Bauernhöfe statt Agrarindustrie
AgrarBündnis macht notwendigen Wandel deutlich
Zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche in Berlin stellte das AgrarBündnis - ein Bündnis von 24 Verbänden aus Landwirtschaft, Umweltschutz, Tierschutz und Entwicklungsarbeit - den Kritischen Agrarbericht 2012 vor und nahm Stellung zu aktuellen agrarpolitischen Themen.
Industrielle Tierhaltung: keine Perspektive für Mensch und Tier
Heidrun Betz vom Deutschen Tierschutzbund und Vorstandsmitglied des AgrarBündnisses machte die Probleme der industrialisierten Tierhal?tung deutlich: 97% aller Puten und bis zu 96% aller Masthühner werden mit Antibiotika behandelt. Bei einer Stichprobe des BUND wurden auf jeder zweiten Geflügel-Probe antibiotikaresistente Keime gefunden. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat festgestellt, dass die Verwendung von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung die Verbreitung resistenter Keime fördert. Tierschutz und Verbraucherschutz hängen eng zusammen. Rund 88% aller Puten leben in Betrieben mit mehr als 10.000 Tieren. 72% der Masthühner werden in Betrieben mit 50.000 und mehr Tieren, die übrigen in Beständen ab 10.000 Tieren gehalten. Unter diesen Bedingungen ist es undenkbar, einzelne Tiere gezielt gegen Krankheiten zu behandeln. Hochleistungszucht und nicht artgerechte Haltungsbedingungen machen die Tiere jedoch anfällig. Sie führen zu Verletzungen, Krankheit und Stress. Mastgeflügel in hohen Besatzdichten auf engstem Raum zu halten, ist ohne hohen und prophylaktischen Medikamenteneinsatz nicht möglich. Die vielfach als besonders hygienisch gelobte Intensivtierhaltung ist nicht zukunfts?fähig. Appelle an die Verbraucher, sich die Hände zu waschen reichen nicht aus. Erforderlich ist ein grundlegender Systemwechsel zu kleineren Beständen, geringerer Besatzdichte und einer tiergerechten Ausgestaltung der Haltungssysteme. Wenn die Politik den Mut nicht aufbringt, die Weichen umzustellen, riskiert sie weiteres Tierleid und gleichzeitig erhebliche Gesundheitsgefahren für die Menschen.
EU-Agrarreform: Vorschläge nicht verwässern sondern verbessern
Zur anstehenden Reform der EU-Agrarpolitik kündigte Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), an: "Der gesellschaftliche Druck für eine echte ökologische und soziale Reform der EU-Agrar?politik wächst weiter und wir tun alles, damit das so ist. Der breiten Gesellschaft ist längst klar, dass die agrarpolitischen Rahmenbedingungen geändert werden müssen. Bei der EU-Kommission haben wir erreicht, dass sie in ihren Vorschlägen zur Reform einige erste von uns geforderte Weichenstellungen aufgegriffen hat. Aber damit Bundesregierung und auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments diese Vorschläge weiter verbessern, statt sie zu verwässern, muss der öffentliche Druck steigen. Nur das hilft, damit die Politik sich von den doch sehr eigensüchtigen Interessen der Industrie abnabelt.
Globale Verantwortung europäischer Agrarpolitik
Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sieht die Politik in einer globalen Verantwortung: "Wir haben kommenden Generationen gegenüber die Pflicht, Landwirtschaft so zu gestalten, dass unsere lebensnotwendigen Ökosysteme, die Fruchtbarkeit unserer Böden und unsere Wälder intakt bleiben. Hier und überall in der Welt.
Solange aber die Agrarindustrie das Sagen hat, solange wird es Maiswüsten, Soja-Monokulturen und Palmölplantagen geben, auch wenn damit der Lebensmittelanbau in Hungerländern verdrängt wird. Solange die industrielle Losung herrscht "Mehr Dünger, Pestizide und Gentechnik für mehr Ertrag je Hektar", solange bleibt die Landwirtschaft einerseits abhängig vom Erdöl und andererseits ausgerichtet auf die Zahlungskräftigen, die sich Fleisch und Agrosprit leisten können. Und damit leistet sie keinen Beitrag für die Bekämpfung des Hungers.
