Röttgen eröffnet UN-Dekade Biologische Vielfalt 2011-2020

Erhalt der biologischen Vielfalt ist Zukunftsinvestition

Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen hat heute in Berlin die UN-Dekade Biologische Vielfalt offiziell eröffnet. Er folgte damit einem Aufruf der Generalversammlung der Vereinten Nationen, im Jahrzehnt von 2011 bis 2020 den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Weltweit sind die Staaten, aber auch private Akteure gefordert, sich für die Natur und den Erhalt der biologischen Vielfalt einzusetzen. Führende Umweltverbände fordern die Bundesregierung deshalb zu entschlossenen Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt auf.

Unsere Wälder haben nicht nur einen großen Einfluss auf unser Klima, sie sind auch Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten.
Foto: © Philipp Ledényi
Der Bundesumweltminister machte deutlich, dass Politik für den Erhalt der biologischen Vielfalt eine lohnende Investition in die Zukunft ist: "Wer das Naturkapital antastet und verbraucht, statt es zu pflegen und langfristig zu erhalten, handelt unvernünftig - ökologisch, aber auch ökonomisch. Die derzeitige Finanzkrise birgt die Gefahr, dass mancher meint, in solchen Zeiten könne man sich Naturschutz nicht leisten. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist volkswirtschaftlich vernünftiger, in die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu investieren und die Auswirkungen unserer Handlungen auf die Ökosysteme und deren Leistungen von vornherein mit zu berücksichtigen. Dafür gibt es weltweit viele Beispiele".
Röttgen lud die gesellschaftlichen Akteure ein, die UN-Dekade mit auszugestalten und sich bereits 2012 unter dem Schwerpunktthema "Vielfalt genießen - Naturzeit ist Freizeit" mit eigenen Aktivitäten einzubringen. Er gab den Startschuss für einen Wettbewerb um die besten Dekade-Projekte, für den man sich ab heute bewerben kann. Prominente Dekade-Botschafterinnen und -Botschafter und engagierte junge Menschen als Jugendbotschafter werden sich ebenfalls für die biologische Vielfalt einsetzen. Röttgen: "Ich bin davon überzeugt, dass es uns gemeinsam gelingen wird, das Thema "Biologische Vielfalt" überall stärker ins Bewusstsein zu rücken und in wichtige politische und gesellschaftliche Prozesse zu integrieren".

Auf Bundesebene gibt es mehrere Initiativen des BMU, mit der der Bund auch Verantwortung für konkrete Investitionen in den Naturschutz auf der Fläche übernimmt. So wurden etwa im erfolgreichen Förderprogramm "Naturschutzgroßprojekte mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung" bisher 76 Projekte mit mehr als 400 Millionen Euro gefördert. Daneben werden 125.000 Hektar bundeseigene Flächen als "Nationales Naturerbe" langfristig erhalten. Mit dem neuen "Bundesprogramm Biologische Vielfalt" wiederum werden konkrete Projekte zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt mit jährlich 15 Millionen Euro gefördert. BMU und BMELV werden außerdem mit dem "Waldklimafonds" Maßnahmen zur Anpassung der heimischen Wälder an den Klimawandel, zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen sowie zur Sicherung und Erhaltung der Kohlenstoffspeicherung von Wäldern und Holzprodukten fördern. Dabei sollen Klima-, Umwelt- und Biodiversitätsaspekte optimal miteinander verbunden werden. Hierfür sollen ab 2013 35 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stehen.

Im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vermissen die Umweltverbände allerdings den für die Umsetzung der Nagoya-Beschlüsse notwendigen Willen. Im Gegenteil: Die Verantwortung dafür scheint allein dem Umweltminister übertragen, während andere Ressorts blockieren. Und das, obwohl Bundeskanzlerin Merkel im Januar 2010 zur Eröffnung des Internationalen Jahrs der Biodiversität in Berlin noch eindringlich betont hatte, der Bundesregierung und auch ihr persönlich sei der Erhalt der Biodiversität ein ganz besonderes Anliegen. "Wir müssen mit vereinten Kräften die Weichen für einen wirksamen internationalen Schutz der Biologischen Vielfalt und ihre nachhaltige Nutzung neu stellen. Wir brauchen eine Trendwende. Wenn ich sage 'nicht jetzt', wäre das falsch. Wir brauchen sie jetzt - unmittelbar und nicht irgendwann", so Merkel damals.

