Keine Zeit für Stress
Wie Führungskräfte und Mitarbeiter durch Wertschätzung Wert schöpfen
Dipl.-Psych. Louis Lewitan ist Stressexperte, Coach für Führungskräfte und Unternehmensberater. In seinem Buch beschreibt er die "Kunst, gelassen zu bleiben". forum-Redakteurin Tina Teucher sprach mit ihm über Beschleunigung und Gelassenheit, Veränderungsprozesse und Nachhaltigkeit.
Warum fühlen sich heute so viele Menschen überfordert?
Veränderungen erzeugen Stress, und der Stress hat viele Ursachen. Zum Beispiel die Mobilität - wir reisen mehr und weiter als früher, überfliegen Zeitzonen. Zudem hat sich der Umgang mit der Zeit verändert: Die Arbeitszeit ist zwar flexibler geworden, die Arbeitsdichte hat jedoch zugenommen. Wir stehen frühmorgens mit dem Gedanken auf "wie werden wir unser Arbeitspensum in den Griff bekommen?", und gehen nach Hause mit dem ganzen "Gepäck". Ferner hat die Sonntagskultur mit ihrem Müßigang an Bedeutung verloren. Außerdem wächst die Komplexität um uns herum. Wir erleben mehr und schlafen weniger. Wir werden von Reizen überflutet und befinden uns ständig im On-Modus. Das führt dazu, dass wir gar nicht die Zeit finden, uns zu regenerieren und die vielen Erlebnisse adäquat zu verarbeiten. Mit Ruhe und Besinnlichkeit können wir immer weniger anfangen. Auch, weil wir durch die vielfältigen Technologien uns ständig und überall austauschen. Wir haben zunehmend das Gefühl, dass wir etwas versäumen und nicht dazugehören. Angeblich. Das ist ein schreckliches Gefühl.
Welche Auswirkungen haben diese Beschleunigung und ständige Präsenz auf unser Zusammenleben?
Wir haben immer weniger Zeit. Zumindest glauben wir das. In derselben Zeit findet aber immer mehr statt. Wir meinen mit dieser Reizüberflutung fertig zu werden, indem wir vieles ignorieren, nicht an uns heran lassen oder uns betäuben. Vieles wird oberflächlicher, sowohl geistig, kreativ, als auch emotional. Denn wer keine Zeit hat zum Reflektieren, sich zu spüren, der verliert an Sensibilität im Umgang mit dem Anderen. Die Kommunikation reduziert sich darauf, seinen inflationären Ballast schnell bei jemandem zu deponieren. Letztlich bekommt man wenig Gehaltvolles zurück. Diese seichte Ping-Pong-Kommunikation wird mit einer profunden Begegnung verwechselt. Sie führt uns in eine Scheinwelt, in der wir glauben, wirklich verbunden zu sein. In Wirklichkeit begnügen wir uns damit, unsere Kontaktbörsen virtuell zu pflegen und "Facebook-Freunde" zu sammeln. Die Flut an Texten, die gepostet oder getwittert werden, führt meiner Ansicht nach zu einer Verflachung der Kommunikation. So leben wir in parallelen Welten - ohne, dass wir wirklich voneinander wissen und aneinander Anteil nehmen.
Wie wirkt sich diese Entwicklung auf das Arbeitsleben und die Mitarbeiterführung aus?
Wir sind emotional immer weniger verfügbar und schotten uns ab. Kommunizieren bedeutet, dass sich der Einzelne bewusst Zeit nimmt, sein Gegenüber kennen zu lernen, indem er fragt und zuhört. In den Worten des großen Philosophen Martin Buber: Vom Ich- zum Du-Dialog! Das bedeutet auch, dass ich im Anderen jemanden erkenne, der anders ist und ich mit der Andersartigkeit, der Vielfalt respektvoll umgehe. Wir sollten nicht vom Anderen das erwarten, was wir als selbstverständlich erachten, schließlich haben wir unterschiedliche Denk- und Gefühlswelten. Oft wollen wir jedoch durch Kommunikation eine Vereinheitlichung des Erlebens erreichen, eine Vereinheitlichung des Gemeinsamen in der Welt. Das Spannende sind doch die Unterschiede. Symbiose lässt keine Entwicklung zu. Es ist wunderbar und inspirierend, Andersartigkeit als Bereicherung zu erleben, wie sie ja auch in der Natur vorkommt. Wir leben nicht in einer Monokultur. Alle Bäume sind grün, doch das Grün ist sehr unterschiedlich.
