Geniale Grenzgänge - Limits in der Wirtschaft und am Ende der Welt
Der Schlüssel zum Umgang mit ökologischen und materiellen Limits liegt in der Nachhaltigkeit
Stellen Sie sich vor, Sie sind unumstrittener Weltmarktführer, Vorreiter, Innovationstreiber - unangreifbar, brillant, elitär. Egal ob wirtschaftlich oder polarhistorisch. Und in so einer überragenden Position sagen Sie sich, es reicht. Ihre Souveränität ist es, nicht alles auszuspielen. Genug ist genug, welch schöner Gedanke - gerade in Zeiten wie diesen.
Genialer Grenzgang im ewigen Eis: Die Nimrod-Expedition (1907-09)
Der erste Mensch am Südpol zu sein war Ernest Shackletons erklärtes Ziel. Die privat finanzierte British-Antarctic-Expedition verfügte mit der Nimrod nur über ein winziges Schiff. Nach einer grenzwertigen Seereise errichteten die Männer am Cape Royds ihren Ausgangspunkt Nimrod Hut.
Mit seinen drei Begleitern Wild, Marshall und Adams quälte Shackleton sich bis auf 97 Meilen an den Pol heran, als die knappen Reserven ihn am 9. Januar 1909 zwangen umzukehren. Die Rückreise über 700 Meilen geriet bei minus 52° Celsius zu einem verzweifelten Rennen gegen den Tod. Mehrmals ging den erschöpften Männern das Essen aus. Sie schafften das Unmögliche und Shackleton kehrte als Held des Empire nach England zurück. Mit den Worten Besser ein lebender Esel als ein toter Löwe, begründete er die bedeutendste Entscheidung seines Lebens.
Die größte Wertschätzung verdienen Shackleton und seine Begleiter letztendlich dafür, dass sie als Rekordhalter umkehrten, selbst als sie nur noch 97 Meilen von ihrem Ziel entfernt waren.
Parallelen zwischen polarhistorischen und aktuellen ökonomischen Krisen
Geld und Zeit, Nahrung und Ausrüstung, Wissen und erfahrene Teilnehmer waren immer knapp. Zugleich wurden die Krisenmanagement- und Leadership-Eigenschaften besonders gefordert. Keine andere Expedition war jemals dermaßen isoliert und am Limit unterwegs. Nie wieder. Die Weltmarktführer in Eis, Schnee und Entlegenheit gerieten dabei in große Krisen, die beinahe unlösbar schienen.
Shackleton hat uns vorgezeigt, wie man am Limit handelt und überlebt
Shackletons Philosophie hat sich unter großen Bedrohungen bewährt. Er blickte der Wahrheit ins Auge und machte sich und seinen Männern nichts vor. In schwierigsten Zeiten und mit dem Rücken zur Wand hat er nie ein Menschenleben verloren. Das fasziniert und macht ihn zeitlos interessant.
Der Stand der Dinge - die ideale Rezeptur für eine absolute Katastrophe
Wirtschaftswissenschaftliche Theorien scheinen aktuell haltlos und zusehends gewagt zu sein. Manchen Akteuren in der Wirtschaft ist das Bewusstsein für das Wesentliche abhanden gekommen: Es fehlt die Erkenntnis, dass nicht alles, was nicht verboten ist, im Umkehrschluss erlaubt ist. Die Finanzbranche hat sich wie ein Ufo vom Geschäft mit den Kunden entfernt. Spekulierende Banken konnten zwar Unsummen von Geld verdienen, aber eben auch verlieren. Nach wie vor entscheiden annähernd gleich alte, gleich sozialisierte und gleich ausgebildete Menschen. Ihre Übereinstimmung ist so hoch, dass sie nahezu konfrontationslos alles ab nicken. Doch Fehlentscheidungen werden dadurch, dass man an ihnen festhält, nicht richtiger. Viele haben zwar keine Lösung, aber sie scheinen fasziniert vom Problem.
Natürlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Aber sie stirbt mit diesen Entscheidern zweifellos. Die europäische oder gar weltweite Zusammenarbeit misslingt. Die globalisierte Gesellschaft macht uns aktuell zu Nachbarn, aber nachhaltig nicht zu Geschwistern.
