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Diversität auf Feld und Teller

Bernward Geier im Interview mit Hans R. Herren

Hans R. Herren ist Autor des Weltagrarberichts sowie Gründer und Präsident der Stiftung Biovision. 1995 rettete der Insektenspezialist mit seiner biologischen Bekämpfung eines verheerenden Insektenschädlings im Maniok Millionen Afrikaner vor dem Hungertod. Spekulationen, "Biopiraterie" und Patente auf Leben hält der erste Schweizer Welternährungspreisträger für kriminell - der ökologische Landbau könnte dagegen die Welt ernähren.

Hans R. Herren, Gründer und Präsident der Stiftung Biovision.
Welche Kernprobleme sehen Sie in der globalen Agrarwirtschaft?

Derzeit hungern Menschen, weil sie sich die Nahrung nicht leisten können - ein Zustand, der durch Spekulationen, Agrartreibstoffe und Klimawandel verschärft wird. Es ist deshalb notwendig, dass Investitionen in die ländlichen Räume fließen, um Arbeitsmöglichkeiten zu bieten und die Kaufkraft zu erhöhen.
Die Nahrungsmittelindustrie muss sich darauf einstellen, Qualität statt Menge zu offerieren. Sie trägt die Verantwortung, Gesundheitsprobleme zu lösen, nicht weiter zu verbreiten und eine gerechte Preisstruktur einzuführen - das nennt man "Externalitäten internalisieren". Der Überkonsum von Fleisch und verarbeiteten Produkten sowie die Nach-Ernte- und Nach-Einkauf-Verluste würden damit gebremst. Es gibt genug für alle, aber nicht für alles - ohne eine Änderung unseres Lebensstils geht es auch nicht.

Was bewirken Nahrungsmittelspekulationen?
Die Nahrungsmittelspekulationen drücken die Preise für die Produzenten nach unten. Beim Verkauf der "Optionen" will man natürlich ordentlich Profit herausholen und dies geschieht ohne wirkliche Gegenleistung. Das ist Kasino-Kapitalismus und deshalb sollte man Börsen- und Warenterminspekulationen im Bereich der Lebensmittel verbieten. Das bringt weder was für die Konsumenten, noch für die Produzenten und generiert nur "Kunstgeld", welches - wenn nicht für perversen Konsum der Superreichen - oft für die Bildung weiterer Spekulationsblasen eingesetzt wird.

Welche Auswirkungen haben Saatgutpatente auf Wirtschaft und Ernährung?
Sie verteuern das Saatgut durch zum Teil horrende Lizenzgebühren und verringern die Agrobiodiversität. Durch Patente gibt es für die Bauern viel weniger Auswahl an Saatgut, das genau für die Region, das Klima und die Böden passt. Die gesamte Wirtschaft leidet unter der Saatgutpatentierung und am Ende bezahlen es doch immer die Produzenten und Verbraucher. Die haben logischerweise auch weniger Diversität auf dem Feld und dem Teller. Patente auf Saatgut sind ungerecht. Man sollte diese "Biopiraterie" verbieten, weil das Eigentum am Saatgut seit Jahrtausenden den Bauern gehört, die diese unglaubliche Saaten-Vielfalt schließlich auch erschaffen haben.

Sollten Agrarflächen auch zur Biosprit-Produktion genutzt werden?
Generell sollte man die Agrarflächen zuerst für Nahrungsmittelproduktion reservieren und zwar für Qualitätslebensmittel in breiter Vielfalt. Wenn es darum geht, Energie zu produzieren, die die Bauern selber für ihre Zugtiere oder Maschinen brauchen, ist das in Ordnung. Aber das sind vergleichsweise kleine Landflächen und diese vor allem in den Entwicklungsländern. Alles was - meist auch noch schwachsinnig subventioniert - in Großplantagen und oft verbunden mit "land grabbing" (Landraub) für unsere Sprittanks und Öfen angebaut wird, ist nicht akzeptabel, weil es Land und andere natürliche Ressourcen, die für eine langfristige Nahrungsmittelproduktion nötig sind, aufbraucht.

Kann der biologische Landbau die Welt ernähren?
Ökolandbau ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Die auf fossiler Energie und Artenarmut basierende reduktionistische heutige Landwirtschaft muss einer nachhaltigen Landwirtschaft Platz machen, die sich auf erneuerbare Bodenfruchtbarkeit und breite Tier- und Pflanzenvielfalt stützt und diese erhält,.
"Bio" kann sicher die Welt ernähren. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, die das belegen. Der sogenannte Weltagrarbericht (IAASTD Studie) und FAO/UNCTAD-Analysen kommen auch ganz eindeutig zur Erkenntnis, dass nicht Kunstdünger und Gentechnik, sondern nur eine ökologische Landwirtschaft die Ernährung langfristig sicherstellen können. Die biologische Landwirtschaft kann auch eine weiter wachsende Weltbevölkerung nicht nur gut, sondern vor allem gesund und nachhaltig ernähren.

Biovision

Die 1998 gegründete Stiftung bekämpft Armut und Hunger und setzt sich für die Verbreitung und Anwendung ökologischer Methoden ein, die zur nachhaltigen Verbesserung der Lebensbedingungen in Afrika führen und zugleich die Umwelt schonen. Biovision leistet Hilfe zur Selbsthilfe und fördert ökologisches Denken und Handeln - im Norden wie im Süden.
www.biovision.ch

Quelle:
Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 20.01.2012

     
        
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