Wenn der Einzelne aber kein Gespür für sich selbst hat, wie soll er dann ein Gespür für andere entwickeln, was übersieht er, wem hört er nicht zu? So werden Vorgesetzte, die Kraft ihrer Fachkompetenz weiterkommen, letztlich nicht in der Lage sein, Personal authentisch und überzeugend zu führen. Ihnen mangelt es an sozial-emotionalen Fähigkeiten.
Wie werden gute Fachkräfte zu emotional und sozial kompetenten Führungskräften?
Sie müssen lernen, sich und andere wahrzunehmen, zuzuhören und sich mitzuteilen. Und sich öffnen für das Feedback ihrer Vorgesetzten. Sie sollten lernen, Kritik als Anregung zu deuten und sie nicht als eine narzisstische Kränkung bei Seite schieben. Es ist doch Gold wert, wenn einem der Spiegel vorgehalten wird! Um sich weiterzuentwickeln benötigt man Offenheit, die einen befähigt, Neues zu erfahren, die Bereitschaft, lernen zu wollen und Fehler als Teil dieses Lernprozesses zu begreifen.
Wenn über Veränderung gesprochen wird, kommt oft Euphorie auf, die der Ernüchterung weicht. Woran liegt das?
Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und ändern uns ungern, die meisten von uns suchen Sicherheit und Beständigkeit. Nun leben wir aber in einer Welt, in der sich alles immer schneller verändert. Wie soll man sich auf alle diese Veränderungen einlassen oder sie gar mittragen, wenn diese nicht überzeugend kommuniziert werden, wenn man ihren Sinn nicht versteht? Hier hat der Vorgesetzte eine Vorbildfunktion. Wenn er nicht kommuniziert und überzeugt, sondern vorschreibt und Macht ausübt, dann kann kein Teamwork entstehen, dann kann keine Höchstleistung erbracht werden, das ist reine Verwaltung. Der Mensch wird verwaltet, die Papiere werden verwaltet, die Veränderungen werden verwaltet, aber nichts davon überzeugt, weil die Menschen den Sinn der Veränderungen gar nicht begreifen. Um Veränderungsprozesse erfolgreich durchzuführen, brauchen wir einen überzeugenden Werterahmen, der uns motiviert, diese Veränderungen mit Tatkraft anzugehen. Wir alle brauchen Anerkennung, Wertschätzung und die Möglichkeit mitzugestalten. Und an Stelle von permanentem Veränderungsdruck brauchen wir Zeit, zu verschnaufen und über den Sinn und die Konsequenzen permanenter Veränderungen nachzudenken. Reflexion anstatt Aktionismus.
Welche Werte sind durch den "War for Talents", den Kampf der Unternehmen um Fachkräfte, im Trend?
Das Zauberstichwort lautet hier: Leistungsträger mit Persönlichkeit. Der Erfolg eines Unternehmens kann nicht auf den Leistungen eines Einzelnen beruhen, es ist immer eine Teamleistung! Was wir brauchen, sind offene Menschen, die an sich glauben, sich weiter entwickeln wollen, Veränderungen bejahen, Initiative ergreifen und Verantwortung übernehmen.
Für ihr Buch "Die Kunst, gelassen zu bleiben" haben Sie zahlreiche Prominente und stressgeprüfte Menschen interviewt. Was sind die Schlüssel zur Gelassenheit?
Ich glaube, alles steht und fällt mit der Wertschätzung. Bin ich in der Lage, mich selber wertzuschätzen, mich in meiner Gesamtheit anzunehmen? Wie oft begegne ich als Coach Personen, die sich selbst herabwerten, sich ständig in Frage stellen und ihren überhöhten Erwartungen niemals gerecht werden. Sie quälen sich selbst und fristen ein unbefriedigendes Dasein. Das ist ein Kardinalfehler. Man sollte nicht so gnadenlos und despektierlich mit sich umgehen. Wir sind nun mal aus Fleisch und Blut, sprich unvollkommen. Wir sind zugleich lernfähig. Wenn wir offen sind, können wir unsere Defizite erkennen und sie nicht als Makel, sondern als Herausforderung wahrnehmen und an ihnen wachsen.
Gelassene und leistungsstarke Persönlichkeiten teilen eine ganz klare Zielorientierung. Sie setzen sich hohe, aber erreichbare Ziele, also keine Utopien. Sie glauben an sich und sie haben auch den Willen, diese Ziele zu erreichen. Auf dem Weg dorthin setzen sie Prioritäten. Das heißt, sie erkennen, dass die Quadratur des Kreises nicht möglich ist, fokussieren sich auf das Wesentliche und schützen sich so vor Überforderung. Hierdurch steigen sie sicher und zielstrebig auf der Karriereleiter, ohne sich und andere zu überfordern.