Wirtschaften war und ist oft geprägt von Limitüberschreitungen
Wir müssen aber noch viel genauer wissen, wie weit man zu weit gehen kann. Die Belastungen auf allen Ebenen nehmen zu und die Folgen sind unübersehbar:
Nur der größte Ignorant unter uns kann noch daran zweifeln, dass das Ökosystem der Erde in Gefahr ist. Der Schlüssel zum Umgang mit ökologischen und materiellen Limits liegt in der Nachhaltigkeit, vor allem Nachhaltigkeit im Handeln des Einzelnen. Die von der Natur vorgegebenen Grenzen sind in vielen Fällen schon erreicht, was beim Öl, beim Kohlendioxid und beim Klima besonders deutlich ist. Hatten einige bei Tschernobyl noch im Hinterkopf, dass einmaliges menschliches Versagen Schuld war, so ist vielen spätestens mit Fukushima bewusst geworden, an welch seidenem Faden vermeintliche Sicherheit hängt. Die Natur zeigt uns immer mehr die Grenzen auf. Die Grenzen unserer Verletzlichkeit. Und auch die ihrer.
Der für uns unentgeltliche Raubbau an der Umwelt gipfelt in meiner Überzeugung, dass die Erde eines Tages sehr gut ohne uns Menschen auskommen kann, wir aber unsere Existenzgrundlage auf diesem wunderbaren Planeten verspielen können.
Der österreichischer Nobelpreisträger Konrad Lorenz äußerte als zivilisatorisch-ökologischer Gesellschaftskritiker: "Ich hielt immer die Raumfahrt für eine sehr unnütze und leichtfertige Ausgabe großer Summen, und das Einzige, was ich an Gutem an Mond und anderen Raumfahrten sehe, ist, dass es den Menschen beigebracht hat: Wie schön die Erde ist, wie scheußlich die Mondwüste ist, wie scheußlich der Mars ist und wahrscheinlich alle anderen Himmelskörper in unserer näheren Umgebung auch. Wie selten, wie wunderschön unsere kleine blaue Erde ist, wie klein sie ist, wie selten, wie isoliert sie ist, und wie wir vollkommen aufgeschmissen sind, wenn wir diese kleine blaue Erde kaputtmachen." Diese Zeilen eignen sich zum Vorlesen und Weitererzählen.
Nachhaltigkeit gelingt mit Bodenhaftung, Augenmaß und Zuversicht
Was ich von Shackleton gelernt habe, ist, dass Bodenhaftung, Augenmaß und Zuversicht handlungsleitend sein sollen. Es ist intelligent, Shackleton als Vorbild aus vergangener Zeit für unsere Zukunft ein Mandat zu erteilen. Moral entsteht nun einmal nicht durch Verpflichtung, sondern durch Nachahmung.
So viele Menschen fühlen sich aktuell enttäuscht. Doch sie verkennen die Lage. Eine Enttäuschung ist nicht negativ, sondern das Ende einer Täuschung und somit die Chance für einen Neuanfang. Die Zukunft ist nicht gratis. Dabei sind mir Investitionen in die Zukunft wesentlich lieber als Rückzahlungen für die Vergangenheit. Wir sind weit entfernt davon, doch manchmal wünsche ich mir in grenzenloser Naivität: Geld, dass keiner zählt!
Das soziale Tempo steigt unermesslich und doppelt so gut zu funktionieren mit der Hälfte des Geldes wird gefordert. Die Antwort finden wir keinesfalls im "doppelt-so-groß und halb-so-teuer-Mythos". Wollen wir auf dem internationalen Markt bestehen, sollten wir vielmehr verstehen, dass dies nur mit einer ausgewogenen Lebens- und Arbeitsbalance möglich ist.
Der kurzatmige Takt, Neues zu erfinden und Altes zu vergessen, ein Pfeiler der modernen Wirtschaft, beginnt zu modern. Die Obsoleszenz als gewünschter Produktverfall durch technische oder psychologische Vergänglichkeit fördert eine Vergeudungsökonomie. Diese müssen wir stoppen.
Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Handeln in Krisen sind belastbare Aussagen. Wenn Sie heute 40 Jahre oder jünger sind, dann ist zu befürchten, dass Ihre Rentenbescheide bestenfalls Belletristik sind. Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar. Man kann sich dazu entscheiden. Daran glaube ich. Wenn man das nicht tut, dann heißt das etwas. Die Wahrheit ist kein Kompromiss.
