BEE Energiedialog 2025

Investoren schauen genauer hin

Neue Verantwortlichkeiten für Vorstände und Aufsichtsräte

Aufstellen, Berechnen, Nachrechnen, Prüfen - Der bürokratische Aufwand von Unternehmen steigt, da mehr Prävention, Transparenz und Verantwortung gefragt sind.
Foto: © carlos castilla, Fotolia.com
Die Anforderungen an Aufsichtsräte und Vorstände sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Gesetzgeber und Regulatoren fordern noch mehr Sorgfalt. Die Verwalter der professionell gemanagten Vermögen - die institutionellen Anleger - haben sich durch die zunehmende Institutionalisierung und das Wachstum der Kapitalanlagen für die börsennotierten Unternehmen zu einer neuen Macht an den Kapitalmärkten entwickelt. Sie werden immer kritischer und streben ein stärkeres Engagement an. Zeit für eine Standortbestimmung.

Das Überwachen von Unternehmen wird zunehmend zum Vollzeitjob. Es geht um Prävention, Transparenz und Verantwortung. Viele Unternehmen müssen sich neu aufstellen, weil die Themen gute Unternehmensführung und Nachhaltigkeit für die Stakeholder sowie für Politiker und Behörden immer stärker an Bedeutung gewinnen.

Dass sich die unternehmerische Verantwortung an neuen Spielregeln ausrichten muss, belegen folgende Entwicklungen:

  • Die Anzahl der Corporate-Governance-Richtlinien ist in den 1990er-Jahren exponentiell angestiegen. Dies vor allem mit dem Ziel, die Interessen der Aktionäre stärker zu vertreten. Der Deutsche Corporate Governance Kodex stößt bei den Unternehmen mittlerweile auf eine hohe Akzeptanz und wird zu großen Teilen eingehalten.

  • Seit etwa fünf Jahren gewinnen die sogenannten ESG-Themen immer stärkeren Einfluss auf die Investmententscheidungen institutioneller Investoren. Es geht dabei um die Berücksichtigung von ökologischen (Environment) und sozialen Themen (Social) sowie um eine verantwortungsvolle Unternehmensführung (Corporate Governance). Diese drei Säulen greifen ineinander und sind nicht isoliert zu betrachten.

  • Diese drei Bereiche der nachhaltigen Investments basieren im Wesentlichen auf der sogenannten "Triple Bottom Line". Dabei geht es darum, langfristig eine erfolgreiche Wertentwicklung zu sichern, um den Fortbestand des Unternehmens zu garantieren. Dies war für die Global Reporting Initiative (GRI) die Ausgangsbasis, relevante sowie mess- und vergleichbare Leistungsindikatoren zu entwickeln. Mittlerweile sind diese als der allgemeine Standard in der Nachhaltigkeitsberichterstattung etabliert.


ESG-Kriterien als Grundlage für Investitionsentscheidungen

In der Vergangenheit wurde eine Investmententscheidung von institutionellen Investoren primär durch den Bottom-up-Ansatz mit Fokussierung auf die finanzwirtschaftliche Analyse des jeweiligen Unternehmens begründet. Heute wollen immer mehr Anleger rentabel und verantwortungsbewusst investieren. Das zeigt sich auch darin, dass die nach den Aspekten der sogenannten "Socially Responsible Investments" (SRI) verwalteten Vermögen in Europa Ende 2009 bei insgesamt EUR 5 Billionen1 lagen. Seit 2007 ist diese Asset-Klasse um durchschnittlich 37 Prozent gewachsen. Mit dem Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien in die Fundamentalanalyse sowie in die Anlageentscheidung wollen institutionelle Investoren langfristig systematische Risiken minimieren und Chancen wahrnehmen, um eine kompetitive Anlagerendite zu erzielen. In der verantwortungsvollen Anlagestrategie werden daher Risiken, welche die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens langfristig belasten können, in den Entscheidungsprozess mit einbezogen. Solche Risiken sind beispielsweise: Umweltschäden, Sammelklagen, Streiks, CO2-Emissionen, schlechte Arbeitsbedingungen, unzureichende Corporate Governance.