Eine wesentliche Rolle hierbei spielt die Fähigkeit zur Selbststeuerung: Kann ich mit meinen Kräften haushalten? Übernehme ich Verantwortung für meine Gesundheit? Bin ich mir dessen bewusst, welchen Preis ich für meinen Einsatz zahle? Wer kein Zeit- und kein Ressourcenlimit kennt, wer seine Grenzen nicht respektiert, ist ein grandioser Dummkopf, der sich selbst überschätzt.
Nicht selten bekennen sich stressresistente Persönlichkeiten zu einer Form transzendenter Bezogenheit oder zur einer Spiritualität, die ihnen Kraft und Zuversicht verleiht. Nicht unerwähnt bleiben sollte der Humor, die Fähigkeit, liebevoll über sich und andere zu reflektieren, anstatt unerbittlich zu richten. Humor bedeutet zugleich, im Wissen um die eigene Unvollkommenheit sich und anderen verzeihen zu können. Frieden mit sich und anderen schließen können, ist unabdingbar für das soziale Zusammenleben. Denn wer gnadenlos mit sich ist, der wird auch gnadenlos zu anderen sein und stets ein Augenmerk auf die Defizite richten, anstatt Potenziale zu erkennen.
Also Kampf der Überforderung durch klare Zeitrahmen, Fokus und die Fähigkeit über sich zu lachen?
Ja. Verbunden mit der Erkenntnis: Eine dauerhafte Balance gibt es nicht, eine stressfreie Zeit gibt es nicht, denn so lange wir leben, stehen wir unter Stress, befinden uns im Fluss der Energie. Letztlich geht es darum: Wie steuern wir diese Energie? Manchmal müssen wir zulassen, dass wir nicht alles steuern können. Manchmal werden wir auch gesteuert und müssen uns bescheiden. Darin steckt das Wort scheiden, das eine Trennlinie markiert. Und genau darum geht es: Das Wissen darüber, wo unsere Grenzen sind, macht uns frei.
Vielen Dank, Herr Lewitan, für dieses Gespräch.
Warum fühlen sich heute so viele Menschen überfordert?
Dipl.-Psych.Louis Lewitan im Gespräch mit unserer Redakteurin |
Veränderungen erzeugen Stress, und der Stress hat viele Ursachen. Zum Beispiel die Mobilität - wir reisen mehr und weiter als früher, überfliegen Zeitzonen. Zudem hat sich der Umgang mit der Zeit verändert: Die Arbeitszeit ist zwar flexibler geworden, die Arbeitsdichte hat jedoch zugenommen. Wir stehen frühmorgens mit dem Gedanken auf "wie werden wir unser Arbeitspensum in den Griff bekommen?", und gehen nach Hause mit dem ganzen "Gepäck". Ferner hat die Sonntagskultur mit ihrem Müßigang an Bedeutung verloren. Außerdem wächst die Komplexität um uns herum. Wir erleben mehr und schlafen weniger. Wir werden von Reizen überflutet und befinden uns ständig im On-Modus. Das führt dazu, dass wir gar nicht die Zeit finden, uns zu regenerieren und die vielen Erlebnisse adäquat zu verarbeiten. Mit Ruhe und Besinnlichkeit können wir immer weniger anfangen. Auch, weil wir durch die vielfältigen Technologien uns ständig und überall austauschen. Wir haben zunehmend das Gefühl, dass wir etwas versäumen und nicht dazugehören. Angeblich. Das ist ein schreckliches Gefühl.
"Kommunizieren heißt: Das Gegenüber spüren" |
Welche Auswirkungen haben diese Beschleunigung und ständige Präsenz auf unser Zusammenleben?
Wir haben immer weniger Zeit. Zumindest glauben wir das. In derselben Zeit findet aber immer mehr statt. Wir meinen mit dieser Reizüberflutung fertig zu werden, indem wir vieles ignorieren, nicht an uns heran lassen oder uns betäuben. Vieles wird oberflächlicher, sowohl geistig, kreativ, als auch emotional. Denn wer keine Zeit hat zum Reflektieren, sich zu spüren, der verliert an Sensibilität im Umgang mit dem Anderen. Die Kommunikation reduziert sich darauf, seinen inflationären Ballast schnell bei jemandem zu deponieren. Letztlich bekommt man wenig Gehaltvolles zurück. Diese seichte Ping-Pong-Kommunikation wird mit einer profunden Begegnung verwechselt. Sie führt uns in eine Scheinwelt, in der wir glauben, wirklich verbunden zu sein. In Wirklichkeit begnügen wir uns damit, unsere Kontaktbörsen virtuell zu pflegen und "Facebook-Freunde" zu sammeln. Die Flut an Texten, die gepostet oder getwittert werden, führt meiner Ansicht nach zu einer Verflachung der Kommunikation. So leben wir in parallelen Welten - ohne, dass wir wirklich voneinander wissen und aneinander Anteil nehmen.