Die Erfolge von gestern sollen heute kein Unternehmen mehr beruhigen. Der größte Kostenblock im Unternehmen sind nicht die Mitarbeiter, sondern Führungsfehler. Souveränität bedeutet, nicht alles bis ans Limit auszureizen. In Führungspostionen sind nur jene Menschen interessant, die, wie Shackleton Courage haben. Sie warten nicht, bis eine zugespitzte Situation eine Veränderung erzwingt, sondern stellen sich auf die Zukunft ein, bevor die anderen es tun. Die Lösung von Krisen gelingt primär charismatischen Führungskräften, die vorbildhaft vorangehen und gut sind, wenn es darauf ankommt. Denn wer führt, gewinnt!
Bedenken wir: Der urzeitliche Jäger in uns ist ohnehin nur durch eine dünne Schicht der Zivilisation bedeckt. Worauf es ankommt ist, sozial kompetent zu handeln. Ansonsten ist das Projekt der zivilisierten Menschheit auf der Erde gescheitert. Wir haben nur eine gemeinsame Chance. Wo immer wir hingehen. Was immer wir tun. Wie auch immer. Wir Menschen wollen definitiv Hoffnung haben und nicht irgendein Krisengeschrei.
Wenn Sie jetzt meinen, es ist unerhört ist, eine Antarktisexpedition mit der Ökonomie zu vergleichen, dann haben Sie recht. Und wenn Sie sagen, es ist aufwändig, daraus erfolgreiches Krisenhandeln für heute abzuleiten, dann haben Sie noch viel mehr recht. Aber, wenn wir mit Shackleton als Vorbild das Blatt wenden, dann habe ich recht.
Das Genie geht glatt durch die Wand. Auch, wenn es dazu 97 Meilen vor dem Pol umdreht.
Der Shackleton-Kenner in Europa.
Wirtschaftsliteraturpreis & Wirtschaftsbuch des Jahres 2008.
Der Wirtschaftsingenieur und Dipl.-Pädagoge war Lehrbeauftragter an Hochschulen, sowie Unternehmensberater in Österreich und Deutschland.
Er begeistert als motivierender Redner bei Kongressen und Tagungen im In- und Ausland. Seine Themen: Mut machen, Geniale Grenzgänge und Leadership leben.
Geniale Grenzgänge - Limits in der Wirtschaft und am Ende der Welt
272 Seiten, gebunden
40 s/w-Abb. / ? 29,90
ISBN 978-3-205-78798-3
Böhlau Verlag Wien Köln Weimar, 2012
"Shackleton war in seiner Zeit Weltmarktführer. Seine Philosophie fängt dort an, wo andere aufhören. Ein Ansatz, der wie auf Porsche gemünzt ist. Lesen Sie dieses Buch."
Dr. Wolfgang Porsche
Genialer Grenzgang im ewigen Eis: Die Nimrod-Expedition (1907-09)
Der erste Mensch am Südpol zu sein war Ernest Shackletons erklärtes Ziel. Die privat finanzierte British-Antarctic-Expedition verfügte mit der Nimrod nur über ein winziges Schiff. Nach einer grenzwertigen Seereise errichteten die Männer am Cape Royds ihren Ausgangspunkt Nimrod Hut.
Mit seinen drei Begleitern Wild, Marshall und Adams quälte Shackleton sich bis auf 97 Meilen an den Pol heran, als die knappen Reserven ihn am 9. Januar 1909 zwangen umzukehren. Die Rückreise über 700 Meilen geriet bei minus 52° Celsius zu einem verzweifelten Rennen gegen den Tod. Mehrmals ging den erschöpften Männern das Essen aus. Sie schafften das Unmögliche und Shackleton kehrte als Held des Empire nach England zurück. Mit den Worten Besser ein lebender Esel als ein toter Löwe, begründete er die bedeutendste Entscheidung seines Lebens.
Die größte Wertschätzung verdienen Shackleton und seine Begleiter letztendlich dafür, dass sie als Rekordhalter umkehrten, selbst als sie nur noch 97 Meilen von ihrem Ziel entfernt waren.
Parallelen zwischen polarhistorischen und aktuellen ökonomischen Krisen
Geld und Zeit, Nahrung und Ausrüstung, Wissen und erfahrene Teilnehmer waren immer knapp. Zugleich wurden die Krisenmanagement- und Leadership-Eigenschaften besonders gefordert. Keine andere Expedition war jemals dermaßen isoliert und am Limit unterwegs. Nie wieder. Die Weltmarktführer in Eis, Schnee und Entlegenheit gerieten dabei in große Krisen, die beinahe unlösbar schienen.
