Neue Serie: Guter Rat für Deutschland
Der deutsche Nachhaltigkeitsrat im Porträt
In der neuen forum -Reihe stellen wir die bedeutendsten Institutionen der Nachhaltigkeit vor, die in Deutschland die Debatte prägen, die Kultur mitbestimmen und mit ihren Konzepten und Aktionen bewegen.
Den Auftakt spielt der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), der nun seit elf Jahren besteht und gerade eine neue Vorsitzende gewählt hat.
Frühling steht für Neuanfang und Tatendrang: Im April 2001 berief die Bundesregierung 15 Personen des öffentlichen Lebens in den Rat für Nachhaltige Entwicklung. Seitdem trägt er dazu bei, die nationale Nachhaltigkeitsstrategie weiterzuentwickeln, Nachhaltigkeit in der Öffentlichkeit zu einem wichtigen Anliegen zu machen und konkrete Handlungsfelder und Projektmöglichkeiten aufzeigen. Dabei geht es vor allem darum, den Dialog über die Vorstellungen von einer nachhaltigen Gesellschaft voranzutreiben.
Seit seiner Gründung ist es dem RNE auf vielfältige Weise gelungen, die Nachhaltigkeitsidee in Wirtschaft und Gesellschaft zu verbreiten. Weil der Begriff oft unscharf gebraucht wird, will der Rat ihn inhaltlich und qualitativ auffüllen, indem er die Idee durch konkrete Projekte oder Stellungnahmen vertieft - etwa in den Themenfeldern Ressourcen, Konsum, nachhaltiges Wirtschaften, Flächeninanspruchnahme, Energiepolitik oder Finanz- und Steuerpolitik.
Im Nachhaltigkeitsdiskurs wird immer wieder betont, dass Partizipation ein wesentlicher Bestandteil der Gestaltung von nachhaltiger Entwicklung ist. Diese Forderung nimmt der Rat beim Wort, indem er innovative Dialogverfahren fördert - wie im Stakeholderdialog zum Nachhaltigkeitskodex, durch seine Jahreskonferenzen oder mit dem Peer Review. Zudem fördert und unterstützt der RNE - im Sinne des ganzheitlichen Ansatzes von Nachhaltigkeit - die Kooperation unterschiedlichster Akteure zur Nachhaltigkeit.
Noch ist die Nachhaltigkeit nicht zum Mainstream für das Handeln in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geworden. Deshalb arbeitet der Nachhaltigkeitsrat weiter.
Politik: Das rät der Rat
Lokal, national, global: Der RNE spricht alle politischen Ebenen an, um sein Kernthema zu verankern. So treffen sich auf seine Einladung hin regelmäßig 20 deutsche Oberbürgermeister zum "Dialog nachhaltige Stadt" (Bericht siehe forum 4/2011 ).
Mit Stellungnahmen und Studien formt der Rat die Deutsche Nachhaltigkeitspolitik mit. So spricht er sich in seinem Statement zu Ökolandbau für eine Agrarwende aus, die nachhaltige Produktions- und Konsummuster fördert. Bereits 2008 empfahl das Gremium der Politik, die Beschaffungspolitik zum Vorbild für nachhaltiges Wirtschaften zu machen. Doch die berufenen Persönlichkeiten wirkten auch zu Themen wie Biodiversitätsschutz, Konsumgesellschaft und Kreislaufwirtschaft mit neuen Ideen und Konzepten aufrüttelnd: "Diejenigen, die 2050 verantwortliche Positionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft inne haben werden, sitzen heute in unseren Schulen. Was geben wir ihnen mit? (...) Unser Bildungssystem ist nicht nachhaltig", mahnte der Rat in seiner Empfehlung zur Bildungspolitik 2010. Die "Bildung für nachhaltige Entwicklung" müsse daher in allen Ressortstrategien zur Nachhaltigkeit innerhalb der Bundesregierung verankert werden.
Für die im Juni 2012 in Rio de Janeiro anberaumte UN-Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung bezieht der Rat Stellung zum Thema Green Economy und geht der Frage nach geeigneten institutionellen Strukturen nach, die nationales Handeln und die internationale Dimension verknüpfen können.