Wie wirkt sich diese Entwicklung auf das Arbeitsleben und die Mitarbeiterführung aus?
Wir sind emotional immer weniger verfügbar und schotten uns ab. Kommunizieren bedeutet, dass sich der Einzelne bewusst Zeit nimmt, sein Gegenüber kennen zu lernen, indem er fragt und zuhört. In den Worten des großen Philosophen Martin Buber: Vom Ich- zum Du-Dialog! Das bedeutet auch, dass ich im Anderen jemanden erkenne, der anders ist und ich mit der Andersartigkeit, der Vielfalt respektvoll umgehe. Wir sollten nicht vom Anderen das erwarten, was wir als selbstverständlich erachten, schließlich haben wir unterschiedliche Denk- und Gefühlswelten. Oft wollen wir jedoch durch Kommunikation eine Vereinheitlichung des Erlebens erreichen, eine Vereinheitlichung des Gemeinsamen in der Welt. Das Spannende sind doch die Unterschiede. Symbiose lässt keine Entwicklung zu. Es ist wunderbar und inspirierend, Andersartigkeit als Bereicherung zu erleben, wie sie ja auch in der Natur vorkommt. Wir leben nicht in einer Monokultur. Alle Bäume sind grün, doch das Grün ist sehr unterschiedlich.
Wenn der Einzelne aber kein Gespür für sich selbst hat, wie soll er dann ein Gespür für andere entwickeln, was übersieht er, wem hört er nicht zu? So werden Vorgesetzte, die Kraft ihrer Fachkompetenz weiterkommen, letztlich nicht in der Lage sein, Personal authentisch und überzeugend zu führen. Ihnen mangelt es an sozial-emotionalen Fähigkeiten.
"Wir haben immer weniger Zeit. Zumindest glauben wir das." |
Wie werden gute Fachkräfte zu emotional und sozial kompetenten Führungskräften?
Sie müssen lernen, sich und andere wahrzunehmen, zuzuhören und sich mitzuteilen. Und sich öffnen für das Feedback ihrer Vorgesetzten. Sie sollten lernen, Kritik als Anregung zu deuten und sie nicht als eine narzisstische Kränkung bei Seite schieben. Es ist doch Gold wert, wenn einem der Spiegel vorgehalten wird! Um sich weiterzuentwickeln benötigt man Offenheit, die einen befähigt, Neues zu erfahren, die Bereitschaft, lernen zu wollen und Fehler als Teil dieses Lernprozesses zu begreifen.
Wenn über Veränderung gesprochen wird, kommt oft Euphorie auf, die der Ernüchterung weicht. Woran liegt das?
Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und ändern uns ungern, die meisten von uns suchen Sicherheit und Beständigkeit. Nun leben wir aber in einer Welt, in der sich alles immer schneller verändert. Wie soll man sich auf alle diese Veränderungen einlassen oder sie gar mittragen, wenn diese nicht überzeugend kommuniziert werden, wenn man ihren Sinn nicht versteht? Hier hat der Vorgesetzte eine Vorbildfunktion. Wenn er nicht kommuniziert und überzeugt, sondern vorschreibt und Macht ausübt, dann kann kein Teamwork entstehen, dann kann keine Höchstleistung erbracht werden, das ist reine Verwaltung. Der Mensch wird verwaltet, die Papiere werden verwaltet, die Veränderungen werden verwaltet, aber nichts davon überzeugt, weil die Menschen den Sinn der Veränderungen gar nicht begreifen. Um Veränderungsprozesse erfolgreich durchzuführen, brauchen wir einen überzeugenden Werterahmen, der uns motiviert, diese Veränderungen mit Tatkraft anzugehen. Wir alle brauchen Anerkennung, Wertschätzung und die Möglichkeit mitzugestalten. Und an Stelle von permanentem Veränderungsdruck brauchen wir Zeit, zu verschnaufen und über den Sinn und die Konsequenzen permanenter Veränderungen nachzudenken. Reflexion anstatt Aktionismus.