Laut Umweltverbänden stellt sich bei derzeitigen europäischen und internationalen Verhandlungen ausgerechnet Deutschland wichtigen Reformen und Initiativen entgegen. Selbst die zaghaftesten Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der europäischen Agrarpolitik erhalten nach NGO-Sicht keine wirkliche Rückendeckung durch die Bundesregierung. NABU-Präsident Olaf Tschimpke warnt: "Sollte sich dies nicht bald ändern, wird sich die Agrarindustrie wohl abermals durchsetzen und weitere sieben Jahre lang viele Milliarden Steuergelder als Subventionen bekommen, ohne echte gesellschaftliche Leistungen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz zu erbringen."

Auch auf globaler Ebene sehen die Umweltverbände eine Blockade-Haltung Deutschlands durch Entwicklungsminister Niebel (FDP), der weiterhin hartnäckig die vom Bundestag bereits beschlossene Unterstützung für die ecuadorianische Yasuní-ITT-Initiative verhindert. Sie soll einen der artenreichsten Nationalparks der Welt vor der Zerstörung retten. "Diese konstruktive Initiative, bei der die Industrieländer aufgefordert sind, durch Finanzhilfe dem armen Ecuador dabei zu helfen, Naturschutz und wirtschaftliche Entwicklung miteinander zu versöhnen, verdient unsere Unterstützung und ist ein Test für die Bereitschaft Deutschlands, die abstrakten Beschlüsse von Umweltkonferenzen auch wirklich umzusetzen", sagt der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.

Aber auch in Deutschland lässt aus Sicht der Umweltverbände der Schutz der biologischen Vielfalt zu wünschen übrig. Obwohl die Regierung eine gute Nationale Biodiversitätsstrategie beschlossen hat, wird sie von wichtigen Ressorts nicht umgesetzt, so die Meinung der NGO-Vertreter "Ein Beispiel ist die Forstwirtschaft, wo das Ministerium von Ilse Aigner weitaus mehr Holz aus dem Wald holen will als mit dem Schutz der Biodiversität vereinbar ist. Vom vereinbarten Anteil naturnaher Wälder von fünf Prozent will sie absolut nichts wissen," sagte DNR Vizepräsident Hartmut Vogtmann.

"Die Dekade der Biodiversität wird nur ein Erfolg, wenn künftig alle Ressorts und Wirtschaftssektoren in die Pflicht genommen werden, international und national vereinbarte Ziele umzusetzen. Dies gilt im besonderen Maße für die Ministerien der Finanzen, der Wirtschaft, der Landwirtschaft und der Entwicklungszusammenarbeit. Hier ist die Kanzlerin gefordert, ihre Richtlinienkompetenz auszuüben", so Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.

Informationen zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt und zum Bundesprogramm Biologische Vielfalt: http://www.biologischevielfalt.de/
Informationen zur UN-Dekade Biologische Vielfalt, zum Wettbewerb der Dekade-Projekte und zu den Dekade-Botschafter(inne)n: http://www.un-dekade-biologische-vielfalt.de/

Für Rückfragen:
Konstantin Kreiser, NABU-Referent für Internationale Biodiversitätspolitik

Telefon: 0172 4179730, 030 284984 1614
Email: Konstantin.Kreiser@nabu.de

Jürgen Maier, GF Forum Umwelt & Entwicklung
Telefon: 0171 3836 135
Email: info@forumue.de

Helmut Röscheisen, DNR-Generalsekretär,
Telefon: 0160 9720 9108
Email: Helmut.Roescheisen@dnr.de

Ulrich Stöcker, Leiter Naturschutz Deutsche Umwelthilfe
Telefon: 0160 8950 556; 030 2400 867 13
Email: stoecker@duh.de

Nicola Uhde, BUND-Referat für Naturschutz, BUND
Telefon: 030 275 864 98
Email: Nicola.Uhde@bund.net

Quelle:
Umwelt | Biodiversität, 08.11.2011

     
        
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