Kommunen für Nachhaltigkeit - Green Economy

"Umweltschutz und Wirtschaft müssen noch enger zusammenarbeiten!"

Er war in Rio, er geht nach Rio: Hans Mönninghoff ist seit 1989 Umweltdezernent der Landeshauptstadt Hannover und seit 2005 zusätzlich Wirtschaftsdezernent. Im Interview mit forum Nachhaltig Wirtschaften erklärt er, wo Synergien zwischen Umwelt und Wirtschaft genutzt werden können, was sich seit dem Weltgipfel in Rio 1992 getan hat, welche radikalen Veränderungen er von Rio 2012 "Green Economy" erwartet und welche besondere Bedeutung Kommunen für eine zukunftsfähige Entwicklung zukommt.

Hannovers Umwelt- und Wirtschaftsdezernent Hans Mönninghoff beim "Rioplus20-Netzwerk21Kongress" in Hannover.
Herr Mönninghoff, Sie sind seit 1989 Umweltdezernent der Landeshauptstadt Hannover. Welche umweltpolitische Entwicklung der vergangenen 23 Jahre erfreut Sie am meisten?

Insgesamt, dass Nachhaltigkeitsthemen heute in Hannover viel breiter in der Öffentlichkeit sind als damals. Speziell, dass wir in Deutschland jetzt aus der Atomenergie aussteigen. In Hannover gab es bereits seit 1988 den Beschluss, die Stadt atomstromfrei zu versorgen. Leider bedurfte es einer so schrecklichen Katastrophe wie Fukushima, bis die Bundesregierung endlich den Atomausstieg beschlossen hat. Jetzt gilt es, dies zügig und konsequent umzusetzen.

Sie sind seit 2005 auch Wirtschaftsdezernent der niedersächsischen Hauptstadt. Wie schaffen Sie es, Umwelt und Wirtschaft unter einen Hut zu bekommen? Was sind hierbei die größten Herausforderungen?

Es ist interessant, dass Sie nach den größten Herausforderungen fragen, d.h., dass automatisch davon ausgegangen wird, dass es schwierig ist, diese beiden Themen unter einen Hut zu bringen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es sehr gute Synergieeffekte zwischen dem Wirtschafts- und dem Umweltdezernat gibt: Zum Beispiel kauft die Wirtschaftsverwaltung der Stadt regelmäßig Flächen auf, sie werden planerisch entwickelt und verkauft; jedoch nicht zum höchstmöglichen Preis. Stattdessen erhält derjenige den Zuschlag, der den höheren ökologischen Standard verwirklicht. Auch mit dem städtischen Gebäudemanagement, das zum Wirtschaftsdezernat gehört, kann man viele Umweltdinge voranbringen.

Auch das Kooperationsprojekt "Ökoprofit" ist ein gutes Beispiel für Schnittmengen zwischen Wirtschaft und Umwelt. Mehr als 120 Firmen aus der Region Hannover haben sich daran beteiligt. "Ökoprofit" überprüft, wie die Betriebe in den Bereichen Wasser, Energie, Abfall, usw. Geld einsparen können. Die Vorteile für die Umwelt sind offensichtlich und die Unternehmen können Ressourcen einsparen, was sie wirtschaftlich stabiler macht. Im Energiebereich sind die Wechselwirkungen besonders deutlich. Unser Förderfonds "proKlima" bringt seit zehn Jahren jährlich fünf Millionen Euro auf. Jedes Jahr werden ca. 1.000 Projekte finanziell unterstützt. Analysen zeigen, dass ein Euro Förderbetrag ca. zehn Euro privates Kapital erschließt, sodass davon die regionale Wirtschaft und das Handwerk profitieren.

Hans Mönninghoff (Mitte) bei der kommunalen Vorkonferenz zum Erdgipfel in Rio, am 29.05.1992 in Curitiba.
1992 waren Sie beim Weltgipfel in Rio dabei. Hat sich seitdem etwas bewegt? Genügend?

