Das Zugvogel-Prinzip
Eine Geschichte zur Einführung des Energiemanagements
Von Michael Homeyer und Maura Schnappauf
Zugvögel fliegen oft in einer Keilformation. Das tun sie, weil sie auf diese Weise Energie sparen. Sie fliegen abwechselnd in dem aufwärts gerichteten Luftwirbel des Vorderen. Die Vögel wechseln sich dabei immer wieder ab, damit nicht nur einer die ganze Schwerarbeit leistet.
Was bei den Vögeln Jahr für Jahr zu beobachten ist, lässt sich auch in Unternehmen nutzen. Die Einführung eines Energiemanagementsystems ist wie eine Reise, die den koordinierten Einsatz vieler verschiedener Akteure und den stetigen Austausch mit dem (Energie-)Management anderer Unternehmen erfordert.
Der Controller eines metallverarbeitenden Unternehmen machte seinen Geschäftsführer auf eine wichtige Entwicklung aufmerksam: Die Energiekosten stiegen bedrohlich, aber auch der Verbrauch war leicht angestiegen. Für den Geschäftsführer war klar: Ein Energiemanagementsystem muss her! Das Unternehmen wollte so Steuererleichterungen mitnehmen und auch im Energiebereich einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) initiieren. Die bisherigen, vereinzelten Maßnahmen sollten um eine systematische Erfassung der Verbraucher und Potenziale ergänzt werden.
Ein externer Berater riet, zunächst alle relevanten Verbrauchsdaten, Messdaten und Informationen über den Energiebezug zu sammeln. Herr Prieß, der technische Leiter des Unternehmens, bekam die Aufgabe übertragen, das Energiemanagementsystem einzuführen. Dafür stellte er ein "Energieteam" im Betrieb auf, das aus Controller, Qualitätsbeauftragtem, zwei Technikern und dem Bereichsleiter einer Produktionsstraße bestand. Facility Management und Einkauf sollten bei Bedarf angedockt werden. Darüber hinaus aktivierte er ein externes Netzwerk: Im Rahmen des B.A.U.M.-Energiemanagements werden Gruppen von acht energieintensiven Betrieben innerhalb von 15 Monaten zur Zertifizierungsreife nach der Energiemanagement-Norm DIN EN 16001 geführt. Erfahrungsaustausch, Input von Expertenwissen, Förderung des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) und mehr Rechtssicherheit motivierten die Betriebe und auch Prieß zur Teilnahme.
Von der Schwierigkeit des Dranbleibens
In diesem Rahmen organisierte Prieß auch Vor-Ort-Begehungen, bei denen sofort Modernisierungsmaßnahmen des Druckluftsystems anregt wurden: So flossen eine bedarfsgerechte Drucklufterzeugung, optimierte Steuerung der Kompressoren, Verbesserung der Rohrleitungsinfrastruktur und die Einrichtung eines Leckagemanagements in das Energieprogramm ein. Der Maßnahmenkatalog beinhaltete auch den Rückbau von Todsträngen, die durch umgesetzte Maschinenanlagen entstanden waren sowie die Installation moderner Gelenkkupplungen an den Druckluft-Abnahmestellen. Außerdem wurden Verhaltensänderungen der Mitarbeiter verlangt: Das Abblasen der Produktionsteile sollte effizienter erfolgen.
Einige Mitarbeiter der Produktion hatten sich vor Monaten schon intensiv am Energie-Ideen-Wettbewerb beteiligt und vor allem die Thematik "Klimaschutz" aufgegriffen. Das Energieteam hatte viele Empfehlungen umgesetzt, die Geschäftsleitung hatte einen klaren Auftrag erteilt, die Mitarbeiter waren frühzeitig und umfassend informiert worden, der Ist- und Soll-Zustand waren definiert und kommuniziert worden. Doch nun kamen plötzlich Ausflüchte auf: "Der Großauftrag ist vorrangig, der Umbau würde unsere Produktion einschränken und es sind sowieso keine Kapazitäten frei, um an dem Projekt mitzuarbeiten - auch wenn es im Prinzip natürlich sinnvoll ist. Nur jetzt nicht!", hieß es. Die Stimmung war umgeschlagen, der Tenor der Mitarbeiter lautete: "Die Veränderung sollen doch die anderen machen".
Das ist ein typisches Ereignis für die sogenannte Delta-Phase eines Veränderungsprozesses. Dies ist die Zeit der Umsetzung und der eigentlichen Veränderung. Sie beginnt nach der Bestimmung des Ist- und Soll-Zustandes und endet mit dem Erreichen des Soll-Zustandes. Vermehrte Konflikte, Unruhe, krankheitsbedingte Ausfälle sind bei umfassenderen Veränderungsprozessen nicht selten. Mitarbeiter erleben ihre Arbeitsprozesse als schwieriger, zeitaufwendiger und arbeitsintensiver als vorher. Der Stress entsteht, weil die alten Verhaltensmuster und Regeln nicht mehr gelten und die neuen noch nicht verankert sind.
