
Das Jahr 2010 wurde zum "Jahr der Biodiversität" erklärt. Grund genug, einmal in der Lebensmittelwirtschaft in Deutschland zu recherchieren und aktuelle Praxisbeispiele zusammenzutragen. In Bezug zum Handbuch für Biodiversitätsmanagement von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Leuphana Universität Lüneburg wurden Handlungsfelder der Lebensmittelwirtschaft abgefragt. Kein befragtes Unternehmen hat alle Handlungsfelder aktiv besetzt. Der Fokus liegt auf dem Einkauf nachhaltiger Rohstoffe und auf nachhaltiger Produktion. Hier sind Fortschritte zu verzeichnen, aber sie werden durch die Realität des Marktes eingeholt.
Biodiversität bedeutet übersetzt "Vielfalt des Lebens"; der Begriff kann auf verschiedenen Ebenen angewendet werden. Mit diesem Begriff wird in einem allgemeinen Zusammenhang der gesamte Artenreichtum auf der Erde bezeichnet. Alljährlich werden gigantische Flächen von Lebensraum vernichtet. Der größte Teil der Zerstörung findet in Schwellenländern statt. Durch Ausbeutung der Rohstoffe dieser Länder und durch den Kauf daraus hergestellter Produkte sind die Industrieländer direkt oder indirekt an dieser Zerstörung beteiligt.
Ein Unternehmen muss sich aus verschiedenen Gründen nachhaltig positionieren. Auch wenn das Thema Biodiversität alle Bereiche eines Unternehmens berührt, wurde bei der Recherche deutlich, dass sich die Lebensmittelwirtschaft zur Zeit noch auf das Handlungsfeld "Produkt" - z.B. durch Einsatz nachhaltiger Rohstoffe oder nachhaltiger Verpackung - konzentriert.
Interessenskonflikte Verpackung
So meldete Unilever zur Interpack 2011, dass es "zukünftig nur noch Papier- und Kartonverpackungen aus nachhaltig angebauten Holzbeständen einsetzen wird. In den nächsten fünf Jahren werden 75 Prozent aller Verpackungen aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern oder rezykliertem Material stammen und bis 2020 soll die Umstellung vollständig abgeschlossen sein. Unilever ist das weltweit erste Konsumgüterunternehmen, das ein diesbezügliches Bekenntnis mit einem verbindlichen Zeitrahmen verknüpft." Für ihr Engagement wurde Unilever in Deutschland Ende letzten Jahres mit dem "Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2010" geehrt.
Solche Ansätze sind durchaus lobenswert, können aber auch neue Risiken mit sich bringen. So meldete das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) 2010: "Untersuchungen aus der Schweiz zeigen, dass Recyclingkartons hohe Mineralölanteile enthalten können. Ursprung der Mineralöle sind Druckfarben, wie sie üblicherweise im Zeitungsdruck verwendet werden. Werden Lebensmittel wie zum Beispiel Reis in derartigen Kartons verpackt, können Mineralöle aus dem Karton in größeren Mengen in das Lebensmittel übergehen. Wegen des hohen Anteils an Mineralölfraktionen mit kürzerkettigen und aromatischen Kohlenwasserstoffen sind derartige Kontaminationen von Lebensmitteln unerwünscht. Kürzerkettige Kohlenwasserstoffe werden vom Körper leicht aufgenommen, so dass bei häufigerem Verzehr derart belasteter Lebensmittel die toxikologischen Grenzwerte überschritten werden können."
Grenzen der Beschaffung
Der Lebensmittelunternehmer hat daher viele Kriterien zu beachten und kann nicht immer gleich als Buhmann hingestellt werden, wie der WWF es noch vor gut einem Jahr in Bezug auf die Verwendung von nachhaltigem Palmöl getan hat. Auch wenn die genutzten Anteile am nachhaltigen Palmöl in den letzten Jahren stark gestiegen sind und auf eine höhere Nachfrage in der Lebensmittelwirtschaft schließen lassen (siehe Grafik), so macht die Nachfrage nach nachhaltigem Palmöl knapp zehn Prozent der Weltjahresproduktion von 51,2 Millionen Tonnen Palmöl aus. Hiervon gehen immerhin drei Viertel in die Nahrungsmittelindustrie.
Das Dilemma beim nachhaltigen Palmöl liegt aber nicht nur in der Nachfrage seitens der Wirtschaft. Es liegt auch in der verbesserungswürdigen Logistik. An zu vielen Stellen werden in den Produktionsländern noch konventionelle und nachhaltige Palmfrüchte vermischt. Es gibt keine separaten Ölmühlen, keine separaten Schiffe oder andere Lieferwege für nachhaltiges Palmöl. Diese Logistik wird gerade erst aufgebaut, um der Lebensmittelwirtschaft den Zugang zu erleichtern. Sie ist kostspielig, aber nicht unmöglich. Problematisch ist daher auch die Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette, die beweist, ob nachhaltig wirklich nachhaltig ist. Nestlé hat sich 2009 verpflichtet, bis spätestens 2015 nur noch nachhaltig angebautes Palmöl zu verwenden. Bis Ende 2011 wolle man bereits 50 Prozent erreicht haben. "Wir werden keine Versprechen machen, die wir nicht halten können", sagt Achim Drewes, Public Affairs Manager bei Nestlé Deutschland. "Unsere Lieferkette wird lückenlos mit einem externen Partner, The Forrest Trust, auf Risikofaktoren im Anbau und notwendige Maßnahmen geprüft. Lieferanten, die unsere Anforderungen noch nicht erfüllen, erhalten Unterstützung bei der Anpassung oder werden ersetzt. Dies erfordert Zeit." Die Komplexität beim Palmöl erfordert eben ein genaues Hinsehen.
Der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO) treibt dieses Thema mit den Kräften von Produzenten, Händlern und Abnehmern voran. Möglicherweise muss auch der Verbraucher seinen Teil dazu beitragen, aber bis es soweit ist, sollte die Logistik aufgestellt sein. In der Zwischenzeit funktioniert der Handel von nachhaltigem Palmöl über ein Zertifikatssystem (www.greenpalm.org), das einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem funktionierenden Markt für nachhaltiges Palmöl darstellt.
Konsum kann helfen
Der Verbraucher ist ein wichtiges Rädchen im Getriebe der Nachhaltigkeit. So können besondere Tierrassen aufgrund der Vermarktung ihres Fleisches erhalten werden. Das Limburger Rind z.B. wird auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin 2011 einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Im Zuge des bewussten Verbrauchs von Fleisch werden somit nachhaltige Alternativen geboten. Karl von Koerber und Jürgen Kretschmer zählten im kritischen Agrarbericht 2009 auf, wie die Klimabelastung durch die Ernährungsformen beeinflusst wird:
- Am stärksten: Ernährung mit viel Rind-, Schweine- und Lammfleisch,
- Stark: amerikanische Durchschnittskost (verschiedene Fleischsorten, auch Geflügelfleisch),
- Mittel: ovo-lakto-vegetarische Kost (kein Fleisch, aber viel Milchprodukte),
- Wenig: Ernährung mit viel Geflügelfleisch (kein Rind-, Schweine- und Lammfleisch) und
- Am wenigsten: vegane Ernährung
Im Profil Dr. Sylvia Pfaff ist Geschäftsführerin des Food Information Service Europe. www.fis-europe.net |
Quelle:
Umwelt | Biodiversität, 26.10.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2011 - Stadt der Zukunft erschienen.
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