Institutionelle Investoren setzen bei der Anlageentscheidung einerseits auf einen konstruktiven Dialog mit dem Management der Unternehmen. Zudem bauen die großen Researchhäuser und Vermögensverwalter ihr Research aus, in dem spezialisierte Teams die ESG-Analysen durchführen und die internen Datenbanken mit den notwendigen Nachhaltigkeitsinformationen füttern. Anderseits werden externe Institute wie Rating-Agenturen, Indices und Researchhäuser als Informationsquelle in den Anlageprozess einbezogen. Die Relevanz der externen Institute ist im Einzelfall nicht einfach zu identifizieren und kann von Unternehmen zu Unternehmen variieren.

Eine Auswahl möglicher relevanter Institute:

Ratings und Indices
  • InRate
  • Oekom Research
  • MSCI/Risk Metrics
  • Sustainalytics
  • Vigeo
  • DJSI (Dow Jones Sustainability Index)
  • FTSE4Good

Frameworks und Guidelines
  • Global Reporting Initiative (GRI)
  • UN Global Compact
  • UN PRI (Principles for Responsible Investment der UN)
  • Grünbuch der EU
  • Stewardship Code (UK)
  • Carbon Disclosure Project
  • Forest Disclosure Project
  • Water Disclosure Project

Institutionelle Investoren auf dem Weg zu mehr Engagement?

Künftig ist zudem davon auszugehen, dass institutionelle Investoren eine stärkere Rolle in der Corporate Governance einnehmen und sich verstärkt bei den Unternehmen, in die sie investieren, engagieren. Dieses Engagement kann sich in verschiedenen Formen äußern. Hierzu gehört ein verstärkter Dialog zwischen den Entscheidungsträgern der relevanten Unternehmensgremien - Vorstand und Aufsichtsrat. In diesen Gesprächen werden kritische Themen frühzeitig adressiert. Unternehmen können aus einem konstruktiv kritisch geführten Dialog einen Mehrwert ziehen und sollten diesem daher offen gegenüberstehen. Der Mehrwert liegt insbesondere in den branchen- und länderübergreifenden Analysen, die von institutionellen Investoren durchgeführt werden. Dadurch lassen sich oft frühzeitig für das Unternehmen wichtige Entwicklungen erkennen. Weiterhin ist damit zu rechnen, dass Investoren auch ihre Stimmrechte auf Hauptversammlungen verstärkt ausüben. Das Grünbuch der EU bemängelt in diesem Zusammenhang die kurzfristige Ertragsmaximierung und dass die Überwachungsfunktion häufig an Finanzintermediäre oder an Berater für die Stimmrechtsvertretung (sogenannte Proxy Advisors) abgegeben wird. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgt der im Juli 2010 veröffentlichte britische Stewardship Code, der die Qualität des Engagements zwischen institutionellen Investoren und den Unternehmen fördern will.

Zudem haben die institutionellen Investoren über die Principles for Responsible Investment (PRI) die Möglichkeit, ihre Interessen verstärkt durchzusetzen, indem sie ihre Stimmrechte zu spezifischen Themen mit anderen institutionellen Investoren bündeln. Die PRI wurden 2005 von der UN gegründet. Bis heute haben sich rund 20 Prozent des weltweiten Kapitals diesen Investitionsprinzipien angeschlossen.

So unterstützt beispielsweise einer der größten deutschen Vermögensverwalter, die Union Investment, die zur genossenschaftlichen Finanzgruppe der Volks- und Raiffeisenbanken gehört, eine Initiative zur nachhaltigen Fischerei. In China haben 45 PRI-Unterzeichner eine Erklärung abgegeben, um die Arbeitsbedingungen in verschiedenen Elektronikfabriken zu verbessern, die globale Firmen wie Apple und Dell beliefern.