"Alles steht und fällt mit der Wertschätzung." |
Welche Werte sind durch den "War for Talents", den Kampf der Unternehmen um Fachkräfte, im Trend?
Das Zauberstichwort lautet hier: Leistungsträger mit Persönlichkeit. Der Erfolg eines Unternehmens kann nicht auf den Leistungen eines Einzelnen beruhen, es ist immer eine Teamleistung! Was wir brauchen, sind offene Menschen, die an sich glauben, sich weiter entwickeln wollen, Veränderungen bejahen, Initiative ergreifen und Verantwortung übernehmen.
Für ihr Buch "Die Kunst, gelassen zu bleiben" haben Sie zahlreiche Prominente und stressgeprüfte Menschen interviewt. Was sind die Schlüssel zur Gelassenheit?
Ich glaube, alles steht und fällt mit der Wertschätzung. Bin ich in der Lage, mich selber wertzuschätzen, mich in meiner Gesamtheit anzunehmen? Wie oft begegne ich als Coach Personen, die sich selbst herabwerten, sich ständig in Frage stellen und ihren überhöhten Erwartungen niemals gerecht werden. Sie quälen sich selbst und fristen ein unbefriedigendes Dasein. Das ist ein Kardinalfehler. Man sollte nicht so gnadenlos und despektierlich mit sich umgehen. Wir sind nun mal aus Fleisch und Blut, sprich unvollkommen. Wir sind zugleich lernfähig. Wenn wir offen sind, können wir unsere Defizite erkennen und sie nicht als Makel, sondern als Herausforderung wahrnehmen und an ihnen wachsen.
Gelassene und leistungsstarke Persönlichkeiten teilen eine ganz klare Zielorientierung. Sie setzen sich hohe, aber erreichbare Ziele, also keine Utopien. Sie glauben an sich und sie haben auch den Willen, diese Ziele zu erreichen. Auf dem Weg dorthin setzen sie Prioritäten. Das heißt, sie erkennen, dass die Quadratur des Kreises nicht möglich ist, fokussieren sich auf das Wesentliche und schützen sich so vor Überforderung. Hierdurch steigen sie sicher und zielstrebig auf der Karriereleiter, ohne sich und andere zu überfordern.
Dipl.-Psych.Louis Lewitan im Gespräch mit unserer Redakteurin |
Eine wesentliche Rolle hierbei spielt die Fähigkeit zur Selbststeuerung: Kann ich mit meinen Kräften haushalten? Übernehme ich Verantwortung für meine Gesundheit? Bin ich mir dessen bewusst, welchen Preis ich für meinen Einsatz zahle? Wer kein Zeit- und kein Ressourcenlimit kennt, wer seine Grenzen nicht respektiert, ist ein grandioser Dummkopf, der sich selbst überschätzt.
Nicht selten bekennen sich stressresistente Persönlichkeiten zu einer Form transzendenter Bezogenheit oder zur einer Spiritualität, die ihnen Kraft und Zuversicht verleiht. Nicht unerwähnt bleiben sollte der Humor, die Fähigkeit, liebevoll über sich und andere zu reflektieren, anstatt unerbittlich zu richten. Humor bedeutet zugleich, im Wissen um die eigene Unvollkommenheit sich und anderen verzeihen zu können. Frieden mit sich und anderen schließen können, ist unabdingbar für das soziale Zusammenleben. Denn wer gnadenlos mit sich ist, der wird auch gnadenlos zu anderen sein und stets ein Augenmerk auf die Defizite richten, anstatt Potenziale zu erkennen.
Also Kampf der Überforderung durch klare Zeitrahmen, Fokus und die Fähigkeit über sich zu lachen?
Ja. Verbunden mit der Erkenntnis: Eine dauerhafte Balance gibt es nicht, eine stressfreie Zeit gibt es nicht, denn so lange wir leben, stehen wir unter Stress, befinden uns im Fluss der Energie. Letztlich geht es darum: Wie steuern wir diese Energie? Manchmal müssen wir zulassen, dass wir nicht alles steuern können. Manchmal werden wir auch gesteuert und müssen uns bescheiden. Darin steckt das Wort scheiden, das eine Trennlinie markiert. Und genau darum geht es: Das Wissen darüber, wo unsere Grenzen sind, macht uns frei.
Vielen Dank, Herr Lewitan, für dieses Gespräch.
Quelle:
Wirtschaft | Führung & Personal, 15.03.2012
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