Wirtschaft: Nachhaltigkeitskodex & Ideenwettbewerb
Der RNE hat den Deutschen Nachhaltigkeitskodex allen Unternehmen zur freiwilligen Anwendung empfohlen und der Politik zur Unterstützung und Beachtung im eigenen Bereich vorgelegt. Der Kodex ist in einem mehrjährigen Dialogprozess entstanden. Er definiert 20 Kriterien aus den Bereichen Ökologie, Soziales und Unternehmensführung und hilft so Investoren und Finanzanalysten, besser zu beurteilen ob ein Unternehmen nachhaltig wirtschaftet. Im Rahmen des Dialoges haben viele Unternehmen den Kodex praktisch getestet und validiert. Unternehmen und Organisationen haben nun die Möglichkeit, eine Entsprechenserklärung abzugeben und damit den Stand ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen öffentlich zu machen. Rewe, TüV Rheinland, Steinbeis Papier und die Berliner Stadtreinigung (BSR) haben den Anfang gemacht.
Der langjährige Vorstands-Chef von Puma Jochen Zeitz arbeitet für ein Jahr im Rat mit. Er hat die Kostenberechnung in seiner Firma grundlegend reformiert und führt nun zusammen mit dem RNE einen Ideenwettbewerb zur Berechnung von Nachhaltigkeit in Unternehmensbilanzen durch. Das Ziel ist die bilanzielle Einbeziehung aller bei der Produktion entstehenden Umwelt- und Sozialkosten. Am 26.4. werden die besten Bewerber zur Endauswahl im Rahmen einer Vortrags-Konferenz nach Potsdam eingeladen. Die Siegerehrung erfolgt auf der RNE-Jahreskonferenz am 25.6.
Gesellschaft: Werkstatt N & Aktionstag
Mit dem vom RNE entwickelten Qualitätslabel "Werkstatt N" werden jedes Jahr 100 Projekte und Projektvorhaben ausgezeichnet. Die Jury prüfte für die Auszeichnungen 2012 ca. 220 Bewerbungen auf ihr umfassendes Verständnis von Nachhaltigkeit in den Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales, außerdem die Übereinstimmung von Ziel und Methode sowie die Originalität. Zu den diesjährigen ausgezeichneten Projekten gehören Jugend filmt Zukunft ( forum berichtete in Ausgabe 1/2012 ) oder das Green Clubbing Bar Camp.
www.werkstatt-n.de
Gemeinsam mit Unterstützern aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik und als Botschaft an die dann beginnende UN-Nachhaltigkeitskonferenz in Rio de Janeiro ruft der Rat für Nachhaltige Entwicklung den 4. Juni 2012 in Deutschland zum "Deutschen Aktionstag Nachhaltigkeit" aus. Dieser Tag soll von den vielen Aktiven, Institutionen, Unternehmen, Bildungseinrichtungen, Organisationen, Behörden, aber auch Sportvereinigungen für eigene und dezentrale Aktionen zur Nachhaltigkeit in Deutschland genutzt werden.
www.aktionstag-nachhaltigkeit.de
Zusammenbringen aller Anspruchsgruppen
Letztendlich will der Rat die Nachhaltigkeitsidee in allen Gesellschaftsteilen verbreiten. Damit diese in Dialog treten können, veranstaltet er alljährlich eine eigene Konferenz. Die 12. Jahreskonferenz findet am 25. Juni 2012 in Berlin unter dem Titel "WegeWissenWirkungen statt. Der RNE erwartet wieder mehr als 1.000 Teilnehmer, wobei interessierte Bürger mit namhaften Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ins Gespräch kommen können. Ein thematischer Schwerpunkt: die Ergebnisse des Weltgipfels über nachhaltige Entwicklung, zu dem die Vereinten Nationen wenige Tage vor der RNE-Jahreskonferenz nach Rio de Janeiro einladen.
Ein politischer Rat mit Mut zu Visionen
Das Jahr 2050 erscheint vielen, vor allem jungen Menschen, heute noch ferne Zukunft. Die kommenden 40 Jahre sind aber für sie die Zeit ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung, die Zeit, in der sie Partnerschaften eingehen, Familien gründen und in dieser Gesellschaft leben und wirken. Internationale Experten kritisieren das Fehlen einer übergreifenden Vision von Nachhaltigkeit und Zukunftsleitbildern. Über eine Wissens- und Generationenbrücke ist der Rat für Nachhaltige Entwicklung deshalb mit dem Projekt Dialoge_Zukunft_Vision2050 gezielt an die Generation U27 herangetreten, um sie zu ihren Vorstellungen und Leitideen für ein Leben in der Zukunft zu befragen.