Unternehmen und institutionelle Investoren müssen heute auch damit rechnen, medial für ihre nicht-nachhaltigen Investments an den Pranger gestellt zu werden. Im Mai 2011 berichtete beispielsweise DIE ZEIT in einem mehrseitigen Artikel darüber, dass Altersvorsorgegelder der Riester-Rente des Versicherungsunternehmens Deutscher Ring, die vom amerikanischen Finanzunternehmen Pioneer Investments, verwaltet werden, in Aktien der amerikanischen Firma Textron investiert wurden. Dieser Mischkonzern produziert neben Hubschraubern, Rasenmähern und Handsägen auch Streubomben. Solches Fehlverhalten wird in Zeiten vernetzter Kommunikation medial aufgedeckt und öffentlich gerügt. Die Reputation der Fonds sowie der betroffenen Unternehmen steht gleichermaßen auf dem Spiel. Bei den Unternehmen kann der Börsenwert dadurch beeinflusst werden. Die Fondsgesellschaften müssen damit rechnen, dass sich dies negativ auf die verwalteten Vermögen auswirkt.

Nachhaltige Berichterstattung - Grundlage eines offenen Dialogs

Das deutsche Handelsgesetzbuch verlangt von den Unternehmen, dass ab einer bestimmten Größe bedeutende nicht-finanzielle Leistungsindikatoren wie beispielsweise Umweltbelastungen und Arbeitnehmerbelange offengelegt werden müssen, sofern sie einen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit des betreffenden Unternehmens haben. Diese Formulierung lässt allerdings offen, über welche sozialen und ökologischen Aspekte berichtet werden muss. Eine bessere Hilfestellung bieten hier die Richtlinien der 1998 gegründeten Global Reporting Initiative (GRI), die sich mittlerweile als allgemein anerkannter und standardisierter Berichtsrahmen für Unternehmen etabliert haben. Ihr detaillierter Leitfaden soll die Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit von ESG-Daten sicherstellen. Der Berichtsrahmen unterscheidet verschiedene Anwendungsebenen, die sogenannten Level A, B und C. Damit können Unternehmen den Umfang und den Detaillierungsgrad der offengelegten Informationen selber festlegen. Branchenspezifische Themen werden durch spezielle Supplements ergänzt. Zudem kann durch die Prüfung des gewählten Levels durch GRI das Logo in der externen Berichterstattung verwendet werden. Die derzeit aktuellen und anwendbaren G3.1-Guidelines werden weiterentwickelt. Ziel ist es, die Nachhaltigkeitsthemen immer stärker in die allgemeine Berichterstattung zu integrieren. GRI unterstützt daher auch die Initiative des integrierten Reportings.

Share- und Stakeholderinteressen ausbalancieren

Den Aufsichtsräten kommt in ihrer Funktion als Vertreter der Eigentümer - insbesondere der kapitalkräftigen institutionellen Investoren - künftig eine besondere Rolle zu: Sie werden verstärkt den Dialog mit ihren Aktionären pflegen und sich mit deren Anliegen auseinandersetzen müssen. Grundlage für diesen Austausch ist eine transparente Berichterstattung, die sich an den wesentlichen Leistungsindikatoren orientiert. Das bedingt, dass die zentralen Themen einer nachhaltigen und langfristig ausgerichteten Unternehmensführung mit den Interessen der Aktionäre und anderen relevanten Stakeholder im Einklang stehen. Nur so können Konflikte oder schlechte Abstimmungsergebnisse bei der Hauptversammlung vermieden werden, welche im schlimmsten Fall zu einer Wertminderung des Unternehmens und zu einem Reputationsverlust führen.
 
 
Von Petra Nix

Quelle:
Lifestyle | Geld & Investment, 13.09.2012

     
        
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