Zeit für Kommunikation
Herr Prieß - der technische Leiter - war zum Glück auf diese Problematik vorbereitet. Er ließ den ersten Irritationen Raum und traf sich mit den Schichtleitern aus der Produktion. In einem vormittäglichen Gespräch konnten die Bedenken und Anregungen der Schichtleiter konkretisiert werden, während Herr Prieß die Bedeutung der Druckluft-Modernisierung erläuterte. Gemeinsam entwickelte die Gruppe einen Zeitplan, der die Produktionsprozesse berücksichtigte und von allen als realistisch anerkannt werden konnte. Ein Schichtleiter übernahm die Aufgabe des "Druckluftbeauftragten" und wurde in das Energieteam integriert. Die Schichtleiter erklärten den Plan ihren Mitarbeitern, die gleich weitere Verbesserungsvorschläge einbrachten.
Nach der Zertifizierung kam der Nachweis und das Erfolgserlebnis: Es gibt dauerhafte Energieeinsparungen! Alle Beteiligten waren überrascht über die hohe Anzahl nichtinvestiver Effizienzpotenziale und die kurzen Amortisationszeiten. Das emsige Energieteam übernahm werkweit die Funktion der KVP-Projektgruppe. Eine neue Unternehmenskultur zog ein - durch das veränderte Verhalten der Mitarbeiter, neue Regeln und ein Energie-Zielsystem. Viele Mitarbeiter unterstützten das Thema "Energiemanagement" aus der Einsicht, den Klimaschutz zu fördern. Ob eine energieeffiziente T5-Leuchte oder ein digitales Thermostat am Heizkörper - bei Herrn Prieß und einigen anderen Mitarbeitern pflanzte sich die Wirkung des Energiemanagements auch im eigenen Haushalt fort.
Übrigens: Die Energieersparnis bei den Zugvögeln liegt bei bis zu 14 Prozent.
Zugvögel fliegen oft in einer Keilformation. Das tun sie, weil sie auf diese Weise Energie sparen. Sie fliegen abwechselnd in dem aufwärts gerichteten Luftwirbel des Vorderen. Die Vögel wechseln sich dabei immer wieder ab, damit nicht nur einer die ganze Schwerarbeit leistet.
Was bei den Vögeln Jahr für Jahr zu beobachten ist, lässt sich auch in Unternehmen nutzen. Die Einführung eines Energiemanagementsystems ist wie eine Reise, die den koordinierten Einsatz vieler verschiedener Akteure und den stetigen Austausch mit dem (Energie-)Management anderer Unternehmen erfordert.
Das Ziel: Energieverbrauch und Energiekosten senken. Der Weg: Motivierte Mitarbeiter mitnehmen. |
Ein externer Berater riet, zunächst alle relevanten Verbrauchsdaten, Messdaten und Informationen über den Energiebezug zu sammeln. Herr Prieß, der technische Leiter des Unternehmens, bekam die Aufgabe übertragen, das Energiemanagementsystem einzuführen. Dafür stellte er ein "Energieteam" im Betrieb auf, das aus Controller, Qualitätsbeauftragtem, zwei Technikern und dem Bereichsleiter einer Produktionsstraße bestand. Facility Management und Einkauf sollten bei Bedarf angedockt werden. Darüber hinaus aktivierte er ein externes Netzwerk: Im Rahmen des B.A.U.M.-Energiemanagements werden Gruppen von acht energieintensiven Betrieben innerhalb von 15 Monaten zur Zertifizierungsreife nach der Energiemanagement-Norm DIN EN 16001 geführt. Erfahrungsaustausch, Input von Expertenwissen, Förderung des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) und mehr Rechtssicherheit motivierten die Betriebe und auch Prieß zur Teilnahme.
Von der Schwierigkeit des Dranbleibens
In diesem Rahmen organisierte Prieß auch Vor-Ort-Begehungen, bei denen sofort Modernisierungsmaßnahmen des Druckluftsystems anregt wurden: So flossen eine bedarfsgerechte Drucklufterzeugung, optimierte Steuerung der Kompressoren, Verbesserung der Rohrleitungsinfrastruktur und die Einrichtung eines Leckagemanagements in das Energieprogramm ein. Der Maßnahmenkatalog beinhaltete auch den Rückbau von Todsträngen, die durch umgesetzte Maschinenanlagen entstanden waren sowie die Installation moderner Gelenkkupplungen an den Druckluft-Abnahmestellen. Außerdem wurden Verhaltensänderungen der Mitarbeiter verlangt: Das Abblasen der Produktionsteile sollte effizienter erfolgen.