Shackleton hat uns vorgezeigt, wie man am Limit handelt und überlebt
Shackletons Philosophie hat sich unter großen Bedrohungen bewährt. Er blickte der Wahrheit ins Auge und machte sich und seinen Männern nichts vor. In schwierigsten Zeiten und mit dem Rücken zur Wand hat er nie ein Menschenleben verloren. Das fasziniert und macht ihn zeitlos interessant.
Der Stand der Dinge - die ideale Rezeptur für eine absolute Katastrophe
Wirtschaftswissenschaftliche Theorien scheinen aktuell haltlos und zusehends gewagt zu sein. Manchen Akteuren in der Wirtschaft ist das Bewusstsein für das Wesentliche abhanden gekommen: Es fehlt die Erkenntnis, dass nicht alles, was nicht verboten ist, im Umkehrschluss erlaubt ist. Die Finanzbranche hat sich wie ein Ufo vom Geschäft mit den Kunden entfernt. Spekulierende Banken konnten zwar Unsummen von Geld verdienen, aber eben auch verlieren. Nach wie vor entscheiden annähernd gleich alte, gleich sozialisierte und gleich ausgebildete Menschen. Ihre Übereinstimmung ist so hoch, dass sie nahezu konfrontationslos alles ab nicken. Doch Fehlentscheidungen werden dadurch, dass man an ihnen festhält, nicht richtiger. Viele haben zwar keine Lösung, aber sie scheinen fasziniert vom Problem.
Natürlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Aber sie stirbt mit diesen Entscheidern zweifellos. Die europäische oder gar weltweite Zusammenarbeit misslingt. Die globalisierte Gesellschaft macht uns aktuell zu Nachbarn, aber nachhaltig nicht zu Geschwistern.
Wirtschaften war und ist oft geprägt von Limitüberschreitungen
Wir müssen aber noch viel genauer wissen, wie weit man zu weit gehen kann. Die Belastungen auf allen Ebenen nehmen zu und die Folgen sind unübersehbar:
- Unser Wirtschaftssystem am Limit
Der Kapitalismus, eine beispiellose Erfolgsgeschichte gegenüber jedem anderen Wirtschaftssystem, hat einen Haken. Er hat uns vorangebracht, aber auch an den Rand. Dort, wo alle sind, ist nichts zu holen. Dort ist nur die tote Mitte. Ähnliche Unternehmen haben ähnliche Mitarbeiter mit ähnlichen Ideen und Produkten, bei ähnlichen Preisen und Qualitäten. Wer dazugehört, wird es künftig schwer haben. Noch dazu sind gute Leute sind knapp. Ihre Motivation ist nicht eintreibbar, nicht einklagbar. Leistung basiert auf leidenschaftlicher Begeisterung.
- Unsere Gesellschaft am Limit
Es ist absurd, sogenannte wirtschaftliche Entscheidungen nur auf die Wirtschaft zu beziehen. Die gesellschaftlichen Auswirkungen sind offensichtlich. Der Weg zurück in die Mitte der Gesellschaft ist lang. Doch die einen sind dafür, die anderen sind dagegen und die Dritten wissen es noch nicht. Das Ergebnis ist eine Gesellschaft, die darauf wartet, dass ihr im Fallen Flügel wachsen.
Wir dürfen eines nicht ausblenden: Wenn die Mittelschichten funktionieren, funktioniert auch die Demokratie. Es ist unverzichtbar soziale Ungerechtigkeiten wieder umzudrehen, dass wird das große Thema der nächsten Jahre. Aber das wird sehr, sehr schwer.
- Ethik und Moral ein knappes Gut
Zu oft werden moralische Limits nach unten durchbrochen. Wir brauchen ohne Zweifel zumindest eine Minimalethik: Vor allem niemanden zu schaden. Das ist wenig und viel zugleich. Gewinnstreben ist legitim, aber nur unter Berücksichtigung wesentlicher Fragen: Wie werden die Gewinne erzielt? Wie werden sie verteilt? Entsteht Schaden für Dritte? Wir müssen uns aktuell mit einem Ansatz beschäftigen: Können wir gewinnen und andere daran teilhaben lassen?