Wie gesagt hat sich seit 1992 auf der lokalen Ebene einiges getan, das zeigen unterschiedlichste Praxisbeispiele quer durchs Land. Auch die Arbeit der Agenda Büros hat vieles bewegt. Was mich beschäftigt, ist die Frage, wie wir das Thema in alle gesellschaftlichen Gruppen hineintragen können, denn hier gibt es noch erhebliche Defizite: Wir haben im Dezember 2011 in Hannover gemeinsam mit 24 Projektpartnern einen Kongress zum Thema "Rio+20 - nachhaltig vor Ort!" durchgeführt, der mit hochkarätigen Referenten aus verschiedenen Bereichen besetzt war. Problematisch ist, dass es kaum gelungen ist, Teilnehmer außerhalb der "Öko-Szene" zu gewinnen. Eine Ursache für das mangelnde Interesse von "Nicht-Ökos" ist vielleicht, dass "Nachhaltigkeit" noch immer dem Umweltbereich zugeordnet ist und andere abschreckt. Wenn es uns nicht gelingt, die Themen in alle gesellschaftlichen Gruppen hineinzutragen, werden wir mit den notwendigen radikalen Maßnahmen hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft scheitern. Die "Öko-Szene" hat manches bewegt. Die nächsten Schritte sind aber, sich zu öffnen und Wirtschaft und Soziales intensiver einzubinden. Auch spreche ich bewusst nicht mehr von nachhaltiger, sondern von zukunftsfähiger Entwicklung.

Im Weltmaßstab hat sich jedoch viel zu wenig bewegt. Wir schlittern weiter auf die Klimakatastrophe zu, die Zahl der Hungernden ist nicht signifikant gesunken, die Ausbeutung der Menschen in der Dritten Welt und der Umwelt geht u.a. im Namen der Globalisierung und mit den Mechanismen der Welthandelsorganisation weiter.

2012 soll der Weltgipfel sich dem Thema "Green Economy" widmen - das müsste doch Ihr Steckenpferd sein. Mit welchen Erwartungen fahren Sie dieses Jahr nach Rio? Wird es hier konkrete Ergebnisse geben?

Ich bin im Juni auf einer kommunalen Vorkonferenz von ICLEI in Belo Horizonte und dann als Vertreter der kommunalen Spitzenverbände in Rio. Meine Erwartung ist, dass man, statt Selbstbelobigungen zu verbreiten, offen zugibt, dass man in Sachen Nachhaltigkeit im Weltmaßstab, nicht genügend vorangekommen ist, und dass man dann konkrete Forderungen und Schritte für radikalere Veränderungen formuliert.

Welche Rolle spielen Städte und Kommunen für eine nachhaltige Entwicklung? Wie geht Hannover hier voran?

Kommunen spielen eine große Rolle, denn sie sind als politische Ebene den Menschen am nächsten. Viele Kommunen haben ihre Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung längst übernommen und Hannover ist im Vergleich zu anderen Städten sehr gut aufgestellt. Wir haben gerade eine Broschüre erstellt, die die verschiedenen Projekte und Beispiele zusammenfasst, die Hannover auf dem Weg zur Nachhaltigkeit umsetzt ("Hannover auf dem Weg zur Nachhaltigkeit"). Darunter sind Projekte wie Europas größte Null-Emissionssiedlung, nachhaltige Schülerfirmen, Berufsorientierung, Ausbildungsprojekte für benachteiligte Jugendliche - also Beispiele und Projekte nicht nur aus dem Umweltbereich sondern auch aus Wirtschaft und Soziales. Und dennoch bleibt immer noch eine Menge zu tun. Ich bin überzeugt, dass die Ziele nur erreicht werden können, wenn Umweltschutz und Wirtschaft noch enger zusammenarbeiten.
 
 
Ein Interview von Tina Teucher

Quelle:
Gesellschaft | Politik, 03.05.2012

     
        
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