Weiger ging auch auf den Beitrag der Landwirtschaft für die Energiepolitik ein: "Wir werden es nicht zulassen, dass die voranschreitende Energie?wende gegen die überfällige Agrarwende ausgespielt wird. Klar ist, dass die Fleischproduktion in Deutschland sinken muss zugunsten einer Qualitätserzeugung zu auskömmlichen Preisen für die Bauern. Es gilt die Flächenkonkurrenz zwischen Teller, Trog und Tank zurückzufahren. Wir brauchen dezentrale Bioenergiestrukturen, basierend auf bäuerlichen Betrieben mit Flächenbindung, statt auf Megabiogasanlagen in Konzernhand. Die Brüsseler Agrarreform muss neue, verbindliche Umweltregeln bringen, damit dem Verlust von Wiesen und Weiden zugunsten von Maiswüsten und Monokulturen generell ein Riegel vorgeschoben wird."
Zusammen arbeiten - vor Ort und auf der Straße
Der kritische Agrarbericht dokumentiert die aktuelle Debatte zur Landwirtschaft und zeigt Alternativen auf. Gleichzeitig hat er in jedem Jahr einen besonderen Schwerpunkt. Das diesjährige Thema "Zusammen arbeiten" macht deutlich, dass beim Streben nach Nachhaltigkeit Ökonomie und Ökologie großen Raum einnehmen, soziale Fragen bisher aber viel zu wenig Beachtung gefunden haben. Nicht nur Markt und Gesetze regeln das Miteinander. Der Kritische Agrarbericht zeigt daher auf, dass es Kooperationsformen innerhalb der Landwirtschaft und zwischen Landwirtschaft und Verarbeitung, Handel, Banken, Naturschutz, Verbrauchern und anderen Gruppen gibt, die wegweisend sind.
Das AgrarBündnis selbst ist ein Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit. Mit der Ausgabe 2012 feiert "Der Kritische Agrarbericht" sein 20. Jubiläum. Geschäftsführer Frieder Thomas freute sich jedoch viel mehr über etwas anderes: "Dass wir kontinuierlich Informationen für eine kritische Agrardebatte liefern, ist gut. Erfreulich ist es aber auch, dass wir es geschafft haben, im letzten Jahr mehr als 20.000 Menschen zur Grünen Woche auf die Straße zu holen. Das zeigt, dass breite Schichten der Gesellschaft hinter uns stehen. Und wenn sich nichts ändert, werden wir auch in Zukunft nicht nur informieren, sondern auch demonstrieren." Damit wies er auf die große Demonstration hin, die unter dem Motto "Wir haben es statt - Bauernhöfe statt Agrarindustrie" am 21. Januar in Berlin stattfinden wird (www.wir-haben-es-satt.de).
Industrielle Tierhaltung: keine Perspektive für Mensch und Tier
Heidrun Betz vom Deutschen Tierschutzbund und Vorstandsmitglied des AgrarBündnisses machte die Probleme der industrialisierten Tierhal?tung deutlich: 97% aller Puten und bis zu 96% aller Masthühner werden mit Antibiotika behandelt. Bei einer Stichprobe des BUND wurden auf jeder zweiten Geflügel-Probe antibiotikaresistente Keime gefunden. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat festgestellt, dass die Verwendung von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung die Verbreitung resistenter Keime fördert. Tierschutz und Verbraucherschutz hängen eng zusammen. Rund 88% aller Puten leben in Betrieben mit mehr als 10.000 Tieren. 72% der Masthühner werden in Betrieben mit 50.000 und mehr Tieren, die übrigen in Beständen ab 10.000 Tieren gehalten. Unter diesen Bedingungen ist es undenkbar, einzelne Tiere gezielt gegen Krankheiten zu behandeln. Hochleistungszucht und nicht artgerechte Haltungsbedingungen machen die Tiere jedoch anfällig. Sie führen zu Verletzungen, Krankheit und Stress. Mastgeflügel in hohen Besatzdichten auf engstem Raum zu halten, ist ohne hohen und prophylaktischen Medikamenteneinsatz nicht möglich. Die vielfach als besonders hygienisch gelobte Intensivtierhaltung ist nicht zukunfts?fähig. Appelle an die Verbraucher, sich die Hände zu waschen reichen nicht aus. Erforderlich ist ein grundlegender Systemwechsel zu kleineren Beständen, geringerer Besatzdichte und einer tiergerechten Ausgestaltung der Haltungssysteme. Wenn die Politik den Mut nicht aufbringt, die Weichen umzustellen, riskiert sie weiteres Tierleid und gleichzeitig erhebliche Gesundheitsgefahren für die Menschen.