Es ist nicht leicht, einem Begriff, der so wenig sexy ist wie der der "Nachhaltigkeit", Leben einzuhauchen. Ebensowenig ist es leicht, die Mühlen der Politik für echte Veränderung in Gang zu bringen. Der Rat für nachhaltige Entwicklung verankert und vertieft mit seinen strategischen Konzepten und seiner Vielfalt an Aktionen und Projekten ein wichtiges Anliegen in der Gesellschaft und kommt dabei dem komplexen Anspruch der Nachhaltigkeitsidee selbst ziemlich nahe. Mit der neuen Vorsitzenden (siehe Interview) wird der Rat nun neue Impulse setzen.
Den Auftakt spielt der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), der nun seit elf Jahren besteht und gerade eine neue Vorsitzende gewählt hat.
Foto: © Rat für Nachhaltige Entwicklung |
Seit seiner Gründung ist es dem RNE auf vielfältige Weise gelungen, die Nachhaltigkeitsidee in Wirtschaft und Gesellschaft zu verbreiten. Weil der Begriff oft unscharf gebraucht wird, will der Rat ihn inhaltlich und qualitativ auffüllen, indem er die Idee durch konkrete Projekte oder Stellungnahmen vertieft - etwa in den Themenfeldern Ressourcen, Konsum, nachhaltiges Wirtschaften, Flächeninanspruchnahme, Energiepolitik oder Finanz- und Steuerpolitik.
Im Nachhaltigkeitsdiskurs wird immer wieder betont, dass Partizipation ein wesentlicher Bestandteil der Gestaltung von nachhaltiger Entwicklung ist. Diese Forderung nimmt der Rat beim Wort, indem er innovative Dialogverfahren fördert - wie im Stakeholderdialog zum Nachhaltigkeitskodex, durch seine Jahreskonferenzen oder mit dem Peer Review. Zudem fördert und unterstützt der RNE - im Sinne des ganzheitlichen Ansatzes von Nachhaltigkeit - die Kooperation unterschiedlichster Akteure zur Nachhaltigkeit.
Noch ist die Nachhaltigkeit nicht zum Mainstream für das Handeln in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geworden. Deshalb arbeitet der Nachhaltigkeitsrat weiter.
Politik: Das rät der Rat
Lokal, national, global: Der RNE spricht alle politischen Ebenen an, um sein Kernthema zu verankern. So treffen sich auf seine Einladung hin regelmäßig 20 deutsche Oberbürgermeister zum "Dialog nachhaltige Stadt" (Bericht siehe forum 4/2011 ).
Mit Stellungnahmen und Studien formt der Rat die Deutsche Nachhaltigkeitspolitik mit. So spricht er sich in seinem Statement zu Ökolandbau für eine Agrarwende aus, die nachhaltige Produktions- und Konsummuster fördert. Bereits 2008 empfahl das Gremium der Politik, die Beschaffungspolitik zum Vorbild für nachhaltiges Wirtschaften zu machen. Doch die berufenen Persönlichkeiten wirkten auch zu Themen wie Biodiversitätsschutz, Konsumgesellschaft und Kreislaufwirtschaft mit neuen Ideen und Konzepten aufrüttelnd: "Diejenigen, die 2050 verantwortliche Positionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft inne haben werden, sitzen heute in unseren Schulen. Was geben wir ihnen mit? (...) Unser Bildungssystem ist nicht nachhaltig", mahnte der Rat in seiner Empfehlung zur Bildungspolitik 2010. Die "Bildung für nachhaltige Entwicklung" müsse daher in allen Ressortstrategien zur Nachhaltigkeit innerhalb der Bundesregierung verankert werden.
Für die im Juni 2012 in Rio de Janeiro anberaumte UN-Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung bezieht der Rat Stellung zum Thema Green Economy und geht der Frage nach geeigneten institutionellen Strukturen nach, die nationales Handeln und die internationale Dimension verknüpfen können.
Wirtschaft: Nachhaltigkeitskodex & Ideenwettbewerb
Der RNE hat den Deutschen Nachhaltigkeitskodex allen Unternehmen zur freiwilligen Anwendung empfohlen und der Politik zur Unterstützung und Beachtung im eigenen Bereich vorgelegt. Der Kodex ist in einem mehrjährigen Dialogprozess entstanden. Er definiert 20 Kriterien aus den Bereichen Ökologie, Soziales und Unternehmensführung und hilft so Investoren und Finanzanalysten, besser zu beurteilen ob ein Unternehmen nachhaltig wirtschaftet. Im Rahmen des Dialoges haben viele Unternehmen den Kodex praktisch getestet und validiert. Unternehmen und Organisationen haben nun die Möglichkeit, eine Entsprechenserklärung abzugeben und damit den Stand ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen öffentlich zu machen. Rewe, TüV Rheinland, Steinbeis Papier und die Berliner Stadtreinigung (BSR) haben den Anfang gemacht.