- Desillusionierte Geldwerte
Noch stützt die Geldillusion das System, doch eigentlich ist Geld nichts außer Zahlenkolonnen oder bedrucktes Papier. Der Glaube an die Geldwerte kann schwinden, wenn sich immer mehr fragen, wer soll jemals diese Schulden zurückzahlen? Würde die Bevölkerung das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor dem Morgengrauen.
Wir haben zuletzt ein ganz klein bisschen Luft aus dem Ballon abgelassen, doch das System an sich ist marode. Menschen kaufen noch immer Dinge, die sie keinesfalls brauchen, um Leute zu beeindrucken, die sie nicht mögen. Noch dazu mit Geld, dass sie nicht haben. Zuerst Geld anzusparen und es dann erst auszugeben, sollte wieder salonfähig werden.
- Führen wird nie mehr so sein, wie es einmal war
Regierungen hinterließen, im europäischen Gedanken verhaftet, ein wirtschaftspolitisches Vakuum, das der Finanzsektor gekonnt für sich nutzte und uns alle in ein Dilemma führte. Heute fordert er staatliche Hilfen von Politikern, die durch mangelnde Entscheidungsfähigkeit glänzen. Sie reagieren oft nur mehr anstatt zu agieren. Unbestritten strengen sich viele an, doch letztlich zählen nur Ergebnisse. Menschen und Unternehmen werden nicht zwingend an dem gemessen, wodurch ihre Krise ausgelöst wird, sondern vielmehr daran, wie sie mit Krisen umgehen!
Nur der größte Ignorant unter uns kann noch daran zweifeln, dass das Ökosystem der Erde in Gefahr ist. Der Schlüssel zum Umgang mit ökologischen und materiellen Limits liegt in der Nachhaltigkeit, vor allem Nachhaltigkeit im Handeln des Einzelnen. Die von der Natur vorgegebenen Grenzen sind in vielen Fällen schon erreicht, was beim Öl, beim Kohlendioxid und beim Klima besonders deutlich ist. Hatten einige bei Tschernobyl noch im Hinterkopf, dass einmaliges menschliches Versagen Schuld war, so ist vielen spätestens mit Fukushima bewusst geworden, an welch seidenem Faden vermeintliche Sicherheit hängt. Die Natur zeigt uns immer mehr die Grenzen auf. Die Grenzen unserer Verletzlichkeit. Und auch die ihrer.
Der für uns unentgeltliche Raubbau an der Umwelt gipfelt in meiner Überzeugung, dass die Erde eines Tages sehr gut ohne uns Menschen auskommen kann, wir aber unsere Existenzgrundlage auf diesem wunderbaren Planeten verspielen können.
Der österreichischer Nobelpreisträger Konrad Lorenz äußerte als zivilisatorisch-ökologischer Gesellschaftskritiker: "Ich hielt immer die Raumfahrt für eine sehr unnütze und leichtfertige Ausgabe großer Summen, und das Einzige, was ich an Gutem an Mond und anderen Raumfahrten sehe, ist, dass es den Menschen beigebracht hat: Wie schön die Erde ist, wie scheußlich die Mondwüste ist, wie scheußlich der Mars ist und wahrscheinlich alle anderen Himmelskörper in unserer näheren Umgebung auch. Wie selten, wie wunderschön unsere kleine blaue Erde ist, wie klein sie ist, wie selten, wie isoliert sie ist, und wie wir vollkommen aufgeschmissen sind, wenn wir diese kleine blaue Erde kaputtmachen." Diese Zeilen eignen sich zum Vorlesen und Weitererzählen.
Nachhaltigkeit gelingt mit Bodenhaftung, Augenmaß und Zuversicht
Was ich von Shackleton gelernt habe, ist, dass Bodenhaftung, Augenmaß und Zuversicht handlungsleitend sein sollen. Es ist intelligent, Shackleton als Vorbild aus vergangener Zeit für unsere Zukunft ein Mandat zu erteilen. Moral entsteht nun einmal nicht durch Verpflichtung, sondern durch Nachahmung.