EU-Agrarreform: Vorschläge nicht verwässern sondern verbessern
Zur anstehenden Reform der EU-Agrarpolitik kündigte Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), an: "Der gesellschaftliche Druck für eine echte ökologische und soziale Reform der EU-Agrar?politik wächst weiter und wir tun alles, damit das so ist. Der breiten Gesellschaft ist längst klar, dass die agrarpolitischen Rahmenbedingungen geändert werden müssen. Bei der EU-Kommission haben wir erreicht, dass sie in ihren Vorschlägen zur Reform einige erste von uns geforderte Weichenstellungen aufgegriffen hat. Aber damit Bundesregierung und auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments diese Vorschläge weiter verbessern, statt sie zu verwässern, muss der öffentliche Druck steigen. Nur das hilft, damit die Politik sich von den doch sehr eigensüchtigen Interessen der Industrie abnabelt.
Globale Verantwortung europäischer Agrarpolitik
Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sieht die Politik in einer globalen Verantwortung: "Wir haben kommenden Generationen gegenüber die Pflicht, Landwirtschaft so zu gestalten, dass unsere lebensnotwendigen Ökosysteme, die Fruchtbarkeit unserer Böden und unsere Wälder intakt bleiben. Hier und überall in der Welt.
Solange aber die Agrarindustrie das Sagen hat, solange wird es Maiswüsten, Soja-Monokulturen und Palmölplantagen geben, auch wenn damit der Lebensmittelanbau in Hungerländern verdrängt wird. Solange die industrielle Losung herrscht "Mehr Dünger, Pestizide und Gentechnik für mehr Ertrag je Hektar", solange bleibt die Landwirtschaft einerseits abhängig vom Erdöl und andererseits ausgerichtet auf die Zahlungskräftigen, die sich Fleisch und Agrosprit leisten können. Und damit leistet sie keinen Beitrag für die Bekämpfung des Hungers.
Weiger ging auch auf den Beitrag der Landwirtschaft für die Energiepolitik ein: "Wir werden es nicht zulassen, dass die voranschreitende Energie?wende gegen die überfällige Agrarwende ausgespielt wird. Klar ist, dass die Fleischproduktion in Deutschland sinken muss zugunsten einer Qualitätserzeugung zu auskömmlichen Preisen für die Bauern. Es gilt die Flächenkonkurrenz zwischen Teller, Trog und Tank zurückzufahren. Wir brauchen dezentrale Bioenergiestrukturen, basierend auf bäuerlichen Betrieben mit Flächenbindung, statt auf Megabiogasanlagen in Konzernhand. Die Brüsseler Agrarreform muss neue, verbindliche Umweltregeln bringen, damit dem Verlust von Wiesen und Weiden zugunsten von Maiswüsten und Monokulturen generell ein Riegel vorgeschoben wird."
Zusammen arbeiten - vor Ort und auf der Straße
Der kritische Agrarbericht dokumentiert die aktuelle Debatte zur Landwirtschaft und zeigt Alternativen auf. Gleichzeitig hat er in jedem Jahr einen besonderen Schwerpunkt. Das diesjährige Thema "Zusammen arbeiten" macht deutlich, dass beim Streben nach Nachhaltigkeit Ökonomie und Ökologie großen Raum einnehmen, soziale Fragen bisher aber viel zu wenig Beachtung gefunden haben. Nicht nur Markt und Gesetze regeln das Miteinander. Der Kritische Agrarbericht zeigt daher auf, dass es Kooperationsformen innerhalb der Landwirtschaft und zwischen Landwirtschaft und Verarbeitung, Handel, Banken, Naturschutz, Verbrauchern und anderen Gruppen gibt, die wegweisend sind.
Das AgrarBündnis selbst ist ein Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit. Mit der Ausgabe 2012 feiert "Der Kritische Agrarbericht" sein 20. Jubiläum. Geschäftsführer Frieder Thomas freute sich jedoch viel mehr über etwas anderes: "Dass wir kontinuierlich Informationen für eine kritische Agrardebatte liefern, ist gut. Erfreulich ist es aber auch, dass wir es geschafft haben, im letzten Jahr mehr als 20.000 Menschen zur Grünen Woche auf die Straße zu holen. Das zeigt, dass breite Schichten der Gesellschaft hinter uns stehen. Und wenn sich nichts ändert, werden wir auch in Zukunft nicht nur informieren, sondern auch demonstrieren." Damit wies er auf die große Demonstration hin, die unter dem Motto "Wir haben es statt - Bauernhöfe statt Agrarindustrie" am 21. Januar in Berlin stattfinden wird (www.wir-haben-es-satt.de).
Quelle:
Wirtschaft | Branchen & Verbände, 19.01.2012
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2011 - Stadt der Zukunft erschienen.
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