Der langjährige Vorstands-Chef von Puma Jochen Zeitz arbeitet für ein Jahr im Rat mit. Er hat die Kostenberechnung in seiner Firma grundlegend reformiert und führt nun zusammen mit dem RNE einen Ideenwettbewerb zur Berechnung von Nachhaltigkeit in Unternehmensbilanzen durch. Das Ziel ist die bilanzielle Einbeziehung aller bei der Produktion entstehenden Umwelt- und Sozialkosten. Am 26.4. werden die besten Bewerber zur Endauswahl im Rahmen einer Vortrags-Konferenz nach Potsdam eingeladen. Die Siegerehrung erfolgt auf der RNE-Jahreskonferenz am 25.6.
Der RNE sorgt bei der Jahreskonferenz für einen generationen- und anspruchsgruppenübergreifenden Dialog. |
Mit dem vom RNE entwickelten Qualitätslabel "Werkstatt N" werden jedes Jahr 100 Projekte und Projektvorhaben ausgezeichnet. Die Jury prüfte für die Auszeichnungen 2012 ca. 220 Bewerbungen auf ihr umfassendes Verständnis von Nachhaltigkeit in den Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales, außerdem die Übereinstimmung von Ziel und Methode sowie die Originalität. Zu den diesjährigen ausgezeichneten Projekten gehören Jugend filmt Zukunft ( forum berichtete in Ausgabe 1/2012 ) oder das Green Clubbing Bar Camp.
www.werkstatt-n.de
Gemeinsam mit Unterstützern aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik und als Botschaft an die dann beginnende UN-Nachhaltigkeitskonferenz in Rio de Janeiro ruft der Rat für Nachhaltige Entwicklung den 4. Juni 2012 in Deutschland zum "Deutschen Aktionstag Nachhaltigkeit" aus. Dieser Tag soll von den vielen Aktiven, Institutionen, Unternehmen, Bildungseinrichtungen, Organisationen, Behörden, aber auch Sportvereinigungen für eigene und dezentrale Aktionen zur Nachhaltigkeit in Deutschland genutzt werden.
www.aktionstag-nachhaltigkeit.de
Zusammenbringen aller Anspruchsgruppen
Letztendlich will der Rat die Nachhaltigkeitsidee in allen Gesellschaftsteilen verbreiten. Damit diese in Dialog treten können, veranstaltet er alljährlich eine eigene Konferenz. Die 12. Jahreskonferenz findet am 25. Juni 2012 in Berlin unter dem Titel "WegeWissenWirkungen statt. Der RNE erwartet wieder mehr als 1.000 Teilnehmer, wobei interessierte Bürger mit namhaften Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ins Gespräch kommen können. Ein thematischer Schwerpunkt: die Ergebnisse des Weltgipfels über nachhaltige Entwicklung, zu dem die Vereinten Nationen wenige Tage vor der RNE-Jahreskonferenz nach Rio de Janeiro einladen.
Ein politischer Rat mit Mut zu Visionen
Das Jahr 2050 erscheint vielen, vor allem jungen Menschen, heute noch ferne Zukunft. Die kommenden 40 Jahre sind aber für sie die Zeit ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung, die Zeit, in der sie Partnerschaften eingehen, Familien gründen und in dieser Gesellschaft leben und wirken. Internationale Experten kritisieren das Fehlen einer übergreifenden Vision von Nachhaltigkeit und Zukunftsleitbildern. Über eine Wissens- und Generationenbrücke ist der Rat für Nachhaltige Entwicklung deshalb mit dem Projekt Dialoge_Zukunft_Vision2050 gezielt an die Generation U27 herangetreten, um sie zu ihren Vorstellungen und Leitideen für ein Leben in der Zukunft zu befragen.
Es ist nicht leicht, einem Begriff, der so wenig sexy ist wie der der "Nachhaltigkeit", Leben einzuhauchen. Ebensowenig ist es leicht, die Mühlen der Politik für echte Veränderung in Gang zu bringen. Der Rat für nachhaltige Entwicklung verankert und vertieft mit seinen strategischen Konzepten und seiner Vielfalt an Aktionen und Projekten ein wichtiges Anliegen in der Gesellschaft und kommt dabei dem komplexen Anspruch der Nachhaltigkeitsidee selbst ziemlich nahe. Mit der neuen Vorsitzenden (siehe Interview) wird der Rat nun neue Impulse setzen.
www.nachhaltigkeitsrat.de
Von Tina Teucher
Quelle:
Gesellschaft | Politik, 10.05.2012
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