Einige Mitarbeiter der Produktion hatten sich vor Monaten schon intensiv am Energie-Ideen-Wettbewerb beteiligt und vor allem die Thematik "Klimaschutz" aufgegriffen. Das Energieteam hatte viele Empfehlungen umgesetzt, die Geschäftsleitung hatte einen klaren Auftrag erteilt, die Mitarbeiter waren frühzeitig und umfassend informiert worden, der Ist- und Soll-Zustand waren definiert und kommuniziert worden. Doch nun kamen plötzlich Ausflüchte auf: "Der Großauftrag ist vorrangig, der Umbau würde unsere Produktion einschränken und es sind sowieso keine Kapazitäten frei, um an dem Projekt mitzuarbeiten - auch wenn es im Prinzip natürlich sinnvoll ist. Nur jetzt nicht!", hieß es. Die Stimmung war umgeschlagen, der Tenor der Mitarbeiter lautete: "Die Veränderung sollen doch die anderen machen".
Mit dem Wissensaufbau zu den Themen Energie- und Veränderungsmanagement wird der Grundstein für ein "lebendiges" Energiemanagmentsystem gelegt. |
Zeit für Kommunikation
Herr Prieß - der technische Leiter - war zum Glück auf diese Problematik vorbereitet. Er ließ den ersten Irritationen Raum und traf sich mit den Schichtleitern aus der Produktion. In einem vormittäglichen Gespräch konnten die Bedenken und Anregungen der Schichtleiter konkretisiert werden, während Herr Prieß die Bedeutung der Druckluft-Modernisierung erläuterte. Gemeinsam entwickelte die Gruppe einen Zeitplan, der die Produktionsprozesse berücksichtigte und von allen als realistisch anerkannt werden konnte. Ein Schichtleiter übernahm die Aufgabe des "Druckluftbeauftragten" und wurde in das Energieteam integriert. Die Schichtleiter erklärten den Plan ihren Mitarbeitern, die gleich weitere Verbesserungsvorschläge einbrachten.
Nach der Zertifizierung kam der Nachweis und das Erfolgserlebnis: Es gibt dauerhafte Energieeinsparungen! Alle Beteiligten waren überrascht über die hohe Anzahl nichtinvestiver Effizienzpotenziale und die kurzen Amortisationszeiten. Das emsige Energieteam übernahm werkweit die Funktion der KVP-Projektgruppe. Eine neue Unternehmenskultur zog ein - durch das veränderte Verhalten der Mitarbeiter, neue Regeln und ein Energie-Zielsystem. Viele Mitarbeiter unterstützten das Thema "Energiemanagement" aus der Einsicht, den Klimaschutz zu fördern. Ob eine energieeffiziente T5-Leuchte oder ein digitales Thermostat am Heizkörper - bei Herrn Prieß und einigen anderen Mitarbeitern pflanzte sich die Wirkung des Energiemanagements auch im eigenen Haushalt fort.
Übrigens: Die Energieersparnis bei den Zugvögeln liegt bei bis zu 14 Prozent.
Im Profil Michael Homeyer ist zuständig für das B.A.U.M. Energiemanagement bei der B.A.U.M. Consult GmbH in Hamm. m.homeyer@baumgroup.de Maura Schnappauf ist zuständig für Unternehmenskommunikation und berät bei ÖKOPROFIT. www.baumgroup.de/energiemanagement |
Quelle:
Technik | Energie, 14.03.2012
Pioniere der Hoffnung
forum 01/2025 erscheint am 01. Dezember 2024
- Bodendegradation
- ESG-Ratings
- Nachhaltige Awards
- Next-Gen Materialien
Kaufen...
Abonnieren...
28
NOV
2024
NOV
2024
17. Deutscher Nachhaltigkeitstag
Transformation im Gegenwind - Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises
40474 Düsseldorf
Transformation im Gegenwind - Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises
40474 Düsseldorf
28
NOV
2024
NOV
2024
10
DEZ
2024
DEZ
2024
Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht
Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol
Politik
Keine Zeit für Klimaschutz?Christoph Quarch erinnert zur COP29 daran, trotz Regierungskrise, Wirtschaftskrise, Inflation und Krieg in der Ukraine eine effiziente Klimapolitik zu verfolgen
Jetzt auf forum:
Sehnsucht nach Sinn: Mit Sinnökonomie junge Talente binden
Ein Weihnachtsgeschenk, das bleibt!
COP29, Baku, a sword in the water?
Heinze ArchitekturAWARD 2024 wurde am 21. November in Berlin verliehen
32 BIO-Zertifikate in Bronze für bayerische Jugendherbergen