So viele Menschen fühlen sich aktuell enttäuscht. Doch sie verkennen die Lage. Eine Enttäuschung ist nicht negativ, sondern das Ende einer Täuschung und somit die Chance für einen Neuanfang. Die Zukunft ist nicht gratis. Dabei sind mir Investitionen in die Zukunft wesentlich lieber als Rückzahlungen für die Vergangenheit. Wir sind weit entfernt davon, doch manchmal wünsche ich mir in grenzenloser Naivität: Geld, dass keiner zählt!
Das soziale Tempo steigt unermesslich und doppelt so gut zu funktionieren mit der Hälfte des Geldes wird gefordert. Die Antwort finden wir keinesfalls im "doppelt-so-groß und halb-so-teuer-Mythos". Wollen wir auf dem internationalen Markt bestehen, sollten wir vielmehr verstehen, dass dies nur mit einer ausgewogenen Lebens- und Arbeitsbalance möglich ist.
Der kurzatmige Takt, Neues zu erfinden und Altes zu vergessen, ein Pfeiler der modernen Wirtschaft, beginnt zu modern. Die Obsoleszenz als gewünschter Produktverfall durch technische oder psychologische Vergänglichkeit fördert eine Vergeudungsökonomie. Diese müssen wir stoppen.
Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Handeln in Krisen sind belastbare Aussagen. Wenn Sie heute 40 Jahre oder jünger sind, dann ist zu befürchten, dass Ihre Rentenbescheide bestenfalls Belletristik sind. Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar. Man kann sich dazu entscheiden. Daran glaube ich. Wenn man das nicht tut, dann heißt das etwas. Die Wahrheit ist kein Kompromiss.
Die Erfolge von gestern sollen heute kein Unternehmen mehr beruhigen. Der größte Kostenblock im Unternehmen sind nicht die Mitarbeiter, sondern Führungsfehler. Souveränität bedeutet, nicht alles bis ans Limit auszureizen. In Führungspostionen sind nur jene Menschen interessant, die, wie Shackleton Courage haben. Sie warten nicht, bis eine zugespitzte Situation eine Veränderung erzwingt, sondern stellen sich auf die Zukunft ein, bevor die anderen es tun. Die Lösung von Krisen gelingt primär charismatischen Führungskräften, die vorbildhaft vorangehen und gut sind, wenn es darauf ankommt. Denn wer führt, gewinnt!
Bedenken wir: Der urzeitliche Jäger in uns ist ohnehin nur durch eine dünne Schicht der Zivilisation bedeckt. Worauf es ankommt ist, sozial kompetent zu handeln. Ansonsten ist das Projekt der zivilisierten Menschheit auf der Erde gescheitert. Wir haben nur eine gemeinsame Chance. Wo immer wir hingehen. Was immer wir tun. Wie auch immer. Wir Menschen wollen definitiv Hoffnung haben und nicht irgendein Krisengeschrei.
Wenn Sie jetzt meinen, es ist unerhört ist, eine Antarktisexpedition mit der Ökonomie zu vergleichen, dann haben Sie recht. Und wenn Sie sagen, es ist aufwändig, daraus erfolgreiches Krisenhandeln für heute abzuleiten, dann haben Sie noch viel mehr recht. Aber, wenn wir mit Shackleton als Vorbild das Blatt wenden, dann habe ich recht.
Das Genie geht glatt durch die Wand. Auch, wenn es dazu 97 Meilen vor dem Pol umdreht.
HINWEISE ZU AUTOR UND BUCH:
Peter Baumgartner - Speaker & AutorDer Shackleton-Kenner in Europa.
Wirtschaftsliteraturpreis & Wirtschaftsbuch des Jahres 2008.
Der Wirtschaftsingenieur und Dipl.-Pädagoge war Lehrbeauftragter an Hochschulen, sowie Unternehmensberater in Österreich und Deutschland.
Er begeistert als motivierender Redner bei Kongressen und Tagungen im In- und Ausland. Seine Themen: Mut machen, Geniale Grenzgänge und Leadership leben.
Geniale Grenzgänge - Limits in der Wirtschaft und am Ende der Welt
272 Seiten, gebunden
40 s/w-Abb. / ? 29,90
ISBN 978-3-205-78798-3
Böhlau Verlag Wien Köln Weimar, 2012
"Shackleton war in seiner Zeit Weltmarktführer. Seine Philosophie fängt dort an, wo andere aufhören. Ein Ansatz, der wie auf Porsche gemünzt ist. Lesen Sie dieses Buch."
Dr. Wolfgang Porsche
Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 01.10.2012
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